Früher begingen Abenteurer und Forscher diesen Weg – auf dem Rücken der Dromedare. Heute ist das Tier auf dem Logo der Waggons zu sehen, die Fahrgäste von Nord nach Süd bringen.
Von Armin E. Möller
Der Ghan ist der einzige Zug, der den Kontinent in Nord-Süd-Richtung durchquert. Er bleibt dabei immer in der gleichen Zeitzone.
(Foto: Great Southern Rail)
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Warum ausgerechnet ein Dromedar zum Markenzeichen eines Traumzugs der Australier wurde? Mit dem Bild eines Dromedar-Reiters erinnert die „Great Southern Rail“ an Abenteurer und Forscher, die im 19. Jahrhundert einen Weg vom klimatisch angenehmen Süden in den glutheißen Norden Australiens suchten. Viele von ihnen bezahlten ihren Mut mit dem Leben. Erst als Dromedare ins Land geholt wurden, konnte man gefahrloser ins lebensfeindliche australische Kernland vordringen. Die Dromedare sind wüstentauglich und hervorragende Lasttiere. Die besten Kamelreiter kamen aus Afghanistan. Sie wurden umgangssprachlich zu den „Ghans“. Weil die heutige Bahntrasse über lange Strecken den alten Karawanen-Wegen folgt, bot sich der Name „The Ghan“ für den australischen Nord-Süd-Prestigezug geradezu an.
Morgens um acht Uhr in der Hotelhalle des Hilton-Hotels in Darwin: Eine Zugschaffnerin hakt Namen auf einer Liste ab. Sie verteilt mit Buchstaben und Zahlen beschriebene Kärtchen. Diesmal steht N 4 darauf: N ist der Wagen, 4 das Schlafabteil. Das sei günstig, sagt sie, da ist es nicht so weit vom Haltepunkt des Zubringerbusses. „The Ghan ist heute 38 Cars und fast einen Kilometer lang.“
Wer mit dem Ghan fährt, will neue Leute kennenlernen
Die Luxuszugreise von Darwin nach Adelaide ganz im Süden des Kontinents dauert vier Tage und drei Nächte. Üblicherweise verreist man in Australien der großen Entfernungen wegen mit dem Flugzeug. Mehrtägige Reisen mit den beiden großen Fernzügen des Landes sind reiner Luxus und Kult dazu. Während der Zug inzwischen durch karge Wälder fährt, treffen sich die Fahrgäste in den Bar- und Salonwagen, die über den ganzen Zug verteilt sind. Die Zugstewards sparen nicht am Begrüßungschampagner: Alle freuen sich auf die Zeit in der Bahn. „This is a Once-in-a-Lifetime-Journey“ – das muss man einmal im Leben machen.
Der Ghan ist der einzige Zug, der den Kontinent in Nord-Süd-Richtung durchquert. Er bleibt dabei immer in der gleichen Zeitzone. Foto: Great Southern Rail
Eine Mitarbeiterin der Great-Southern-Rail vor dem Dromedar-Logo der Zuggesellschaft. Es erinnert an Abenteurer, die auf Kamelen den Weg ins heiße Landesinnere suchten. Foto: Armin Möller
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Die Eisenbahnfans fachsimpeln im Salon-Car: „Zwei Loks mit je 4000 PS sind dem Ghan vorgespannt – die schwersten, die es gibt. Von Darwin bis Adelaide sind es 2979 Kilometer und da willst du nicht wegen Problemen mit der Lokomotive in der Wüste liegen bleiben“. Dass der Zug mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 85 Kilometern pro Stunde unterwegs ist, spielt im Barwagen keine Rolle, denn „du fährst mit dem Ghan wegen der Stopps!“
Der erste Stopp ist im Nitmiluk-National-Park, einer Canyon-Landschaft mit haushoch aufragenden bunten Sandsteinfelsen. Doch dafür interessiert sich niemand, wenn die Bootsführerin, die mit den Ghan-Passagieren durch diese Schluchten fährt, „Croc“ ruft. Drüben auf der Sandbank liegt ein Süßwasserkrokodil – und was für ein Bursche.
REISE-CHECK
Anreise: Die Luxus-Schienenkreuzfahrt „The Ghan Expedition“ beginnt stets in Darwin im heißen australischen Norden. Verbindungen in umgekehrter Richtung – ohne oder nur mit abgespecktem Programm – werden ebenfalls angeboten. Direktflüge nach Darwin gibt es nicht. Man reist mit Zwischenstopp über Sydney oder Melbourne an.
Veranstalter: Die Preise für den Ghan variieren je nach Reisetermin. Die viertägige Fahrt „The Ghan Expediton“ kostet all inclusive etwa 2300 Euro pro Person. Daneben werden dreitägige Fahrten – ohne Coober Pedy – angeboten. Alle Abfahrten in beide Richtungen und Preise unter www.greatsouthernrail.com. Buchungen über Dertour, Explorer Fernreisen und HM Touristik. Der Preisvergleich Reisebüro / Reiseveranstalter / Direktbuchung bei der Australienbahn lohnt sich.
Wer mit dem Ghan reist, will neue Leute kennenlernen und miteinander reden. Treffpunkte sind die Bar- und Salonwagen, von denen aus es auch in die Speisewagen geht. „Always Open Bar“ lacht der Barmann. „Lasst uns die Bar leer trinken!“, scherzt ein Mann. „Unmöglich!“ kommt als Antwort von der Bar. „Wir haben 750 Flaschen Wein und entsprechend viel Brandy und Likör gebunkert.“ Trotz des reichen Angebots wird viel Cola und Wasser ausgeschenkt.
The Ghan ist unter den Transkontinental-Zügen der Welt eine Besonderheit. Die Transsibirische Eisenbahn, die US-amerikanischen oder kanadischen Züge vom Atlantik zum Pazifik und auch der „The Indian-Pacific“, der quer durch Australien vom Pazifik an den Indischen Ozean fährt, sind allesamt auf Ost-West-Strecken unterwegs und durchqueren mehrere Zeitzonen. Der Ghan ist der einzige Zug, der von Nord nach Süd längs durch einen Kontinent fährt, er bleibt immer in der gleichen Zeitzone.
Der Zug fährt jetzt durch das Outback – eine der trockensten Gegenden der Welt. Im warm-rötlichen Licht der untergehenden Sonne wechseln die Farben von Minute zu Minute. Aus dem Ocker-Gelb der Wüste wird zuerst ein Orange, dann folgt ein Violett und schließlich ein Dunkelbraun, bevor alles im Tiefschwarz der australischen Nacht versinkt. Die Speisewagen-Stewards haben zu dieser Zeit alle Hände voll zu tun. Australier bestellen im Ghan meist Steaks. Känguru- und Krokodilspezialitäten stehen vor allem für die wenigen ausländischen Touristen auf der Karte.
Am nächsten Tag: „Wie unterrichtet man Schulkinder, die über viele hundert Quadratkilometer verteilt auf einsamen Farmen tief im Outback leben?“ Mit dieser rhetorischen Frage beginnt der Rundgang durch die Radio-School von Alice Springs, der bedeutendsten Wüstenstadt Australiens. „Früher gab’s von hier aus Unterricht per Funk, heute nutzen wir das Internet.“ Eine Lehrerin sitzt in einem Aufnahmestudio vor einem Großbildschirm und sieht darauf ihre Schüler, die ebenfalls vor einer Kamera sitzen. Die Klasse ist auf mehrere hundert Quadratkilometer verteilt, aber alle können sich per Videoschalte sehen.
Beim Besuch des Museums der „Fliegenden Ärzte“ schauen viele Mitreisende schon auf die Uhr. In angelsächsischen Ländern bringt man den Daheimgebliebenen etwas von einer Reise mit. Folglich ist noch Shopping angesagt. Und schon wieder warten Ausflugsbusse. Von einer Anhöhe aus sieht man: Springs ist erstaunlich grün. Unter der Wüste gibt es hier eine riesige Wasserblase, verrät ein Hinweisschild.
Der Zug bleibt lange auf einem Nebengleis stehen. Alle sind auf dem historischen Telegraphen-Hügel zu einem Riesen-Picknick eingeladen. Eine Musikgruppe müht sich, gegen die lauten Gespräche an den Tischen anzuspielen. Nur bei „Waltzing Matilda“ wird es ruhiger. Die Australier singen oder summen mit: „Unsere heimliche Nationalhymne, kennt jeder“, freut sich ein betagter Mitreisender.
Eine Nacht später hält der Ghan mitten in der Wüste. Hier gibt es nichts, nicht einmal ein Ortsschild. Ausflug in das Outback bei Coober Pedy steht im Programm. Die Busse fahren zu einem Aussichtspunkt auf einem Sandberg. Die Hügel, die man von hier oben sieht, erinnern an Ritterburgen, bunte Hausreihen, Wolkenkratzer. Dafür, dass es nur Sand und Steine zu sehen gibt, werden unglaublich viele Fotos gemacht. Und dann wird an einem mannshohen Maschendrahtzaun gehalten. Der Dogfence schützt Schaf- und Rinderherden vor den Dingos, den wolfsähnlichen Wildhunden. Es ist ein Rekordzaun mit einer Länge von 5412 Kilometern. Einen längeren durchgehenden Zaun gibt es nirgendwo sonst auf der Welt.
Ausflug ins Felsenrestaurant von Coober Pedy
In der kleinen Ortschaft Coober Pedy werden Opale gefunden. Abertausende von Sandkegeln wurden hier von Edelsteinsuchern aufgehäuft, die überall den Wüstenboden anbohren. Die Landschaft sieht aus, als habe sie die Pockenkrankheit. Fremdenführer warten auf die Ghan-Fahrgäste: „Wir leben hier in den Bergen“. Das ist wortwörtlich so gemeint: „Du brauchst eine Bleibe? Dann bestellst du eine Fräse und gräbst damit Räume in den weichen Fels: Wohnzimmer, mehrere Schlafzimmer, Küche. Eine Heizung ist überflüssig, denn die Temperatur bleibt konstant bei 22 Grad. Und sicher vor Sandstürmen ist es auch.“ Die Besucher staunen über die Höhlenstadt. Auch das Motel, die Restaurants und Läden wurden in den Fels hineingebaut. Am nächsten Halt geht es in eine große Kirche – eine Kirche, mit allem, was dazu gehört, nur dass dies eine Höhlenkirche ist.
Bei der Rückkehr zum Ghan brennt vor dem Zug ein Freundschaftsfeuer. Adressen werden ausgetauscht, man trifft noch einmal Reisebekanntschaften aus entfernteren Wagen und verspricht, irgendwann einmal E-Mails zu schicken und Fotos zu mailen. In den Bordküchen bereiten die Köche das Gala-Dinner vor und allmählich sind zum letzten Mal alle Sessel in den Bar- und Salonwagen besetzt. Noch einmal wird darüber diskutiert, welche australischen Weine wohl die besten sind, ohne dass es ein Ergebnis gibt. Der Barmann öffnet die passenden Flaschen. Allmählich wird es einsam im Salon. Der Steward hat längst Sitz- in Schlafwagenabteile verwandelt. „Die Betten sind bereit“. The Ghan fährt durch die sternenklare Nacht der Wüste.
Als es am vierten und letzten Tag der Reise draußen hell wird, geht es längst durch das grüne Südaustralien. Im Speisewagen wird das Frühstück aufgetragen, und in den Abteilen werden die Reisetaschen gepackt. Die Uhr zeigt an, es ist nicht mehr weit bis zum Ziel Adelaide.
Während sich vor dem Bahnhofsgebäude eine lange Warteschlange für die Taxis in die Stadt bildet, erzählt ein Mitreisender, was aus den „Camels“ von früher wurde. „Als sie nicht mehr gebraucht wurden, schickte man die Dromedare in die Wüste. Sie vermehrten sich prächtig. So prächtig, dass Australien heute Dromedare nach Saudi-Arabien exportiert. Dort werden sie dann geschlachtet und gegessen.“ Arme Tiere, das hatte man eigentlich gar nicht wissen wollen.