Warum es ein Gesetz für die Klimaanpassung braucht

Wetterextreme werden häufiger und heftiger, doch Deutschland ist kaum vorbereitet. Welche Regionen besonders gefährdet sind – und wo Kreise und Städte sich schon gewappnet haben.
Berlin. Wenn es am Rhein eine Jahrhundertflut gäbe, wären im hessischen Bürstadt 15.625 Menschen direkt davon betroffen – fast 96 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner. Im benachbarten Lampertheim sind es „nur“ 66 Prozent, was aber mehr als 21.000 Menschen entspricht. Beide Gemeinden zählen zu den zehn Orten in Deutschland, die eine Flut am härtesten träfe. Darunter ist auch Worms; hier wären mehr als 16.000 Menschen betroffen. Das zeigen Daten aus einer Recherche unserer Zeitung mit Correctiv, NDR, BR und WDR, auf der dieser Artikel basiert.
In Zeiten, in denen der Rhein an der Grenze zum Niedrigwasser kratzt, ist ein solches Szenario schwer vorstellbar. Doch tatsächlich steigt das Risiko für Hochwasser mit der Erderhitzung ebenso wie das Risiko für Hitze und Dürre. Je höher die Temperatur, desto mehr Wasserdampf kann die Atmosphäre aufnehmen – und auf einmal wieder abgeben. Regen wird seltener, aber extremer – und trifft mitunter auf eine ausgetrocknete Erde, die das Wasser nicht aufnehmen kann. Nicht jedes Wetterextrem lässt sich direkt auf die Klimakrise zurückführen, aber klar ist laut Weltklimarat: Hitzewellen, Dürren, Starkregen und Hochwasser werden mit ihr häufiger.
Die folgenden Karten zeigen, wie sich die Anzahl der Dürremonate und Hitzetage entwickelt hat und wie gefährdet die Landkreise durch Flusshochwasser sind. Tippen Sie auf einen Landkreis, um die genaue Zahl zu sehen. Wählen Sie in der Zeitleiste einen Zeitraum aus, um den historischen Vergleich zu sehen. Um zu den weiteren Karten zu gelangen, nutzen Sie die Buttons oben rechts und links.
Extremwetter sind ein Gesundheitsrisiko
Nicht erst, wenn das eigene Haus von einer Flut mitgerissen wird, haben die Folgen der Erderhitzung Auswirkungen auf die Menschen. Im Sommer 2022 starben in Deutschland mehr als 8000 Personen aufgrund von Hitze. Hohe Temperaturen erhöhen das Risiko für diverse Gesundheitsprobleme: Hitzschläge, Schlaganfälle und Herzinfarkte ebenso wie Unterzuckerung bei Diabeteskranken oder Fehlgeburten bei Schwangeren. Dürre beschädigt nicht nur die Wälder und damit die Artenvielfalt, sondern stellt auch die Landwirtschaft vor Probleme und kann lokal sogar zu temporärem Wassermangel führen.
Die Folgen der Klimakrise sind schon heute spürbar und lassen sich nicht mehr vollständig verhindern. Neben Klimaschutz ist deshalb Klimaanpassung ein wichtiges Thema: das Wappnen vor den Folgen der Extremwetterlagen. Dazu gehören zum Beispiel die Beschattung und das Einrichten von kühlen Orten in Innenstädten, das Bauen von Deichen und Talsperren, das Schaffen von Überflutungsflächen oder die Entsiegelung von Flächen, damit Regenwasser versickern kann, statt abzufließen.
Bundesregierung will Pflicht statt Freiwilligkeit
Für den Schutz von Gesundheit, Umwelt und Natur und auch für den Schutz vor Katastrophen sind die Bundesländer zuständig. Viele Aufgaben in diesen Bereichen übernehmen aber auch die Landkreise, kreisfreien Städte und Kommunen. Maßnahmen zur Klimaanpassung können also in den Zuständigkeitsbereich lokaler Verwaltungen fallen – ihre Umsetzung ist zurzeit aber freiwillig. Das soll nach dem Willen der Bundesregierung ein neues Gesetz ändern: Es soll die Bundesländer verpflichten, dass sie ihren Landkreisen oder Gemeinden auferlegen, regionale Klimaanpassungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen.
Es gibt Kreise und Städte, die solche Konzepte bereits haben. Die Stadt Worms zum Beispiel hat bereits seit 2016 eines und hat seither einen Hitzeaktionsplan aufgestellt, dürreresistente Arten angepflanzt, Überflutungsflächen geschaffen und ihr Hochwasser-Management angepasst. Doch vielerorts sieht es anders aus: Correctiv, NDR, BR und WDR haben bei allen 400 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland abgefragt, ob sie ein solches Konzept haben. 329 haben die ausführliche Umfrage ausgefüllt – davon hatten nur 87 schriftlich ausformulierte Konzepte. Ob diese allerdings umfangreich genug sind, dass sie als Klimaanpassungskonzept im Sinne des neuen Gesetzes gelten würden, ist noch unklar.
Ein Problem ist, dass es bisher keine klare Definition gibt, was ein kommunales Klimaanpassungskonzept ist und was es leisten muss.
Klicken oder tippen Sie auf einen Balken, um die genaue Anzahl von Kreisen oder kreisfreien Städten zu erfahren.
86 Prozent der Kreisverwaltungen, die die Umfrage beantwortet haben, erwarten bis 2050 finanzielle Schäden durch Klimawandel-Folgen. Doch gerade an den Finanzen scheitert oft die Anpassung: Viele geben an, Maßnahmen für notwendig zu erachten, dafür allerdings noch keine Finanzierung zu haben. So hält Worms zum Beispiel die Begrünung von Fassaden, den Umbau von Abflusssystemen und die Anlage von Wasserreservoirs für nötig, hat dafür aber noch kein Geld.
Inwiefern das neue Gesetz da Abhilfe schaffen soll, erscheint noch offen. Im Entwurf ist nur die Rede davon, die Bundesregierung unterstütze „innerhalb ihrer Zuständigkeiten und nach Maßgabe des jeweiligen Haushaltsgesetzes“. Falls die Pflicht kommt, muss also noch geklärt werden, wer für ihre Umsetzung aufkommt.