
Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck gibt der SPD-geführten Landesregierung in Rheinland-Pfalz eine Mitschuld an ihrem Parteiaustritt. Die Antwort der Sozialdemokraten folgt prompt.
Mainz/Ludwigshafen. Der Entschluss der Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck, nach 27 Jahren aus der SPD auszutreten, hat in dieser Woche die politischen Seismografen in Rheinland-Pfalz ausschlagen lassen. Nachdem die 60-Jährige am Dienstag ihren Austritt zunächst ohne Angaben von Gründen auf ihrer Facebookseite bekannt gegeben hatte, legte sie am Freitag in den sozialen Medien nach – und kritisierte die Sozialdemokraten scharf. Sie schrieb: „Ich verstehe meinen Austritt als Weckruf für die SPD in Bund und Land.“ Ein „Weiter so“ könne sie nicht mehr hinnehmen.
Steinruck bezeichnet rheinland-pfälzische Bildungspolitik als „Enttäuschung“
Als Gründe gab Steinruck an, dass sie sich als Stadtoberhaupt vor allem von der SPD-geführten, rheinland-pfälzischen Landesregierung bei vielen Fragen und Problemen alleingelassen fühle. Unter anderem in der Bildungspolitik, die Steinruck „eine Enttäuschung“ nannte und wegen der sie Landesbildungsministerin Stephanie Hubig (SPD) persönlich angriff. „Wenn Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig sagt, es wird keinen Ludwigshafener Sonderweg geben, kann ich nur sagen, dass es dringend einen Ludwigshafener Sonderweg geben muss.“ Steinruck verwies damit auf die Probleme an der Grundschule Gräfenau im Brennpunktstadtteil Hemshof, wo rund 40 Schüler einer ersten Klasse die Jahrgangsstufe wiederholen werden.
Zudem beklagte Steinruck, dass das Land Städte wie Ludwigshafen finanziell alleine lasse. „Für die Zukunft verlangt man von Stadtspitze und Stadtrat massive Einschnitte, die aus meiner Sicht – auch wenn viele das nicht wahrhaben wollen – immense soziale Verwerfungen zur Folge haben werden.“ Hintergrund des Frustes der Oberbürgermeisterin ist, dass die rheinland-pfälzische Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) den ersten Haushaltsentwurf der hoch verschuldeten Stadt in diesem Jahr zunächst nicht genehmigt hatte. Erst der zweite Entwurf, in dem die geplante Neuverschuldung von 100 Millionen Euro auf 30 Millionen Euro verringert wurde, wurde genehmigt. Mit umfassenden Einsparungen, durch die Ludwigshafen der „soziale Kahlschlag“ drohe, wie Steinruck in ihrer Stellungnahme befürchtete.
2018 war Steinruck als SPD-Kandidatin zur Oberbürgermeisterin Ludwigshafens gewählt worden. Ob sie sich nach ihrem Parteiaustritt bei der nächsten OB-Wahl 2025 erneut zur Wiederwahl stellen werde, ließ die 60-Jährige zunächst offen. „Dazu äußere ich mich, wenn es so weit ist“, hieß es dazu auf ihrer Facebookseite.
In der SPD Rheinland-Pfalz reagierten die Genossen am Freitag nun mit ebenfalls deutlichen Worten in Richtung Steinruck. Auf Anfrage hieß es von Landesgeneralsekretär Marc Ruland: „Ihr Austritt aus der SPD wird weder ihr noch Ludwigshafen helfen, die großen Herausforderungen der Stadt besser zu lösen.“ Wie die SPD bestätigte, habe die Partei nach dem Austritt das Gespräch mit Steinruck gesucht. Offenbar ohne Erfolg. Zu den inhaltlichen Vorwürfen, die Landesregierung lasse die Stadt Ludwigshafen finanziell allein, entgegnete Ruland: „Das Land wird beim Schuldenschnitt die Hälfte der Altschulden, rund 500 Millionen Euro, übernehmen, die Stadt wird durch den Kommunalen Finanzausgleich jetzt 41 Millionen Euro mehr bekommen.“ Zudem verwies der Generalsekretär darauf, dass es zuletzt intensive Gespräche gegeben habe, wie Förderprogramme für die Stadt von Landesseite noch besser unterstützt werden könnten. „Von Sondermitteln für Schulsozialarbeit über Familienschulzentren, die das gesamte Umfeld von Schülerinnen und Schülern in ihre Unterstützungsarbeit miteinbeziehen“, so Ruland.