Die Lufthansa hat im Kampf gegen Billigkonkurrenz einen juristischen Erfolg errungen. Nun stellt sich die Frage nach den Folgen. Für den Flughafen geht es um einen Millionenbetrag.
LUXEMBURG. Das EU-Gericht hat die Genehmigung einer millionenschweren Beihilfe des Landes Rheinland-Pfalz für den Hunsrück-Flughafen Frankfurt-Hahn gekippt. Wie die Richter in Luxemburg am Mittwoch entschieden, hat die zuständige EU-Kommission nicht ausreichend geprüft, ob die öffentliche Zuwendung mit den Regeln für den Binnenmarkt vereinbar ist.
Die Brüsseler Behörde hatte dem Land Rheinland-Pfalz 2017 erlaubt, von 2017 bis 2021 Betriebsverluste von bis zu 25,3 Millionen Euro zu decken. Die Lufthansa, die den Flughafen Hahn nicht nutzt, sieht die Unterstützung als wettbewerbsverzerrend an und hatte beim Gericht der EU Klage erhoben. Platzhirsch im Passagiergeschäft am Airport Hahn ist Europas größte Billigfluglinie Ryanair.
Das EU-Gericht urteilte, die EU-Kommission habe die Zusammenhänge der Einzugsgebiete der 115 Kilometer voneinander entfernten Flughäfen Frankfurt am Main und Frankfurt-Hahn unzureichend geprüft. Auch Fragen zu den Geschäftsmodellen beider Airports blieben offen. Damit seien nicht "alle Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der streitigen Beihilfe mit dem Binnenmarkt" beseitigt.
Wie es in der Auseinandersetzung nun weitergeht, blieb am Mittwoch unklar. "Die Kommission wird das Urteil sorgfältig prüfen und über mögliche weitere Schritte nachdenken", erklärte eine Sprecherin. Theoretisch könnte die Brüsseler Behörde gegen das Urteil Einspruch einlegen. Möglich ist aber etwa auch, dass ihre Wettbewerbsexperten eine umfassendere Prüfung der Beihilfe vornehmen, die dann zu einer neuen Genehmigung führt. Ob der größtenteils privatisierte Flughafen Hahn die millionenschweren Beihilfen der Steuerzahler zurückzahlen muss, dürfte deswegen noch lange offen bleiben.
Bislang hat Rheinland-Pfalz laut Innenministerium dem Hahn für 2017 und 2018 insgesamt 10,2 Millionen Euro Betriebsbeihilfen und knapp 5,2 Millionen Euro für die Sicherheit überwiesen, zusammen also fast 15,4 Millionen Euro. Seit den 2020 bei sechs Unternehmen am Flughafen eingeleiteten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Koblenz gegen drei Verantwortliche wegen mutmaßlicher Steuerdelikte wollte das Land dem Hahn ohnehin nichts mehr zahlen bis zum Abschluss der Untersuchungen. Diese dauern nach Angaben der Staatsanwaltschaft vom Mittwoch wegen des "großen Umfangs der auszuwertenden Beweismittel" an.
Die EU-Kommission hatte 2017 erklärt, dass gemäß den Luftverkehrsleitlinien Betriebsverluste kleinerer Regionalflughäfen bis 2024 unter bestimmten Voraussetzungen mit öffentlichen Mitteln gedeckt werden dürfen. Die Kommission berücksichtigte nach eigenen Angaben auch, dass der Hahn im wirtschaftlich eher schwachen Rhein-Hunsrück-Kreis liegt und für die örtliche Wirtschaft wichtig ist. Den rheinland-pfälzischen Behörden zufolge hingen rund 11 000 Arbeitsplätze in der Region von dem Flughafen ab, erklärte die Kommission damals. Zudem gebe es im Umkreis von 100 Kilometern oder einer Stunde Fahrzeit keine weiteren Flughäfen.
In der Corona-Pandemie verbucht der einstige Militärflughafen Hahn bei der Frachtabfertigung ein Plus über dem Branchendurchschnitt und im Passagiergeschäft einen deutlichen Rückgang. Der Haupteigentümer des Hunsrück-Flughafens, der chinesische Großkonzern HNA, ist inzwischen in finanzielle Schieflage gerutscht und soll umgebaut werden. HNA hatte 2017 für rund 15 Millionen Euro vom Land Rheinland-Pfalz 82,5 Prozent des Flughafens Hahn gekauft. Die übrigen 17,5 Prozent hält das Land Hessen. Der Airport und der chinesische Staat versicherten, am Flughafenbetrieb werde sich nichts ändern. Die Lufthansa begrüßte das Urteil: "Wir bleiben davon überzeugt, dass bestimmte Zuwendungen an den Flughafen Hahn sowie Verträge des Flughafens mit Ryanair nicht mit dem europäischen Beihilferecht vereinbar sind, und werden uns weiter für faire Rahmenbedingungen im Wettbewerb einsetzen."
Der Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz sprach vom "nächsten Nackenschlag" für den Hahn. Ein Wegfall oder gar eine Rückzahlung der Beihilfen wären "für die Steuerzahler eine gute Nachricht. Doch wenn SPD und Grüne zusätzlich ihre Pläne zum Ende von Kurzstrecken- und Billigflüge in die Tat umsetzen, dürfte der Hahn erledigt sein."
Die Linken-Fraktion im Bundestag nannte das Urteil "richtungsweisend für die Beendigung des Wildwuchses an Klein- und Kleinstflughäfen". Überflüssige Airports dürften nicht länger mit Millionen Euro erhalten werden, zumal sie Anwohner und Klima sehr belasteten. Der Hahn äußerte sich vorerst nicht zu dem Urteil. Am Mittwoch hatte er auch keine eigene Internetseite mit Flugplänen und sonstigen Inhalten. "Unsere neue Website geht bald online!", hieß es nur.
„Wir sind von dem Urteil überrascht, da bisherige Verfahren mit ähnlicher Sachlage zu einem anderen Ergebnis kamen“, sagte der zuständige rheinland-pfälzische Innenstaatssekretär Randolf Stich (SPD). Man werde den Spruch prüfen und mit der EU-Kommission Kontakt aufnehmen, das Land selbst sei an dem Rechtsstreit nicht beteiligt.
Von dpa