Mainz bietet einen guten Rahmen für Biotechnologie

Prof. Dr. Georg KrauschGeboren 1961, studierte Georg Krausch Physik an der Universität Konstanz. Nach Promotion und Habilitation war er von 1996 bis 1998 Professor für Physikalische Chemie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Jahr 1998 übernahm er einen Lehrstuhl für Physikalische Chemie an der Universität Bayreuth. Krausch publizierte über 160 wissenschaftliche Veröffentlichungen, die über 10 000 Mal zitiert wurden. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen wurde er im Jahr 2009 zum Fellow der American Physical Society (APS) ernannt. Seit 2013 ist er Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech). Im Jahr 2014 wurde er mit der Leibniz-Medaille der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz ausgezeichnet, im März 2020 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste ernannt. Als Präsident der JGU war Krausch Gründungsdirektor der MAINZER WISSENSCHAFTSALLIANZ. Seit September 2020 ist er Vorsitzender des Universitätsverbands German U15, dessen stellvertretenden Vorsitz er seit 2014 innehatte.Georg Krausch ist zudem seit 2021 Koordinator des Landes Rheinland-Pfalz für Biotechnologie.

Rheinland-Pfalz und insbesondere die Landeshauptstadt sollen zum Vorzeigestandort für die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts werden.

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. Seit Herbst 2021 ist Prof. Dr. Georg Krausch, der Präsident der Gutenberg-Universität Mainz, der Koordinator für die Entwicklung der Biotechnologie in Rheinland-Pfalz. Die Allgemeine Zeitung sprach mit ihm über Ziele, Maßnahmen und Umsetzungspläne.

Sie sind der Koordinator für die Entwicklung der Biotechnologie in Rheinland-Pfalz. Was bedeutet das genau? Prof. Dr. Georg Krausch: Wesentliche Aufgabe ist die Koordinierung der verschiedenen Maßnahmen innerhalb der Biotechnologieinitiative des Landes und der zahlreichen Akteure. Konkret begleite ich den Beirat für Biotechnologie, die Biotechnologiestudie des Landes mit Roadmap, die Geräteinitiative des Landes, die Entwicklung einer begleitenden Website zur Biotechnologieinitiative, den Ausbau der Kooperationen im Bereich der Lebenswissenschaften mit Schottland sowie die Etablierung von Kontakten mit weiteren Standorten. In den zurückliegenden Monaten habe ich außerdem bereits eine Reihe von Gesprächen geführt – mit verschiedenen Stakeholdern aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Kammern und der Industrie.

Welche Ziele sollen mit der Biotechnologie-Offensive erreicht werden? Prof. Dr. Georg Krausch: Die Biotechnologie ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Sie begleitet den Menschen schon lange, man erkennt sie im Alltag nur nicht gleich: Die Herstellung von Brot, Wein oder Käse sind etwa alte Kulturtechniken, die auf biotechnologischen Prozessen basieren. Ihre moderne Seite zeigt die Biotechnologie in neuen Techniken, die enormes Entwicklungspotenzial haben – etwa in Form von neuen und individualisierten Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie.

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Durchbrüche wie die der Biontech SE sind nicht planbar und zunächst der Verdienst herausragender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Um solchen Durchbrüchen aber den Boden zu bereiten, müssen gute Rahmenbedingungen und ein fruchtbares, kreatives und stimulierendes Umfeld geschaffen werden.

In den letzten zehn Jahren hat die Landesregierung bereits gezielt in Forschung, Forschungsinfrastruktur und Forschungsbauten sowie die Ansiedlung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen investiert. Die Biotechnologieinitiative der Landesregierung baut auf den Stärken und Potenzialen in ganz Rheinland-Pfalz auf und soll sie weiterentwickeln. Die Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Rheinland-Pfalz zu einem der führenden Standorte in der Biotechnologie zu entwickeln. Hierzu sollen die lebenswissenschaftliche Grundlagenforschung mit Bezug zu den großen Volkskrankheiten im Schulterschluss zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gestärkt, die Bedingungen für Ausgründungen in diesem Bereich verbessert und die Standortbedingungen für die Ansiedlung weiterer Biotechnologieunternehmen weiterentwickelt werden.

Für Mainz ist ein großer Biotechnik-Campus geplant. Wo soll dieser entstehen? Prof. Dr. Georg Krausch: Auf dem zwölf Hektar großen Gelände der GFZ-Kaserne plant die Stadt Mainz ein Großprojekt für die Biotechnologie, um in den kommenden Jahren dort Unternehmen ansiedeln zu können. Darüber hinaus entstehen auf dem Hochschulerweiterungsgelände an der Saarstraße Flächen, bei denen die Erschließung in den kommenden Monaten beginnen soll.

Wer soll sich dort alles ansiedeln und wann soll es damit losgehen? Prof. Dr. Georg Krausch: Wir wollen insgesamt die Zahl der Ansiedlungen von Biotechnologie-Start-ups und Spin-offs/Ausgründungen aus der Wissenschaft erhöhen. Diese wollen wir auch langfristig binden, wenn sie dann „erwachsen“ („Grown-ups“) sind. Daneben ist es das Ziel, bestehende Unternehmen aus dem In- und Ausland für den Standort zu gewinnen. Das Interesse hierfür ist da, das zeigen uns die Bekundungen, die uns erreichen.

Eine konkrete Zeitachse für die Planungen zur GFZ-Kaserne gibt es noch nicht, da die Umzugsplanungen der Bundeswehr derzeit noch konkretisiert werden müssen. Beim Hochschulerweiterungsgelände stehen die Akteure aus der Wirtschaft, die Stadt Mainz und die Landesregierung im Austausch und in den Startlöchern.

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Was spricht für die Stadt Mainz als Standort für den Biotechnik-Campus? Es gibt verschiedene Faktoren, die Mainz als Biotechnologiestandort auszeichnen. Zunächst ist Mainz eine dynamische und lebenswerte Stadt in einer attraktiven Region, was sich auch an der Entwicklung der Studierendenzahlen aus dem Ausland und an auch international erfolgreichen Firmen zeigt, die ihren Sitz in der Region haben.

Mit dem ersten mRNA-Impfstoff aus Mainz hat der Wissenschafts- und Biotechnologiestandort zudem weltweite Sichtbarkeit erlangt. Dieses Momentum sollten wir nutzen.

Herausragende Gesundheitsforschung gedeiht aber vor allem in einem fruchtbaren, kreativen, dynamischen und stimulierenden Umfeld, wo die Kooperation und Interaktion herausragender Köpfe an der Universität, der Universitätsmedizin und der außeruniversitären Forschung gelingt. Ein solch’ leistungsstarkes Milieu ist auch für regionale und überregionale Wirtschaftsakteure attraktiv und hilfreich und bietet fruchtbaren Boden für innovative Ausgründungen. Da sind wir in Mainz schon jetzt gut aufgestellt und unser Ziel ist, diese Stärken weiterzuentwickeln.

Vorbild ist der Biotechnologie-Campus in Heidelberg. Was soll/muss in Mainz ähnlich, was anders gemacht werden? Prof. Dr. Georg Krausch: Heidelberg gehört zweifelsohne zu den führenden Biotechnologie-Standorten in Deutschland. Wir waren daher letztes Jahr mit einer Delegation vor Ort, um uns ein genaueres Bild vom Cluster BioRN zu machen. Wir stehen nun mit Heidelberg auch im stetigen Austausch, da wir für Kooperationen in eine vertiefende Planung einsteigen werden.

Die hieraus resultierenden Erkenntnisse lassen wir in unsere weitere strategische Planung und die entsprechende Operationalisierung einfließen, für die wir eine umfassende Studie in Auftrag gegeben haben.

Die Biotechnologie-Studie mit Roadmap Rheinland-Pfalz wird ausgehend vom Ist-Zustand biotechnologischer Aktivitäten in Wertschöpfung, Forschung und Transfer sowie Lehre und Weiterbildung die wesentlichen Entwicklungspotenziale analysieren, realistische Ausbauziele vorschlagen und im Rahmen einer Roadmap einen Umsetzungspfad für Rheinland-Pfalz aufzeigen. In der Studie sollen übergeordnete Landesziele sowie Zwischenziele vorgeschlagen werden sowie eine Zusammenstellung möglicher Maßnahmen zur Umsetzung.

Die Biotechnologie-Studie soll mit einem Kick-Off-Meeting voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2022 starten. Die Einbeziehung der Akteure in Rheinland-Pfalz wird sichergestellt und der Biotechnologie-Beirat aktiv einbezogen.

Bei besonders wichtigen Handlungsfeldern sind wir schon in Aktion getreten, da wir keine Zeit verstreichen lassen wollen. Klar ist, dass wir Flächen und hier insbesondere Laborflächen schaffen wollen, die biotechnologische Unternehmungen benötigen. Auch die Fachkräftefrage gehört zu den Herausforderungen, die wir bereits identifiziert und für deren Beantwortung wir direkte Maßnahmen angeschoben haben.

Welche Pläne haben Sie als Koordinator für Biotechnologie/hat die Landesregierung für weitere Standorte in Rheinland-Pfalz? Prof. Dr. Georg Krausch: Der Biotechnologiestandort Rheinland-Pfalz zieht seine Stärken aus der gesamten Breite des Landes. Es gibt Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit besonderen Schwerpunkten in den Lebenswissenschaften, der Pharmazie, der Künstlichen Intelligenz und der Alternsforschung. Vielversprechende biotechnologische Start-ups, mittelständische und auch global agierende Unternehmen finden hier ideale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entwicklung.

Wissenschaftsseitig halte ich es für wichtig, Potenziale zu stärken. Zusammenarbeiten sollten daher differenziert ausgerichtet sein und im Hinblick auf ihre thematische Passfähigkeit sowie auf Basis der in den Regionen vorhandenen Potenziale oder sich bereits entwickelnden thematischen Stärken initiiert oder gefördert werden. Stärken zu stärken – das sollte der Weg sein.

Welche weiteren Personen, Institutionen oder Ministerien sind in die Planung und Umsetzung des Ausbaus der Biotechnologie in Rheinland-Pfalz eingebunden? Prof. Dr. Georg Krausch: Vor knapp einem Jahr hat die Landesregierung den Lenkungskreis Biotechnologie eingerichtet – unter Federführung des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit und gemeinsam mit der Staatskanzlei, dem Wirtschaftsministerium und dem Finanzministerium. Auch der Oberbürgermeister der Stadt Mainz ist ein ständiger Gast im Lenkungskreis. Dies befördert die Verzahnung und den Austausch zwischen den unterschiedlichen Interessen.

Ganz wichtig ist: Es hat sich im März dieses Jahres der Beirat des Landes für Biotechnologie konstituiert. Als Beratungsgremium der Landesregierung bringt er interdisziplinären und sektorenübergreifenden Sachverstand für die Weiterentwicklung der Biotechnologieinitiative ein. Er dient auch dem Austausch von Perspektiven in der notwendigen regionalen Breite, um die Potenziale im ganzen Bundesland zu adressieren.

Darüber hinaus führen wir Gespräche mit Stakeholdern in ganz Rheinland-Pfalz, um die Interessenlagen und Potenziale im gesamten Bundesland zu erfassen.

Wie sollen die ehrgeizigen Pläne der Landesregierung finanziert werden? Prof. Dr. Georg Krausch: In den vergangenen zehn Jahren wurden bereits über 200 Millionen Euro in Forschung, Forschungsinfrastruktur und Forschungsbauten sowie in die Ansiedlung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen investiert.

Um die Pläne umzusetzen, gilt es auf der Wissenschaftsseite zum einen die starken Förderungen der vergangenen Jahre fortzusetzen – von der institutionellen Finanzierung der Forschungseinrichtungen in diesem Feld bis zu Infrastrukturmaßnahmen zur Stärkung der Forschung.

In der laufenden Wahlperiode konnten bislang 10 Millionen Euro an Landesmitteln für wissenschaftsseitige Maßnahmen eingesetzt werden. Allein 5,6 Mio. € sind davon im Rahmen der Geräteinitiative auch unter Nutzung von europäischen Fördermitteln und mit Landesmitteln für infrastrukturelle Maßnahmen auf den Weg gebracht worden.

Neben Infrastrukturmaßnahmen sind auf der Wissenschaftsseite gezielte Anschubfinanzierungen beispielsweise zur besseren Nutzung lebenswissenschaftlicher Daten aus Landesmitteln oder zur internationalen Vernetzung in der jüngsten Zeit auf den Weg gebracht worden. Auch darüber hinaus gilt es, private Mittel für die Stärkung des Biotechnologie-Standorts zu nutzen und natürlich weiterhin die europäischen Fördermittel und Bundesmittel, die die eingesetzten Landesmittel hebeln können.