Hessen hat sich auf das Ditib-Aus bereits vorbereitet: Mit dem Islamunterricht wird ein Bildungsangebot für die Schüler in Eigenregie des Landes angeboten.
WIESBADEN. Hessen wird sich zum Schuljahresende vom deutsch-türkischen Moscheenverband Ditib trennen und damit den bekenntnisorientierten Religionsunterricht beenden. Betroffen davon sind 56 Grundschulen sowie die fünften und sechsten Klassen von zwölf weiterführenden Schulen. Kultusminister Alexander Lorz (CDU) hatte sich lange Zeit für diese Entscheidung gelassen, die SPD sprach gestern von einer „Hängepartie“. Nun begründete er die Trennung von Ditib damit, der Moscheenverband habe die Zweifel nicht ausräumen können, dass er abhängig von Ankara ist – ein Argument, das seit Jahren ins Feld geführt wird, Lorz aber offenbar erst jetzt überzeugt hat.
Nach Darstellung des Ministers hat der hessische Landesverband nach wie vor nicht alle Auflagen erfüllt. Lorz sagte, Ditib habe zwar – wie gefordert – seine Satzung geändert. Die Satzungsänderung sei allerdings immer noch nicht ins Vereinsregister eingetragen.
Der Beschedi von 2012 wird nicht widerrufen
Gleichwohl will Hessen die Tür nicht vollständig zuschlagen. Der 2012 erteilte Bescheid, mit dem die Kooperation zum bekenntnisorientierten Unterricht eingeleitet worden war, wird nur ausgesetzt. Der Bescheid wird aber nicht widerrufen. So werde man die Tür zwar abschließen, formulierte Lorz. Der Schlüssel bleibe aber hängen. Die Tür könne wieder geöffnet werden, wenn Ditib die notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Hessen betrete mit dieser „Aussetzung des Vollzugs juristisch unerforschtes Territorium“. Er hofft, dass Ditib von einer Klage gegen diese Entscheidung absieht, wenn dem Verband die Chance eingeräumt wird, wieder Partner des Landes zu werden. Diese Hoffnung hat Ditib gestern schon weitgehend zerstört. Man habe alle Forderungen des Ministeriums erfüllt, teilte der Landesverband mit. Deshalb werde man die nun die Aufkündigung der Partnerschaft juristisch prüfen. Man werde „keine Mühen scheuen, den Religionsunterricht zu erhalten“. Der Verband, dem in Hessen nach eigenen Angaben 86 Moscheegemeinden angehören, sprach von einem falschen und fatalen Zeichen, das „die politische Partizipation und gesellschaftliche Akzeptanz der Bürger muslimischen Glaubens um Jahrzehnte zurückwirft“.
Schon vor gut einem Jahr hatte Hessen die Kooperation mit Ditib aus Eis gelegt. Damals hatte Lorz den Status quo eingefroren und entschieden, dass in Kooperation mit Ditib nur die ersten sechs Jahrgangsstufen bekenntnisorientierten Religionsunterricht erhalten. Für den siebten Jahrgang hat Hessen Islamunterricht in staatlicher Verantwortung eingeführt. Dieses Modell soll mit dem neuen Schuljahr für rund 3300 Schüler von der ersten bis zur achten Jahrgangsstufe angeboten werden. Die Lehrer, die bislang den zusammen mit Ditib gestalteten Religionsunterricht erteilt hatten, erhalten mit Beginn des neuen Schuljahres das Angebot, an einer Fortbildungsveranstaltung teilzunehmen, um dann Islamunterricht in staatlicher Verantwortung erteilen zu können.
Die SPD im Landtag will am bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht festhalten. Man werde prüfen, inwieweit es nachvollziehbar ist, dass Ditib als Kooperationspartner nicht mehr infrage kommt.
Die Linke forderte, für nicht-religiöse Schüler flächendeckenden Ethik-Unterricht. Die FDP begrüßte die Entscheidung, die Zusammenarbeit mit Ditib zu beenden, mit Blick auf die heutige Lage in der Türkei. Zustimmung findet der Schritt auch bei der AfD, für die Ditib „in enger Verbindung“ zur Muslimbruderschaft sieht.
Von Christoph Cuntz