Einbahnregelungen entlang der Promenaden, Sicherheitsleute am Strand: Das erleben Reisende aktuell im Nachbarland. Noch gilt an der Küste keine Maskenpflicht.
. Belgiens einziger Nacktstrand ist verschwunden. In Bredene aan Zee, dem kleinen Badeort vor den Toren Ostendes, wo sich sonst die Anhänger der Freikörperkultur in der Sonne aalten, liegt man jetzt in Hose oder Bikini nebeneinander. Mit der Öffnung der Dünenlandschaft für alle Badegäste hat man neue Räume für die Urlauber geschaffen, die es mehr und mehr in die Ferienorte zwischen Knokke-Heist und De Panne treibt. Ausgebuchte Hotels, volle Campingplätze und bestens belegte Ferienwohnungen und -häuser heißt das.
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Wie an Deutschlands Meeresstränden ballen sich jetzt auch an Belgiens Küste die Urlauber. Nach mehr als drei Monaten Corona-Pause sind Restaurants und Strandbars wieder offen, seit Kurzem auch die Freizeitparks, Theater, Kinos, Schwimmbäder und Wellnesszentren. Allerdings gelten für Veranstaltungen im öffentlichen Raum Kapazitätsgrenzen von 200 Personen in geschlossenen Räumen und 400 Personen im Freien.
Überall aber ist das Motto: Abstand halten! Mindestens 1,50 Meter, wie Schilder und Plakate an den Stränden, in Parks und Fußgängerzonen fordern. Entlang der Uferpromenaden gelten Einbahnregelungen. An den Stränden wachen Sicherheitsleute, dass man sich nicht zu nahe kommt. Knokke-Heist, die mondänste aller Küstenstädte, hat 200 „Cabrio-Strandzonen“ eingerichtet: knapp zehn Quadratmeter große Freiräume für Familien und Freunde, die mindestens vier Meter auseinanderstehen. Auch die Anbieter von Strandkabinen und Liegestühlen haben sich entsprechend eingerichtet. 10 Euro kostet die Strandliege in Knokke täglich, dazu kommen 6 Euro für den Sonnenschirm.
Dass es dieser Tage an den Stränden aber meist leer ist, liegt am stürmischen Wind, der seit Wochen das Schwimmen und Sonnenbaden verleidet oder gar unmöglich macht. Nur die Windsurfer in ihren Neoprenanzügen und Strandsegler genießen die teils kräftigen Böen, die den mancherorts ohnehin durch die Frühjahrsstürme dezimierten Strandsand auf die Uferpromenaden fegen.
Kein Wunder, dass sich viele Urlauber in die Gassen dahinter verzogen haben, wo man Straßen gesperrt hat, damit Cafés, Restaurants und Bistros ihre Tische und Stühle vor die Tür rücken können. Kostenlose Stellplätze sind so entstanden, ein Service der Gemeinden in Corona-Zeiten. Westflanderns Städte haben Polizisten für den Einsatz an der Küste abgestellt. 250 neue Kameras überwachen zudem minutiös Strandabschnitte, Uferpromenaden und Fußgängerzonen, die ab einer bestimmten Menschendichte gesperrt oder gar geräumt werden.
Sorgen bereiten vor allem die vielen Tagesausflügler. Weil Belgiens Regierung im Rahmen eines Konjunkturprogramms jedem ihrer Bürger ein Dutzend Freikarten für Zugfahrten spendiert hat, schafft die Bahn jetzt jedes Wochenende Zehntausende zusätzlich an die Küste – samt Fahrrädern, die kostenlos mitgenommen werden dürfen, wenn Platz im Zug ist. Dicht an dicht drängen sich die Menschen in den Waggons und auf Bahnhöfen, sodass man in den Küstenorten fürchtet, dass vor allem die Großstädter aus Brüssel, Antwerpen oder Lüttich das Virus an die Küste bringen könnten. Eine Sorge, die auch viele Virologen teilen.
Von Freitag bis Sonntag schnellen die Übernachtungspreise entlang der Küste, zunehmend aber auch im westflämischen Hinterland, inzwischen wieder in Höhen, die den Umsatzausfall der Hoteliers von März bis Mai weniger schmerzen lassen. Vielleicht ist so, heißt es in der Branche, der Konkurs jedes zweiten Hotels und Restaurants an der Küste, wie ihn Wirtschaftspessimisten noch im Frühjahr prophezeit hatten, abzuwenden.
Hoteliers und Gastronomen profitieren zudem von der neuen, bis zum Jahresende befristeten Mehrwertsteuersenkung. Speisen werden nur noch mit sechs statt zwölf Prozent versteuert, nichtalkoholische Getränke ebenfalls mit sechs statt wie gewohnt mit 21 Prozent. Es sind Steuergeschenke, mit denen Restaurants, Strandbars und Cafés die durch die Corona-Abstandsregeln verkleinerten Sitzplatzangebote zu kompensieren suchen.
Hoteliers profitieren vor allem davon, dass die Belgier ihre sonst vermieteten Ferienhäuser und -wohnungen an der Küste diesen Sommer selbst nutzen und nicht wie üblich im Ausland Urlaub machen. Schwer tun sich nur die Luxushotels, die von Reisegruppen aus Asien oder Amerika lebten und sich jetzt um neue Kunden bemühen müssen. Auch um deutsche Feriengäste, die statt an Spaniens, Frankreichs oder Italiens Küsten jetzt in Belgien Station machen wie man überall auf den Hotelparkplätzen an den Autonummern sieht.
Wie auch in Deutschland hat die Pandemie den Hotels neue Arbeit gebracht. Frühstücksbuffets gibt es keine mehr, dafür Wunschzettel für jeden Gast, auf dem er eintragen muss, wann und was er frühstücken will. Serviert wird dann zu vorgegebenen Zeiten an zugewiesenen Plätzen, die für Langschläfer knapp geworden sind. Wurst und Käse wird in Plastik verpackt auf Tellern serviert. Die übliche Selbstbedienung hat ausgedient.
Auch in der Gastronomie hat sich vieles geändert. Zwar wird in Belgien nicht wie in Deutschland der Name jedes Gastes notiert, Tische aber werden auch dort zugewiesen und nach jeder Nutzung desinfiziert. Viele Gaststätten haben die Speisekarten abgeschafft und statt dessen QR-Codes auf die Tische geklebt, mit denen sich Speisen und Getränke per Smartphone scannen lassen. Und statt mit Bargeld wird mit Karte bezahlt.
Besondere Vorsichtsmaßnahmen gelten auch in den Museen, die gewöhnlich ebenfalls nur noch mit Geldkarten zugänglich sind. Auch die Musentempel führen ihre Besucher auf Einbahnstraßen durch die Ausstellungen, haben alle interaktiven Anwendungen geschlossen, um nicht mit dem Virus in Kontakt zu kommen. Renommierte Kunsttempel wie Brügges Groeninge Museum lassen nur alle zehn Minuten eine begrenzte Anzahl Besucher ein, die sich vorher im Internet für ihren Besuch registrieren müssen. Maskentragen ist keine Pflicht, wird aber empfohlen. Den Mundschutz gibt es an der Museumskasse oder an eigens aufgestellten Automaten wie auf Brügges Marktplatz, wo man für fünf oder zehn Euro Masken kaufen kann. Sie braucht in Brügge wegen des fehlenden Mindestabstandes auch jeder, der mit einem der Ausflugsboote durch die Kanäle schippert.
Noch ist das Maskentragen in Belgien nur vorgeschrieben, wo man den Mindestabstand von 1,50 Meter nicht einhalten kann – etwa in den öffentlichen Verkehrsmitteln und an ihren Haltestellen. Schon bald aber könnten die Behörden die Maskenpflicht ausweiten, das Maskentragen in allen geschlossenen Räumen anordnen. Das alles hängt davon ab, wie diszipliniert man dieser Tage an Belgiens Küste miteinander umgeht. Ein bisschen Platz an den Stränden hat man übrigens auch für Seelöwen und andere Robben geschaffen, welche vom Lockdown im Frühjahr profitierten. In Ostende achtet die Polizei jetzt darauf, dass sie auch in Ferienzeiten ungestört ans Ufer können.