
Viel Tarek, wenig Grün – so präsentieren sich die Grünen auf ihren Plakaten zur Landtagswahl im Oktober. Rückenwind aus Berlin ist derzeit kaum zu erwarten.
Wiesbaden. Die Präsentation der Kampagne im Landtag ist gerade zu Ende, da platzt die Nachricht herein, dass die Fachpolitiker der Ampel-Koalition in Berlin es wieder nicht geschafft hätten, das umstrittene Heizungsgesetz in die parlamentarischen Beratung zu bringen. Tarek Al-Wazir entlockt das einen tiefen Seufzer. Umso größer wird bei ihm die Erleichterung gewesen sein, als Stunden später doch noch weißer Rauch über dem Bundeskanzleramt aufsteigt. Denn mag das Feld in Hessen noch so gut bestellt sein, der Erfolg bei der Landtagswahl am 8. Oktober dürfte auch davon abhängen, ob die Bundesregierung ihre Phase aus Streit und Stillstand bald überwindet.
Als ob das nicht genügen würde, droht den Grünen durch dem Asylkompromiss in der EU auch eine innerparteiliche Zerreißprobe. Die Zustimmung der grünen Bundesminister zu Abschiebelagern an den EU-Außengrenzen hat Teile der Parteibasis in Aufruhr versetzt. Der Länderrat am Samstag in Bad Vilbel, gedacht als Turbo für die hessischen Wahlkämpfer, droht zum Scherbengericht zu werden. Al-Wazir stellt auf Nachfrage klar, dass er den Kompromiss mitträgt: „Ich hätte höchstwahrscheinlich zugestimmt.“ Zum Regieren gehöre nun einmal, in schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen. Und natürlich blieben die Probleme in Berlin nicht ohne Rückwirkung auf den Landtagswahlkampf.
Eine Kampagne, ganz auf Tarek Al-Wazir zugeschnitten
Dabei fühlen sich die hessischen Grünen diesmal stark wie nie. Die Botschaft ist klar: „Tarek Al-Wazir soll der erste grüne Ministerpräsident Hessens werden“, sagt die Parteivorsitzende Sigrid Erfurth. „Wir waren als Partei noch nie so stark und motiviert“, sekundiert der Ko-Vorsitzende Sebastian Schaub. Al-Wazir erklärt: „Diesmal wollen wir es wirklich wissen.“ Offiziell treten die Grünen, die seit fast zehn Jahren mit der CDU regieren, mit einer Doppelspitze aus Wissenschaftsministerin Angela Dorn und Wirtschaftsminister Al-Wazir an. Allerdings ist die Kampagne stark auf Al-Wazir zugeschnitten, der die Grünen bereits zum sechsten Mal in den Landtagswahlkampf führt.
Ich habe einen Plan, wie wir Hessen stark, klimaschonend und gerecht voranbringen können, ohne dabei alles durcheinanderzuwirbeln.
„Ich habe einen Plan, wie wir Hessen stark, klimaschonend und gerecht voranbringen können, ohne dabei alles durcheinanderzuwirbeln“, sagt Al-Wazir – und ergänzt, dass er sich immer für Hessen entschieden habe. Man kann das als Spitze gegen Nancy Faeser (SPD) verstehen, die nach Jahren in der Landtagsopposition Innenministerin im Kabinett von Kanzler Olaf Scholz (SPD) wurde und nun von Berlin aus die Hessen-SPD in den Wahlkampf führt.
2018 gingen die Grünen erstmals als Zweite ins Ziel, wenn auch nur knapp vor der SPD. Seitdem sehen Umfragen sie meistens in dieser Position, allerdings deutlich hinter der CDU von Ministerpräsident Boris Rhein. Wahlziel sei es, die größte Fraktion im neuen Landtag zu stellen, sagt Dorn; Al-Wazir spricht von einem Dreikampf zwischen CDU, Grünen und SPD um das Amt des Regierungschefs, den er gewinnen wolle.
Ein sechs Milliarden Euro schwerer Klimaschutzfonds und 20.000 zusätzliche Kita-Plätze
Um dieses Ziel zu erreichen, setzen die Grünen drei inhaltliche Schwerpunkte. Al-Wazir kündigt einen „Klima- und Transformationsfonds“ an, der in fünf Jahren mit insgesamt sechs Milliarden Euro gespeist werden soll. Es gehe darum, alle bisherigen Ausgaben für den Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft zu bündeln und die Mittel dabei um jährlich 300 Millionen Euro aufzustocken. „Damit wollen wir Hessen an die Spitze des bundesweiten Transformationsprozesses bringen.“ Die ersten Pläne dazu lägen auf dem Tisch, als Ministerpräsident wolle er „unmittelbar mit der Umsetzung beginnen“, sagt Al-Wazir.
Wir wollen regionale ärztliche Versorgungszentren in jedem Landkreis schaffen
Zweiter Schwerpunkt ist die Stärkung des ländlichen Raumes. „Wir wollen regionale ärztliche Versorgungszentren in jedem Landkreis schaffen“, sagt Dorn. Bei Bus und Bahn sei ein Stundentakt nach dem Motto „Jedes Dorf – jede Stunde“ das Ziel. Drittes Wahlversprechen: Gemeinsam mit den Kommunen wollen die Grünen bis 2028 mindestens 20.000 neue Kita-Plätze schaffen. Dabei setzt Al-Wazir auf mehr und besser bezahlte Ausbildungsplätze, denn Personalmangel sei heute das Hauptproblem.
Zur Kampagne der Grünen – Motto „Hessen lieben. Zukunft leben“ – gehören sechs Plakatmotive zu den Themenfeldern Wirtschaft/Arbeitsplätze, Klima, Bildung, Familien/Kinderbetreuung, gesellschaftlicher Zusammenhalt und ländlicher Raum. Außerdem gibt es zwei Motive nur für die Spitzenkandidaten. Auffällig ist die dezente Verwendung der Farbe Grün: Sie findet sich auf den Plakaten nur ganz unten als schmaler Streifen in gedecktem Ton.