Ministerin Spiegel: Frauenhass im Netz bekämpfen

Anne Spiegel. Archivfoto: Sascha Kopp

Digitale Gewalt und Sexismus begegnet Frauen im Internet häufig, und die rheinland-pfälzische Frauenministerin Anne Spiegel fordert konsequentes Vorgehen gegen Frauenhass...

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MAINZ. „Lösch am besten deine gesamte Internetpräsenz, dann wird deine Hinrichtung weniger bestialisch.“ Diesem Satz im Facebook-Account von Anna W. folgen widerwärtige sexistische Gewaltandrohungen. Für Anna-Lena von Hodenberg ein typisches Beispiel von digitaler Gewalt und Sexismus. Die Geschäftsführerin von Hate Aid kennt Beleidigungen, Bedrohungen und ihre Folgen zur Genüge. Bei einem Fachgespräch, zu dem Frauenministerin Anne Spiegel (Grüne) anlässlich des Internationalen Frauentages nach Mainz eingeladen hat, legt sie den Finger in die Wunde: „Für die Täter ist das Netz ein rechtsfreier Raum, weil es bislang nur wenig Rechtsverfolgung gibt.“

Dabei sind die Angriffe massiv. Geführt werden sie in der Regel gegen politisch aktive Frauen, die ihre Meinung auch im Internet sagen. Prominentes Beispiel: Renate Künast. Sie zählt zu den ersten Frauen, die sich an die Berliner Betroffenenberatungsstelle gewendet haben. „Die Frauen sollen systematisch aus dem Netz gedrängt werden“, sagt von Hodenberg. Die Täter stammen in der Regel aus rechtsextremen und -populistischen Kreisen. Die verfügten, so die Hate Aid-Geschäftsführerin, im Netz über eine Infrastruktur, mit der man gezielt Attacken gegen Frauen ausführt.

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Betroffene Frauen werden in den sozialen Netzwerken mit Hunderten von Hasskommentaren überzogen, erhalten Vergewaltigungsandrohungen und Morddrohungen. Ihre Adressen werden im Internet veröffentlicht und ihre Namen tauchen auf Todeslisten im Netz auf. Die Angriffe zeigen leider auch die gewünschte Wirkung. Nach einer Erhebung des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) trauen sich 39 Prozent der Internetnutzerinnen nicht mehr so oft, ihre politische Meinung im Netz zu sagen. 87 Prozent der Frauen im Bundestag sind laut IDZ von Hassrede im Internet betroffen. „Für politisch aktive Frauen herrscht im Netz ein Klima der Angst“, weiß Anna-Lena von Hodenfeld. Wenden sich Frauen an die Polizei, würden sie dort oft nicht ernstgenommen.

Anne Spiegel zitiert eine Studie aus der Schweiz, derzufolge sich Frauenhasser im Netz immer mehr radikalisieren. „Es gibt dabei einen ganz klaren Zusammenhang zwischen Rechtsextremismus und Frauenfeindlichkeit“, unterstreicht die Ministerin. Frauen würden meist sexistisch angegriffen und mit sexuellen Gewaltfantasien bedroht. Im Fadenkreuz der digitalen Gewalt: Journalistinnen und Politikerinnen. Für die Frauenministerin ist die virtuelle Gewalt auch reale Gewalt, weil sie psychische Verletzungen bewirkt und den Nährboden für reale gewalttätige Übergriffe schafft. Dieses Problem gehe alle an. Deshalb fordert Spiegel Zivilcourage ein. Frauenhass und Antifeminismus dürften keinen Platz in der Gesellschaft haben.

Gesetzesentwurf der Bundesregierung

Inga Schuchmann vom Deutschen Juristinnenbund (DJB) lenkt den Blick auf einen Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität. Im ersten Entwurf sei an keiner Stelle enthalten gewesen, dass digitale Gewalt sich vor allem gegen Frauen richtet. Zwar seien im neuen Entwurf, zu dem der DJB Stellung genommen hat, einige Passagen entsprechend geändert, doch gehe er immer noch nicht weit genug.

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Jedes Gesetz ist nur so gut wie dessen praktische Umsetzung. Der Koblenzer Generalstaatsanwalt Dr. Jürgen Brauer sieht 10.000 bis 15.000 Fälle im Jahr durch das neue Gesetz auf die Strafverfolgungsbehörden in Rheinland-Pfalz zukommen. „Das würden weder Polizei noch Staatsanwaltschaften schaffen“, stellt Brauer fest. Sein Zweibrücker Kollege Martin Graßhoff verdeutlicht: „Wenn wir hier erfolgreich sein sollen, dann brauchen wir mehr Personal.“

Seitens des Landeskriminalamtes verwies Marcus Papadopoulos auf eine Reihe von Aktivitäten. So informiere man Betroffene, die auf einer Todesliste im Internet auftauchen. Online gebe es Hinweise zur Prävention unter www.cybersicherheit-rlp.de.

Von Thomas Ehlke