Lewentz: Extremisten missbrauchen Corona für ihre Zwecke

aus Coronavirus-Pandemie

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Das Mittel der Wahl für rechtsextreme,  linksextreme aber auch dschihadistiche Propaganda sind die sozialen Medien. Foto: Thorsten Richter

Polarisieren und destabilisieren - das wollen Extremisten nach Aussage von Innenminister Lewentz. Und sie machen sich dazu laut Verfassungsschützern gezielt die Corona-Krise...

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MAINZ. Politische und religiöse Extremisten nutzen die Corona-Krise für ihre verfassungsfeindlichen Zwecke. Als Tatwerkzeug dient ihnen dabei in Zeiten der Kontaktsperre das Internet. Auf eigenen Plattformen und in den sozialen Netzen verbreiten Rechts- und Linksextreme, Islamisten und ausländische Nachrichtendienste Falschmeldungen, die nur eins zum Ziel haben: Ängste und Verunsicherung in der Bevölkerung zu schüren, um den Staat zu destabilisieren. Innenminister Roger Lewentz (SPD) und der Leiter des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes, Elmar May, bestätigten am Donnerstag in Mainz ein verstärktes Agieren der Extremisten im Netz.

Dass sie damit die Bemühungen des Staates unterminieren, die Menschen vor den Auswirkungen der Pandemie zu schützen, verurteilt Lewentz scharf. „Dieses Verhalten ist gerade in einer Zeit, die uns allen viel Disziplin und Solidarität abverlangt, gewissenlos und schändlich“, sagte Lewentz. Nach Aussage Mays sind es vor allem einschlägig bekannten Agitatoren, die auch nun auf den Plan treten, um Sprache und Zielsetzung mit der Corona-Krise zu verknüpfen. „Extremisten erfinden eine neues Narrativ“, stellte May fest. In Rheinland-Pfalz gebe es alle Schattierungen, ein Schwerpunkt liege aber „fast ausschließlich“ auf dem Rechtsextremismus. Die Rechten bringen immer wieder auch den „Tag X“ ins Spiel. Gemeint ist damit der Zusammenbruch des demokratischen Systems. Auf dieses Szenario müsse man sich vorbereiten, so die Botschaft von rechtsextremen Parteien, Reichsbürgern und identitärer Bewegung. Auch mit Waffen.

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In der Pandemie verwenden Rechtsextremisten bekannte Muster, projizieren sie allerdings auf die Corona-Krise. So verbreiten sie in ihrer fremdenfeindlichen Hetze unter anderem, dass Migranten, und hier vor allem Muslime, Überträger des Covid-19-Virus seien. Und: Sie müssten die staatlich auferlegten Einschränkungen nicht wie alle anderen befolgen. Das gelte vor allem im Fastenmonat Ramadan, der vor einer Woche begonnen hat. Der Staat könne die Einschränkungen nicht durchsetzen, es käme zu großen Versammlungen und bürgerkriegsähnlichen Aufständen mit Toten und Schwerverletzten, ist auf zwei Internetplattformen, die der Kandeler rechten Szene zuzurechnen sind, zu lesen.

Dass die Realität komplett anders aussieht, verdeutlichte Roger Lewentz. Muslimische Organisationen hätten in Gesprächen mit dem Bundesinnenministerium als Signal in ihre Mitgliedsverbände gegeben, dass die Pandemie alle Menschen betreffe, natürlich auch Menschen muslimischen Glaubens, weshalb man sich an die Regeln halten müsse. In Rheinland-Pfalz würden diese Vorgaben weitestgehend eingehalten. „Was in den Familien geschieht, das kontrollieren wir natürlich nicht“, sagte Lewentz. Allerdings gebe es bislang auch keine Klagen aus der Nachbarschaft über große Zusammenkünfte. „Die Leute haben auch ein gutes Stück Angst um ihre Gesundheit.“ Der Minister machte zudem klar, dass die Einschränkungen für die christlichen Gemeinden bei der Wiederaufnahme von Gottesdiensten natürlich auch für die Muslime und ihre Gebete in den Moscheen gelte.

Ziel der rechtsextremistischen Hetze ist auch die Flüchtlingssituation an der griechisch-türkischen Grenze. Und auch der Antisemitismus flammt in den aktuell kursierenden Verschwörungstheorien auf. Das Corona-Virus, so ist zu lesen, sei von einer „jüdischen Elite künstlich geschaffen worden, um die Pandemie bewusst auszulösen“.

Linksextremisten nehmen indes die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ins Visier. „Staatliche Repression“ ist das in ihren Augen. Die Corona-Krise, so Lewentz, sei daher für die Linksextremen ein willkommener Anlass den „demokratischen Staat Bundesrepublik Deutschland zumindest verbal zu attackieren“. In einem Blog werde eine Postkarte zum Download bereitgestellt mit dem Aufdruck: „Du hast Corona? Dann sei doch so nett und stecke einen Bullen oder einen Richter an, damit mehr von denen, die uns unserer Freiheit berauben, verrecken.“ Eine breite Instrumentalisierung der Krise, durch linksextreme Kräfte sei zwar bislang nicht zu erkennen, allerdings nutzten sie die Pandemie zur grundsätzlichen Kritik am kapitalistischen System, indem eine direkte Verknüpfung zwischen Kapitalismus- und Corona-Krise hergestellt werde.

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Bei den Islamisten in Rheinland-Pfalz spiele die Corona-Krise keine große Rolle. Lediglich die gewaltbereiten Dschihadisten sprächen in ihren Verschwörungstheorien gegen den Westen von einer „Strafe Allahs“. Ausländische Nachrichtendienste setzten indes ihre Strategie der Einflussnahme und Desinformation über die sozialen Medien fort. Ein Ziel dabei: die Polarisierung und Manipulation des öffentlichen Meinungsklimas. Ein wesentlicher Akteur dabei: der russische Sender „Russia Today“, der unter anderem verbreite, dass die Bundesregierung bei der Krisenbewältigung scheitere.

„Gerade Krisenzeiten werden von Extremisten und fremden Nachrichtendiensten für ihre Bestrebungen genutzt, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben. Sie wollen polarisieren und destabilisieren“, bringt Lewentz die vom Verfassungsschutz registrierte Gemengelage auf den Punkt. Daher gelte es, weiter aufmerksam und wachsam zu sein, „damit die Pläne der Staatsfeinde nicht aufgehen“. Aktivitäten und Verlautbarungen, die gegen geltendes Recht verstoßen, würden konsequent der Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung gemeldet.

Von Thomas Ehlke