
Ein Medizin-Meteorologe erklärt, was alles in das Wärmeempfinden hineinspielt und wie wir uns besser schützen können.
Region. Eine frühe Hitzewelle in Spanien, bis zu 50 Grad und viel zu wenig Wasser in Indien. Die Hitzeereignisse nehmen durch den Klimawandel weltweit zu. Auch Deutschland stöhnt immer wieder unter hohen Temperaturen – und dieses Wochenende wird es wieder richtig heiß. Andreas Matzarakis, Medizin-Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst, erklärt, worauf man bei Hitze achten sollte und ab wann es tatsächlich auch eine Hitzewarnung für die Bevölkerung geben muss.
Herr Matzarakis, ab wann wird Hitze für den Menschen gefährlich?
Das kann man nicht klar beantworten, weil so viele Faktoren den Menschen beeinflussen, wenn es um das Empfinden von Hitze geht. Das kommt unter anderem auf das Alter oder den gesundheitlichen Zustand an, die Kleidung und entsprechende Aktivität. Auch von meteorologischer Seite gibt es Faktoren, die das Temperaturempfinden stark beeinflussen. Es geht dabei nicht nur um die Lufttemperatur, sondern etwa auch um die Feuchte der Luft, die unangenehm sein kann. Sobald aber etwas Wind da ist, empfindet man dieselbe Temperatur vielleicht wieder als angenehmer.
Was ist für das Hitzeempfinden noch wichtig?
Auch die Sonnenstrahlung spielt eine maßgebliche Rolle. Denn durch sie ist vielleicht nicht nur die Lufttemperatur bei 35 Grad, sondern man steht in der prallen Sonne, und dann sind es schon mindestens 50 Grad. Wichtig ist: Es gibt einen Bereich ab 28/29 Grad, ab dem auch gesunde Menschen beginnen, sich unwohl zu fühlen. Das beschreibt man aber am besten mit der gefühlten Temperatur, in die alle der zuvor genannten Faktoren einfließen. Und dies berücksichtigen wir auch in unseren Hitzewarnungen.
Ältere Menschen reagieren auf Hitze anders
Warum sollten vor allem ältere Menschen bei hohen Temperaturen auf sich aufpassen?
Ältere Menschen reagieren früher als andere Menschen – aber erst bei ganz heißen, extremen Bedingungen. Vorher empfinden ältere Menschen die Temperatur häufig noch als angenehm. Aber dieser Übergang von „Ich fühle mich wohl“ zu „Ich kollabiere“ ist ziemlich schnell.
Welche Rolle spielt die Temperatur in den Nächten?
Wenn sich die Innenräume aufheizen, schläft man nicht gut, und man geht mit einem höheren Level in den Tag hinein. Die Nachtsituation ist daher weitaus wichtiger als nur die Tagsituation. Außerdem ist die erste Hitzewelle immer die schlimmste oder auf jeden Fall schlimmer als die anderen, weil die Menschen noch nicht angepasst sind. Das sind alles Kriterien, die hineinspielen, wenn wir eine Hitzewarnung herausgeben.
Mehrtägige Hitzeperioden haben stärkere Auswirkungen
Bislang stachen in diesem Sommer immer wieder einzelne Tage mit mehr als 30 Grad heraus: Kommt man damit besser zurecht als mit mehrtägigen Hitzeperioden? Nun bleibt es ja offenbar etwas länger heiß...
Ja. Mehrtägige Hitzeperioden haben stärkere Auswirkungen. Kurze Hitzeperioden haben zwar auch Auswirkungen, aber eben nicht so ausgeprägt.
Manche Medikamente wirken bei hohen Temperaturen nicht
Warum nehmen die Krankenhauseinweisungen und Notarzteinsätze während längerer Hitzewellen zu?
Das ist dann häufig eine Überforderung des Organismus. Die Menschen können weniger Wärme abgeben und es kommt zu weniger Abkühlung - und sie können nicht gut schlafen. Manche Medikamente wirken außerdem bei sehr hohen Temperaturen nicht mehr, oder die Menschen halten sich nicht an die Verhaltensempfehlungen.
Wie könnte man die Menschen noch besser schützen?
Als Erstes sollte man sich informieren und schauen, ob es eine Hitzewarnung gibt. Also zum Beispiel die Sonne bei großer Hitze meiden und viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Auch leichte Kost ist wichtig, also etwa nicht unbedingt bei großer Hitze abends eine Schweinshaxe essen. Außerdem sollte man die Innenräume kühl halten und seine Aktivität reduzieren. Wenn wir Stufe 2 bei den Hitzewarnungen haben, also ab einer gefühlten Temperatur von 38 Grad, schreiben wir noch dazu: Achten Sie auf Ihre Mitmenschen! Weil ältere Menschen häufig kein Durstgefühl haben.
Verhalten an Temperaturen anpassen
Wie gewöhnen wir uns an häufigere Hitzeperioden?
Wenn wir uns informieren, gute Hitzeaktionspläne haben und unser Verhalten anpassen. Ein Beispiel: Ich war vor kurzem in Griechenland und auch am Meer baden. Aber um 10 Uhr waren wir schon wieder weg. Es war zu heiß. Und langfristig: Warum fängt man nicht da, wo es geht, morgens um 6 Uhr an zu arbeiten und ist dann bereits mittags fertig? Genauso wichtig finde ich aber, dass man in solchen Perioden auf seine Mitmenschen achtet.
Was können oder müssen wir sogar von Südeuropäern beim Umgang mit hohen Temperaturen lernen?
Das Verhalten und die Ernährung zum Beispiel. Was isst ein Grieche wie ich, wenn es heiß ist? Wassermelonen! Und beim Verhalten: dass man in der Zeit der größten Hitze seine Aktivität reduziert.
Klimaanlagen als Lösung? Matzarakis: „Im privaten Bereich lieber nicht“
Und wie sieht es mit Klimaanlagen aus?
Im privaten Bereich lieber nicht, weil die Abwärme die Außenluft und damit die Städte noch einmal weiter aufheizt. Außerdem gibt es viele Menschen, die sich eine Klimaanlage nicht leisten können, das sind dann genau die, die bei großer Hitze vom Krankenwagen abgeholt werden. Darüber hinaus ist es ein Thema der Energie, die verbraucht wird.
Sie sagen, Sie sind froh um jede Hitzewelle, die nicht kommt, weil Sie wissen, was dann passiert. Was denn genau?
Viel mehr Einlieferungen in Krankenhäuser. Menschen klagen über die Hitze, und die hitzebedingten Sterbefälle nehmen zu. Aber auch sonst haben die hohen Temperaturen Auswirkungen: Ich persönlich kann mich dann zum Beispiel nicht gut konzentrieren.