Medial ist Philipp Amthor dauerpräsent. Doch eine Lobby-Affäre hat ihn ins Trudeln gebracht. Dirk Metz erklärt in seinem Gastkommentar, worauf es für den Politiker jetzt ankommt.
„Politik ist ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.“ Es ist der bekannteste Satz des deutschen Soziologen und Ökonomen Max Weber, der im Prinzip bis heute Gültigkeit besitzt. Die meisten Spitzenpolitikerinnen und -politiker haben einen langen Weg hinter sich. In jungen Jahren einer Partei beigetreten, zumeist im kommunalen Ehrenamt geerdet. Das war ihnen eine gute Schule, ehe sie die Politik zum Beruf machten beziehungsweise ehe ehrenamtliche Parteifreunde ihnen diesen Weg geebnet haben. Zur „Grundausbildung“ gehört dazu, Plakate aufzuhängen und Flyer zu verteilen. Vor allem aber lernt man für seine Überzeugungen einzutreten, sich in der Diskussion mit Parteifreunden und Politikern anderer Parteien auseinanderzusetzen, sich mit Menschen am Gartenzaun, im Betrieb oder in der Bürgerversammlung auszutauschen.
Die Kommunalpolitik ist eine wichtige Grundlage unseres Zusammenlebens, leider von manchen spöttisch belächelt. Die Tatsache, dass Parteien und Wählergruppen zunehmend Mühe haben, ausreichend Kandidatinnen und Kandidaten vor Ort zu finden, ist ungut, wenngleich erklärbar. Weil Menschen aus beruflichen Gründen weniger Zeit oder weil sie keine Lust haben, sich belächeln oder gar anfeinden zu lassen, ob im realen Leben oder im Internet.
Volker Bouffier, Malu Dreyer oder Winfried Kretschmann, sie haben einen langen Weg hinter sich. Im Laufe der Jahre haben die Menschen sie beobachten und sich ein Bild von ihnen machen können, sehen ihre Stärken und Schwächen, Ecken und Kanten. Über die Jahre ist Vertrauen gewachsen, dass gerade in der Corona-Krise ein wichtiges Kapital ist.
Binnen kürzester Zeit zu einer Marke geworden
Vor diesem Hintergrund betrachte ich das Phänomen Philipp Amthor. Er ist 27 Jahre alt, beendete vor drei Jahren sein Studium und gehört seit drei Jahren dem Deutschen Bundestag an. Er gilt als hochintelligent, ist ein guter Redner und Diskutant. Amthor ist binnen kürzester Zeit eine Marke geworden. Sein optisches Auftreten ist – sagen wir es mal so – ungewöhnlich für einen End-Zwanziger. Politisch ordnet er sich dem konservativen Flügel der CDU zu, die auf dieser Seite eher schwach besetzt ist. Aber vor allem haben Teile der Medien ihn auf seinem Höhenflug getragen. Von Talkshow zu Talkshow ist der junge Mann gereicht worden – zu allem und jedem wurde er befragt. Die Medien nutzten den Jungstar für sich und er nutzte die Medien. Dieser Effekt machte nicht mal vor der katholischen Kirche halt. Vor sieben Monaten trat Amthor, zuvor konfessionslos, öffentlichkeitswirksam der katholischen Kirche bei, vor wenigen Wochen wurde er bereits in den Diözesanrat des Bistums Berlin berufen. Jeder wollte irgendwie vom Amthor-Effekt profitieren. Viele Abgeordnete müssen sich die Augen gerieben haben, wie dieser junge Mann an ihnen vorbeigeflogen ist.
Nun ist Amthor – ich beschäftige mich mit einem Politiker, der wie Hunderte Parlamentarier ohne nennenswerte Funktion, aber im Gegensatz zu diesen medial bedeutend ist – ins Straucheln geraten, weil er sich als Lobbyist für die US-Firma Augustus Intelligence stark gemacht und Gespräche mit Amtsträgern in Ministerien vermittelt hat. Wir werden sehen, wie die Ermittlungen ausgehen und wie seine Partei mit ihm umgeht. Mich erinnert er an die jungen Fußballer, die dem frühen Ruhm kaum gewachsen sind. Weil manche schon mit 17 Jahren hofiert werden, früh im Geld schwimmen, es für sündhaft teure Autos oder glamouröse Partys ausgeben. Weil sie Berater haben, die am schnellen Geld, aber nicht daran interessiert sind, ihnen in jungen Jahren Lebensbegleiter zu sein.
Auch Philipp Amthor hat sich, weniger vom Geld als von der ihm zugeschriebenen Bedeutsamkeit wegtragen lassen. Wenn er die Erkenntnisse und Erfahrungen der letzten Wochen demütig nutzt, wenn er nicht nur hochintelligent bleibt, sondern auch klug wird, dann werden wir noch von ihm hören. Wenn nicht, wird er verglühen wie einer, dem er bei Augustus Intelligence begegnet ist: Ex-Wirtschafts- und Verteidigungsminister zu Guttenberg.
Von Dirk Metz