In Ras al Khaimah ist vom Prunk der Schwesteremirate nichts zu spüren. Hier zeigt sich die Wüste von ihrer idyllischen Seite – für die kleinen Besucher wird sie zum Sandkasten.
Von Marc Vorsatz
Die Wüste als riesiger Sandkasten für die kleinen Besucher.
(Foto: Marc Vorsatz)
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Sand! Nichts als Sand! Warmer, terrakotterfarbener Sand, Leere und Stille. Wie ungewohnt fremd doch alles wirkt, dabei ist es so geheimnisvoll verführerisch. Ganz anders als zu Hause auf dem heimischen Spielplatz in der lauten Stadt.
Mit großen Augen mustert Marc Junior diesen riesigen Sandkasten, der sich erst irgendwo in weiter Ferne unter einem stahlblauen Himmel verliert. Eine merkwürdige, aber spannende Welt, reduziert im Wesentlichen auf zwei Farben. Nun gut, hier und da sorgen ein paar Sträucher und Grasbüschel für grüngelbe Tupfer. Schon erstaunlich wie diese Pflanzen in der lebensfeindlichen Al Wadi Wüste überleben können.
Wie angenehm warm die vielen tausend Sandkörner doch durch die Finger des Zweieinhalbjährigen rinnen. Wieder und wieder. Oder durch sein knallrotes Sieb. Einem Wasserfall gleich rieseln die Minerale der Schwerkraft folgend auf den Boden, um sich wie von Zauberhand sofort wieder mit diesem zu verbinden.
Die Wüste als riesiger Sandkasten für die kleinen Besucher. Foto: Marc Vorsatz
Falkenshow in der Wüste. Foto: Marc Vorsatz
Auf der Perlenfarm werden auch kleine Besucher mit viel Geduld empfangen – für sie sind die kostbaren Perlen wohl nur Spielmurmeln. Foto: Marc Vorsatz
Der Strand vor dem Hilton-Resort-Spa Marjan-Island. Foto: Marc Vorsatz
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In der Wüste spielen heißt sich auf das Wenige zu konzentrieren, das im Übermaß vorhanden ist – und auf sich selbst. Das wusste auch schon Antoine de Saint-Exupéry, der Autor des Kleinen Prinzen. „Man setzt sich auf eine Sanddüne. Man sieht nichts. Man hört nichts. Und währenddessen strahlt etwas in der Stille.“
Wer nach Ras al Khaimah reist, sucht dieses Strahlen in der Stille. Er sucht die Abwesenheit von überfüllten Stränden, Staus, Betonschluchten und gigantischen Shoppingmalls voller Menschenmassen.
Der nördlichste der sieben Gliedstaaten der Vereinigten Arabischen Emirate überzeugt mit einer recht dünn besiedelten Küste und einigen guten Strandhotels am Persischen Golf sowie der praktisch menschenleeren Al Wadi Wüste und den schroffen Felsen des Hadschar-Gebirges. Letzteres beschert dem Gebiet sogar einen relativ hohen Grundwasserspiegel, der den Anbau von Datteln und Orangen in Küstennähe ermöglicht und vereinzelten Sträuchern und Grasbüscheln ein karges Leben in der trockenen Wüste garantiert.
INFORMATIONEN
Anreise: Ab Frankfurt nonstop mit Emirates oder Lufthansa nach Dubai. Ab circa 400 Euro, www.emirates.com, www.lufthansa.com. Transfer im Minibus anderthalb Stunden.
Unterkunft: DoubleTree Hilton Resort & Spa Marjan Island, 5 Sterne, Strandlage mit Kidsclub. DZ mit Kinderbett und Frühstück für 2 Erwachsene, 1 Kind ab 95 Euro / Nacht, www.hiltonhotels.de.
Angebote: 1 Woche im Juni im Hilton Ras Al Khaimah Resort & Spa, 5 Sterne, Ü / F, inkl. Flügen, Transfers ab 510 Euro pro Person bei TUI, www.tui.com. Ähnliche Sommerspecials bieten bspw. FTI, www.fti.com, oder Alltours, www.alltours.de.
Wüste: Luxuriöse Poolvilla im familienfreundlichen Ritz-Carlton Al Wadi Desert, Sommerspecial ab 390 Euro / Nacht, diverse Wüstenaktivitäten optional buchbar, www.ritzcarlton.com.
Sommer-Rabatte für Familien: In den Sommermonaten von Mai bis September verschiedene Preisnachlässe für Familien: Zum Beispiel freie Kost und Logis für bis zu zwei Kinder unter 12 Jahren. de.rasalkhaimah.ae/ifoundrakde.
Auskünfte: auf Deutsch unter de.rasalkhaimah.ae
Eine überaus abwechslungsreiche Kulisse, bedenkt man, dass das kleine Herrschaftsgebiet nicht einmal doppelt so groß ist wie Berlin. Insgesamt liegt das landschaftlich schöne Emirat im Schatten der Glitzerwelten von Dubai und Abu Dhabi und konnte sich so noch etwas von seinem ursprünglichen orientalischen Charme bewahren. Was Einheimische und vor allem Urlauber sehr zu schätzen wissen. Außerdem sind die Preise deutlich günstiger als die der mächtigen südlichen Nachbarn. Das macht die Region besonders bei Familien beliebt.
Dafür müssen die allerdings hin und wieder auch in Kauf nehmen, dass Sachen nicht immer so funktionieren, wie sie eigentlich funktionieren sollten. Das kann durchaus seinen Charme haben, aber auch schon mal nerven. Wenn man beispielsweise einen Ausflug zu einer Perlfarm gebucht hat und der Fahrer abermals ohne georderten Kindersitz kommt, da die Information irgendwo unterwegs im Wüstensand versickert ist.
Die Exkursion zur Perlenfarm führt in einem kleinen Boot durch eine grüne mangrovenbewachsene Lagune – ein beliebter Tummelplatz für rosafarbene Flamingos. Zumindest im Winter. Im Hintergrund thront ganz sicher zu jeder Jahreszeit und seit Menschengedenken das beeindruckende Panorama des kargen Hadschar-Gebirges.
Guide Abdulla Al Suwaidi gibt einen recht anschaulichen Einblick in den harten Alltag der Perlentaucher längst vergangener Tage. „Bis zu 30 Meter tief tauchten die Männer mit nur einem einzigen Atemzug.“ Ihre Ausrüstung? „Lederne Fingerlinge zum Schutz vor den scharfkantigen Austern, eine geschnitzte Nasenklammer aus Knochen, ein Taucheranzug aus Stoff zum Schutz vor den Nesselquallen, ein Korb für die Muscheln, ein Stein am Fuß, der sie sauerstoffsparend und schnell zum Meeresgrund sinken ließ.“
Dort brachen die Apnoe-Taucher innerhalb von ein, zwei Minuten so viele Tiere wie möglich von den Austernbänken. Immer in der Hoffnung, auch ein „Juwel des Meeres“ im Korb zu haben. Als Japan in den 1930er-Jahren beginnt, den Weltmarkt mit preiswerteren Zuchtperlen zu bedienen, bricht das Geschäft am Persischen Golf zusammen. Die Funde von Öl und Gas besorgen den Rest.
Seit 2004 werden nun mit japanischem Know-how auch in Ras al Khaimah Perlen gezüchtet. „Dazu wird ein sandgroßer Fremdkörper vorsichtig in jede Auster implantiert. In sechs von zehn Fällen entsteht daraus eine Perle. Früher fanden die Taucher in 100 Austern nur eine einzige.“
Stolz präsentiert Abdulla seine Schätze, fein säuberlich nach Größe und Qualität sortiert. Was Marc Junior nicht im Geringsten daran hindert, schnurstracks zwei Häufchen durcheinander zu wirbeln. Der Perlenmann trägt es mit gequälter Fassung. Marc Junior quittiert’s mit einem verständigen Lächeln. Als ob der Zweieinhalbjährige bereits die Botschaft von Exupérys Kleinem Prinzen kennen würde: „Kinder müssen mit Erwachsenen sehr viel Nachsicht haben.“ So wie die Wüste für den Youngster lediglich ein Mega-Sandkasten ist, sind kostbare Perlen einfach nur Murmeln zum Spielen. So einfach ist das. Und überhaupt, eigentlich zieht es den Kleinen eh viel mehr zurück in die brütend heiße Al Wadi Wüste. In die hat er sich richtiggehend verguckt. Da ist so viel mehr Action angesagt. Sein zahmes Pony im Ritz-Carlton-Gestüt streicheln. Oder Falken bei der Jagd beobachten. Ja sogar eine schweißtreibende Wanderung durch den beschwerlichen Wüstensand würde er auf sich nehmen, nur um seine Dromedare und Oryx-Antilopen wiederzusehen. Auch wenn die unbarmherzig brennende Sonne ihren schweißtreibenden Tribut zollt. Wie sagte doch schon Antoine de Saint-Exupéry? „Und dennoch liebten wir die Wüste. Zuerst ist sie nur Leere und Schweigen, denn sie gibt sich nicht zu Liebschaften von einem Tag her.“ Für Marc Junior scheint sie eine Liebe fürs Leben geworden zu sein.