Limburger Bischof: Das Bistum braucht Kulturveränderung
Mehr als 400 Seiten Text, mehr als 60 vorgeschlagene Maßnahmen zur Verhinderung sexueller Gewalt in der Kirche hat der Limburger Bischof Georg Bätzing entgegengenommen....
LIMBURG. Sexuellen Missbrauch durch Kleriker hat es auch im Bistum Limburg gegeben. Der Missstand war lange Zeit unter den Teppich gekehrt worden. Doch mittlerweile ist er benannt. Und nun arbeitet die Diözese an einer Strategie, mit der künftig vermieden werden soll, dass Geistliche übergriffig werden. Bischof Georg Bätzing glaubt heute schon, zu wissen, was auf die Katholiken in seinem Bistum zukommt: „Es braucht eine Kulturveränderung“.
Den ersten Schritt zu dieser einschneidenden Kulturveränderung war Limburg schon gegangen, als es zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs auch externe, kritische Experten beauftragte. Claudia Burgsmüller etwa war im Rahmen des Projekts „Betroffene hören – Missbrauch verhindern“ als Prozessbeobachterin eingeladen worden. Die Wiesbadener Rechtsanwältin hatte bereits geholfen, den Missbrauch an der Odenwaldschule aufzuarbeiten.
Seit Kriegsende hat es im Bistum 46 Kleriker gegeben, die des Missbrauchs beschuldigt wurden. Das ist eines der Ergebnisse des Projekts, für das sie beauftragt war. Burgsmüller sagt, das Bistum habe auch deshalb begonnen, sich mit der eigenen Fehlerkultur auseinanderzusetzen, weil sie auf Transparenz bestanden habe. Doch noch immer gebe es ein Dunkelfeld: Menschen, die sich nicht melden, weil sie das Vertrauen in die Kirche verloren haben. Oder die nicht wollen, dass ihnen das Durchlittene wieder in Erinnerung gerufen wird. Die Anwältin spricht von der „Angst vor Traumatisierung und der eigenen Verbitterung“. Nötig sei deshalb eine externe Ombudsstelle, an die sich diese Menschen wenden könnten.
Es war in der Vergangenheit nicht so, dass sich Opfer sexuellen Missbrauchs nicht gemeldet hätten bei der Kirche. Die aber habe die Berichte nur entgegengenommen. Nachgefragt habe keiner, sagt die Anwältin.
Das zu Papier gebrachte Leid lagerte in den Akten, zum Teil sogar in den Geheimarchiven der Bistümer. In Limburg hofft jetzt Bischof Georg Bätzing, dass auf der Ebene der Bischofskonferenz demnächst ein Gesetz zur Aktenführung verabschiedet wird, um auch diesen Missstand zu beheben. Seine Hoffnung ist begründet: Er selbst ist seit Kurzem Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.
Auch die Priesterausbildung nennt der Limburger Bischof „überarbeitungsbedürftig“. Und dann geht es ihm noch um die Gleichstellung, um die Rolle der Frauen in der Katholischen Kirche. Frauen sollen nach seinen Vorstellungen mehr Rechte bekommen. Das Kirchenrecht könne er zwar nicht ändern, sagt er. Aber er kann überall dort die Weichen stellen, wo das Kirchenrecht schweigt. Beim Domkapitel etwa. Die Körperschaft besteht meist aus Dompropst, Domdekan und Domkapitularen, bildet den Rat eines Bischofs und kann einen neuen vorschlagen. Nur Männer: So bestimmt es das Kirchenrecht vor. Es könnte in Limburg durch Laien und Frauen, die eine beratende Funktion haben, ergänzt werden. Der Bischof weiß: „Das wird erhebliche Diskussionen im Bistum geben“.
Es gehe um einen Bewusstseinswandel, sagt Ingeborg Schillai, eine Frau, die im Bistum heute schon eine bedeutende Position innehat: Sie ist Präsidentin der Diözesanversammlung. „Wir sind gemeinsam Kirche“, sagt sie.
Tatsächlich ist noch einiges möglich. Der Generalvikar wird zwar auch in Zukunft ein Mann sein. Aber die Führung des Generalvikariats – der zentralen Verwaltungsbehörde einer Diözese – könnte einer Frau übertragen werden.
Mehrere hundert Seiten umfasst der Bericht des Projekts „Betroffene hören – Missbrauch verhindern“. Viele Passagen bestätigten „die Intention, die ich hatte“, sagt der Limburger Bischof. Zu lesen ist dort etwa der Satz: „Umso schmerzlicher ist es, dass es in der katholischen Kirche, wie sie derzeit verfasst ist, keine Gleichberechtigung von Frauen und Männern gibt“. Selbst wenn Frauen eine Führungsaufgabe übertragen werde: Ihr Vorgesetzter sei immer ein ordinierter Mann. Wo aber Frauen Hinweise auf von Klerikern verübten sexuellen Missbrauch entdeckten, könne es ihnen angesichts ihrer Stellung in der Kirche umso schwerer fallen, diese Hinweise an die zuständigen Stellen weiterzugeben. „Denn sie treffen, wenn diese Hinweise zum Vorgesetzten des verdächtigen Priesters gelangen, wieder auf einen Mann, der zu dem Beschuldigten in einem ‚mitbrüderlichen‘ und damit sakramental begründeten Nahverhältnis steht, von dem Frauen grundsätzlich ausgeschlossen sind“.
Von Christoph Cuntz