Wahlrechtsreform: Rechtsprofessor sieht Eigentor der Union

Mit der neuen Reform soll der auf 736 Abgeordnete angewachsene deutsche Bundestag ab der nächsten Wahl dauerhaft auf 630 Mandate verkleinert werden.

Ein Teil der Reform könnte der CSU zum Verhängnis werden. Dabei habe die Union selbst die Abschaffung der Grundmandatsklausel gefordert, sagt der Frankfurter Jurist Uwe Volkmann.

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Berlin/Frankurt. Der Frankfurter Verfassungsrechtler Prof. Uwe Volkmann hat die Ampel-Koalition gegen Kritik aus der Union an der am Freitag beschlossenen Wahlrechtsreform in Schutz genommen. Letztlich hätten sich CDU und CSU den besonders scharf kritisierten Wegfall der sogenannten Grundmandatsklausel selbst zuzuschreiben. In einem Interview mit den VRW-Medien sprach der Professor für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität Frankfurt von einem „beispiellosen Akt politischer Dummheit” der Unionsparteien.

Prof. Uwe Volkmann lehrt öffentliches Recht an der Goethe-Universität in Frankfurt.
Prof. Uwe Volkmann lehrt öffentliches Recht an der Goethe-Universität in Frankfurt. (© BMI)

In dem Streit, den CDU und CSU, aber auch die Linke vor das Bundesverfassungsgericht tragen wollen, geht es zum einen um die Regelung, dass in Zukunft nicht mehr jeder Kandidat, der in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen bekommen hat, automatisch in den Bundestag zieht. Dies hatte in den vergangenen Jahren zu einer starken Aufblähung des Parlaments geführt, weil viele sogenannte Überhangmandate ausgeglichen werden mussten, um die Mehrheitsverhältnisse korrekt abzubilden.

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Zweiter Streitpunkt ist die Abschaffung der sogenannten Grundmandatsklausel. Sie bestimmt bisher, dass eine Partei, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen bekommt, trotzdem in den Bundestag einzieht, wenn sie in mindestens drei Wahlkreisen vorne liegt. Deshalb sitzt derzeit die Linke im Bundestag, obwohl sie bei der Wahl 2021 nur 4,9 Prozent erreichte. Die Abschaffung der Grundmandatsklausel könnte jedoch auch für die CSU zum Problem werden: Zwar gewann sie 2021 fast alle Direktmandate in Bayern, kam bundesweit aber nur auf 5,2 Prozent der Stimmen.

Laut Volkmann gibt es für die Abschaffung der Grundmandatsklausel durchaus Gründe. In der Anhörung im Bundestag zur Wahlrechtsreform hätten gerade die von der Union benannten Sachverständigen eine Streichung der Klausel gefordert, damit die Reform verfassungskonform sei. So habe auch die Union argumentiert. Volkmann bezeichnete die Grundmandatsklausel als „rechtfertigungsbedürftige Ausnahme von der Fünfprozentklausel”, sie werfe „ein eigenes Gleichheitsproblem” auf, weil sie kleine Parteien ohne Wahlkreisgewinner benachteilige.

Bei ihrer Forderung nach einer Abschaffung der Grundmandatsklausel habe die Union ein Eigentor geschossen: „Man sich offensichtlich nicht überlegt, was das für das eigene Lager bedeutet: dass unter Umständen die CSU im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten sein wird.” Volkmann spricht im VRM-Interview deshalb von einem „beispiellosen Akt politischer Dummheit”.