Die Bevölkerung benötigt beim Gasnotstand eine Perspektive, ob und in welchem Umfang sie mit staatlicher Hilfe rechnen kann, fordert Jens Kleindienst in seinem Kommentar.
Die Verwerfungen auf dem Gasmarkt haben das Zeug, spätestens im Herbst den sozialen Frieden in diesem Land zu gefährden. Das klingt alarmistisch, ist aber nicht einmal auf das Worst-Case-Szenario, also das Abklemmen ganzer Industrien von der Versorgung, gemünzt. Nein, es reicht schon, wenn die neuen Abschlagsforderungen der Stadtwerke mit der Wucht eines Tsunamis bei den Gaskunden ankommen. Das wird spätestens zum Jahreswechsel geschehen und Millionen Menschen mit schmalem Budget überfordern.
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Es reicht nicht, dass Bundesregierung und Versorger alles dafür tun, damit im Winter überhaupt genügend Gas durch die Leitungen strömt. Die nun beginnende parlamentarische Sommerpause muss dafür genutzt werden, um über eine einigermaßen gerechte Verteilung der exorbitanten Lasten zu sprechen. Bürgerinnen und Bürger, aber auch Handwerk, Handel und Industrie benötigen eine Perspektive, ob und in welchem Umfang sie mit staatlicher Hilfe rechnen können, sei es in Form von Abschlägen auf Energiesteuern und Abgaben, sei es über direkte Zuschüsse. Oder der Bund greift am Beginn der Kaskade ein und kühlt über direkte Subventionen die Einkaufspreise der Importeure herunter. All diese Varianten sind teuer, sozialpolitisch schwierig und ordnungspolitisch heikel. Doch den Markt die Sache regeln zu lassen, geht auch nicht. Wir zahlen jetzt einen hohen Preis für zweierlei: Zum einen dafür, dass wir solidarisch sind mit den überfallenen Ukrainern – und Russland deshalb mit Sanktionen traktieren. Zum anderen dafür, dass wir uns beim Gas in der Vergangenheit in eine fatale Abhängigkeit von Wladimir Putin begeben haben.