
Das Bundeswirtschaftsministerium legt eine Studie zur Subventionierung der Zeitungszustellung vor. Robert Habeck erklärt sich allerdings für nicht zuständig.
Berlin. Das Thema hatte sich schon die vorangegangene Bundesregierung auf die Fahnen geschrieben - und nicht zum Abschluss gebracht. Nun droht das Vorhaben, den vor allem in ländlichen Räumen zunehmend unwirtschaftlichen Vertrieb von Tageszeitungen staatlich zu subventionieren, auch in der Berliner Ampelregierung zu versanden: Obwohl das Ziel im Koalitionsvertrag aufgenommen worden ist, obwohl der Bundesrat schon im vergangenen September auf eine rasche Umsetzung gedrängt hat, obwohl das Wirtschaftsministerium gerade erst eine von der Vorgängerregierung in Auftrag gegebene Studie vorgestellt hat, die eine Förderung der Zeitungszustellung befürwortet, bremst Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das Thema aus. Er hat sein Ministerium nach der Vorstellung der Studie einfach für nicht zuständig erklärt.
Dagegen macht jetzt die SPD innerhalb der Koalition Druck. In einem gemeinsamen Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung” (FAZ) drängen Heike Raab, die Vorsitzende der SPD-Medienkommission, und die beiden stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden für Wirtschaft und Kultur, Verena Hubertz und Dirk Wiese, den Koalitionspartner zu einer schnellen Umsetzung. Man könnte den Beitrag auch so deuten, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Entscheidung vorantreiben soll, wenn das Wirtschaftsministerium die Presseförderung weiter ausbremst.
Staatlicher Einfluss auf die Redaktionen soll vermieden werden
Zum Hintergrund: Eine staatliche Subventionierung unabhängiger privater Medien ist insofern heikel, als gewährleistet sein muss, dass der Staat keinerlei Einfluss auf die Redaktionen und die Inhalte der Zeitungen nehmen kann. Die vom Wirtschaftsministerium vorgestellte Studie bestätigt allerdings, dass eine solche Einflussnahme bei einer reinen Förderung des in vielen ländlichen Regionen bereits defizitären Vertriebs von Tageszeitungen nicht gegeben ist.
Gerade erst hat die Funke Mediengruppe bekannt gegeben, dass sie die Zustellung der „Ostthüringer Zeitung” im gesamten Landkreis Greiz zum 1. Mai einstellt, weil allein die Vertriebskosten die Einnahmen aus dem Abonnement übersteigen. Schon 2020 hatte das auf Zeitungen spezialisierte Beratungsunternehmen Schickler davor gewarnt, dass die Anzahl der zustellgefährdeten Gemeinden in Deutschland in wenigen Jahren bis zu 40 Prozent betragen kann. Neben den enormen Lohnsteigerungen bei der Zustellung der gedruckten Zeitungen belasten die Medienhäuser zugleich die massiv gestiegenen Energie- und Papierpreise. Die Bereitschaft vor allem älterer Lesergruppen, auf digitale Angebote der Medienunternehmen umzusteigen, ist dagegen gering.
Thüringen: In einem ersten Landkreis wird schon keine Zeitung mehr zugestellt
Auf all diese Faktoren weisen auch die SPD-Medienpolitiker in ihrem Beitrag in der FAZ hin: „Diese Entwicklung ist dramatisch. Sie bedeutet, dass ganze Regionen von seriöser Berichterstattung über Kommunalpolitik, lokalen Sport oder regionale Kultur abgeschnitten werden - mit allen absehbaren Folgen für gesellschaftliche Debatten und Wahlentscheidungen.” In den USA lasse sich bereits nachweisen, dass der Verlust der örtlichen Zeitung negative Auswirkungen auf die demokratische Kultur habe. Deshalb sei im Koalitionsvertrag der Bundesregierung zu Recht vereinbart worden, diese Entwicklung aufzuhalten und „die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen zu gewährleisten”.
Medienexperten liefern gleich ein Modell für die Zustellförderung mit
Raab, die zugleich die Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder ist, und die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion haben auch einen Vorschlag für die Ausgestaltung der finanziellen Förderung des Zeitungsvertriebs vorgelegt. Sie soll sich auf Tages- und Wochenzeitungen beziehen, die für jedermann zugänglich sind, eine zeitnahe Berichterstattung gewährleisten, inhaltliche Vielfalt in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur bieten und sich verpflichten, die journalistischen und datenschutzrechtlichen Qualitätsstandards des Pressekodex einzuhalten.
Die Förderung solle sich nach der Höhe der Abonnementauflage richten - bei besonderer Berücksichtigung dünn besiedelter Räume. Die SPD-Politiker stellen klar, dass eine solche Förderung des Zeitungsvertriebs weder verfassungsrechtlich problematisch sei noch Probleme in Bezug auf das Beihilferecht der EU aufwerfe. Unterdessen haben auch die Medienminister aus NRW und Sachsen, Nathanael Liminski und Oliver Schenk (beide CDU), an den Appell des Bundesrats erinnert, die Zeitungszustellung finanziell zu fördern. In einem Brief an Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (beide Grüne) fordern sie ein „zügiges Signal”.