Karge Landschaften, sternklare Nächte im Zeltcamp und wilde Tiere: Namibia beeindruckt mit seiner Weite. Am besten bereist man das Land mit dem Auto.
Von Sascha Kircher
Redakteur Politik
Abendstimmung im Etendeka Camp.
(Foto: Sascha Kircher)
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Das WC mit der vermutlich fantastischsten Aussicht Namibias liegt auf 1200 Metern Höhe. Im Etendeka Hills Camp bietet sich der atemberaubende Panoramablick über einen von majestätischen, roten Hügeln umgebenen Canyon, über dem sich der Sonnenuntergang in schillernden Tönen eine gefühlte Ewigkeit lang hinzieht. Das Camp, in der Nähe des Grootbergs im Nordwesten des Landes gelegen und über einen 1,5-stündigen steilen Anstieg zu erreichen, glänzt durch Minimalismus: ein halbes Dutzend Schlafplattformen mit Feldbett und Schlafsack am Felshang. Wer möchte, klappt das Dach weg und zählt Sternschnuppen, anstatt zu schlafen – begleitet vom Hyänen-Geheul. Das Duschwasser strömt aus dem Eimer, so wie im Etendeka Mountain Camp ein paar Kilometer weiter unten, wo es ansonsten luxuriöser zugeht. Auf dem Rückweg erklärt unser Führer Boas anderntags die heilende Wirkung von Elefantendung (als Rauch inhaliert gegen Kopfweh, als Asche zur Wundbehandlung) und die Besonderheiten unterirdischer Ameisenbauten. Er präsentiert uns bei einer Rundfahrt an einem Nachmittag Giraffen, Zebras, Elefanten und Löwen aus nächster Nähe.
Namibia ist riesengroß, mit 2,8 Millionen Einwohnern dünn besiedelt und bietet maximale Kontraste. Auf der Fahrt von der Hauptstadt Windhoek ins rund 350 Kilometer entfernte Swakopmund an der Westküste erleben wir karge Landschaften, in denen kein Grün zu wachsen scheint. Namibia hat eine historische Dürre hinter sich. Doch Pflanzen wie die Welwitschie (im Staatswappen verewigt) oder der Mopane-Baum kommen mit wenig Niederschlag aus. Entlang der Route wandelt sich die Steppe langsam zur steinübersäten Wüste. Nur selten sehen wir Gegenverkehr oder ein einsames Gebäude einer der zahlreichen Rinder- oder Wildfarmen. Dafür säumen Paviane, Zebras oder die allgegenwärtigen Springböcke den Straßenrand. Auf der Fahrt entlang der Skelettküste (benannt nach den Hunderten Schiffswracks in Ufernähe, die den unberechenbaren Atlantikströmungen zum Opfer fielen) Richtung Norden wechselt sich mit Eisenspänen übersäte Steppe mit teils bizarren, vulkangeformten Steinlandschaften ab. Kilometerlang bleibt es flach, dann türmen sich imposante Hügel aus Sandstein auf.
Mit 110 Sachen über die Schotterpiste
Um das Land wie ein Entdecker zu bereisen, fährt man Schotterpiste. Geländegängig sollte das Auto sein, das nutzen die Veranstalter der Land Rover Experience seit einigen Jahren. Wir fahren mit unserem Land Rover Discovery auf den „Gravel Roads“, den oft schnurgeraden Geröllstraßen, mit einer Geschwindigkeit von maximal 110 Stundenkilometern. Staub, mangelhafter Ausbau und mitunter gefährliche Steine wirken als Tempolimit. Einen Reifenwechsel bei 40 Grad Celsius (in Swakopmund sind wir bei zugigen 22 Grad gestartet) will man schließlich nicht unbedingt erleben. „Offroad? Das war doch nicht offroad“, winkt unser Instructor Markus ab. „Musstest du deine Differenzialsperre ein einziges Mal benutzen?“ Mussten wir nicht. Trotzdem: Auch die Fahrt durch die gewaltigen Dünen bei Swakopmund – mit halbem Reifendruck – ist ein unvergessliches Abenteuer, vor allem bei Gefällen und Anstiegen. Wer kein Profi ist, fährt sich da oft richtig fest.
Abendstimmung im Etendeka Camp. Foto: Sascha Kircher
Bei der Autotour sehen die Touristen Giraffen. Foto: Sascha Kircher
Seehunde leben in Cape Cross an der Skelettküste. Foto: Sascha Kircher
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Die wirtschaftlichen Haupteinkommensquellen des ehemaligen Deutsch-Südwestafrika sind Fischfang, Bergbau, Landwirtschaft und Tourismus, erzählt uns Willa auf dem Transfer vom Flughafen in die Hauptstadt Windhoek. Die Touristenführerin mit französisch-irischen Vorfahren ist Patriotin: „Ich liebe mein Land – das sicherste und sauberste in Afrika!“ Apropos sauber: Der Verband „Naturally Namibia“ vermarktet vor allem individuellen Öko-Tourismus. Der hier freilich nicht so heißt. Vielmehr geht es um exklusive Erlebnisse in luxuriösen Lodges, oft mitten in privaten Wild-Reservaten gelegen. So wie in Okonjima. Die ehemalige Rinderfarm, im Jahr 1970 von der britischen Familie Hanssen übernommen, verbindet Schutzprojekt und Hotellerie. Die Gäste der teils noblen Unterkünfte finanzieren Betrieb und die Tierpflege, die von den Betreibern gegründete Stiftung klärt schon Schulkinder über die Bedürfnisse der bei Farmern nach wie vor gefürchteten Raubtiere auf. Das 20 000 Hektar große Gelände ist eingezäunt. Bis auf die Geparden im separaten Gehege leben die Wildtiere hier in ihrer natürlichen Umgebung, auch wenn sie wegen der Dürre erstmals seit 40 Jahren gefüttert werden müssen. Bei unserem Fußmarsch zu einer kleinen Nashorn-Gruppe sehen wir denn auch den Kadaver eines Zebras hinter einem Dornbusch liegen, Essensreste von Großkatzen. Im Ongava Camp südlich des Etosha Nationalparks, das mit luxuriösen Zeltunterkünften samt WLAN, USB-Steckdose und Outdoor-Dusche beeindruckt, hat uns am Vorabend am campeigenen Wasserloch ein Löwenpärchen die Aufwartung gemacht – zum Glück nur zum Durstlöschen. Den majestätischen Großkatzen aus dieser Nähe zuschauen zu dürfen, verursacht eine Gänsehaut.
REISE-CHECK
Anreise: Air Namibia fliegt täglich nonstop von Frankfurt nach Windhoek, ab 658 Euro, www.airnamibia.com.
Reisezeit: Hauptsaison ist von Juni bis Oktober und von Mitte Dezember bis Mitte Januar, in dieser Zeit ist die Niederschlagsmenge am höchsten.
Veranstalter: Naturally Namibia vereint die führenden Safari-Familien des Landes und bietet Erlebnisse rund um inhabergeführte Lodges. www.naturallynamibia.com. Land Rover Experience veranstaltet Offroad-Erlebnisse abseits des Massentourismus. Begleitet von professionellen Instruktoren, „erfahren“ die Gäste das Land, www.landrover-experience.de.
Unterkünfte: Am Weinberg Boutique Hotel Windhoek www.amweinberghotel.africa; Strand Hotel Swakopmund www.strandhotelswakopmund.com; Etendeka Mountain Camp / Hills Camp, www.etendeka-namibia.com; Ongava Wildreservat und Lodge, www.ongava.com; Okonjima Wildreservat und Lodge, www.okonjima.com.
Auskunft: www.namibia-tourism.com.
„Naturtourismus heißt keineswegs, dass nicht gejagt wird. Aber nicht wegen der Trophäen, sondern zur Fleischherstellung“, erzählt uns Okonjima-Marketingmann Tristan Boehme. Auf der Speisekarte steht in Namibia regelmäßig Wild: Kudu, Springbock, Oryx. Oder Trockenfleisch, das beim Sundowner zu Bier und Gin Tonic gereicht wird. Das Gebot der Nachhaltigkeit ist indes allgegenwärtig: Ob bei der Wildhege – Tierschutz besitzt in Namibia Verfassungsrang –, beim Appell zum Wassersparen oder dem Verzicht auf Plastikflaschen in mancher Unterkunft.
Ein weiterer Baustein ist Community Based Tourism, die Beteiligung lokaler Gemeinden an Jobs und Einkünften. So ist Bonny, Chefguide im Etendeka Mountain Camp, ein lokaler Farmer, der in der Nähe seine eigene Ranch betreibt. Die Speisen des Abendessens kündigt der zweifache Familienvater aus dem Stamm der Damara in seiner Muttersprache voller Klick- und Schnalzlaute an – zusätzlich in nahezu perfektem Deutsch, das er von Touristen aus dem Land der ehemaligen Kolonialherren gelernt hat. Es ist nur einer der vielen Gegensätze in diesem an Attraktionen und Abenteuern reichen Land.