Sie sind noch fast ein Geheimtipp, die Inseln Hormuz und Qeshm - und besonders für Outdoor-Fans ein Muss. Ihre geheimnisvollen Höhlen und tiefen Schluchten warten auf Entdecker.
. Schüchtern begrüßt Ahmad Nadalian die Besucher seines kleinen Museums auf der iranischen Insel Hormuz. Sein Händedruck ist zaghaft, sein Blick unsicher. Dabei haben diese kraftvollen Hände über Jahre Dutzende Skulpturen in Stein geschlagen und mindestens genauso viele Motive mit Pinsel und Farbe auf Papier gebannt.
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Ein paar seiner Arbeiten sind in den drei vollgestopften, winzigen Räumen zu sehen. Daneben Hunderte Alltagsgegenstände, die Nadalian auf der Insel gesammelt hat. Darunter befindet sich auch eine Sammlung alter Puppen, viele sind handgemacht. "Die meisten Einheimischen wissen weder ihr reiches kulturelles Erbe noch die wirklich einzigartige Schönheit der Insel zu schätzen", resümiert der promovierte Künstler mit einem etwas melancholischen Unterton.
In der Tat strotzen sowohl Hormuz als auch die größere Nachbarinsel Qeshm vor wahren Wunderwerken der Natur. Und das oft auf engstem Raum. Qeshm Island, die größte Insel im Persischen Golf, wurde in die Liste der Unesco Global Geoparks aufgenommen. Damit zeichnet die Organisation geologische Stätten und Gebiete von internationaler geowissenschaftlicher Bedeutung aus.
Eines dieser geologischen Wunder ist sicherlich Darreh Setareha, das Sternental. Wer in diesem Irrgarten zerklüfteter Sandstein-Canyons, tiefer Spalten, Sackgassen und Säulen wandelt, mag sich auf einem anderen Planeten wähnen. Wind und Wetter haben diesen Ort über Jahrmillionen geformt. Im Glauben der Inselbewohner ist das Tal der Sterne hingegen vor Urzeiten durch einen gewaltigen Meteortiteneinschlag entstanden.
Der Chahkuh-Canyon, nur ein paar Kilometer weiter, gilt vielen Geotouristen als das Maß aller Dinge in der gesamten Golfregion. Noch tiefer sind dort die Schluchten, noch enger die Spalten. Dazu surreal anmutende zerlöcherte Felsformationen, die an einen Schweizer Käse im Monsterformat erinnern. Ein märchenhafter Irrgarten, dessen Baumeister neben Wind und Wasser hier auch die Tektonik war. Als die Portugiesen im 16. Jahrhundert die strategisch bedeutsame Insel am Eingang zum Persischen Golf besetzten, fanden die Bewohner Schutz im steinernen Labyrinth. Noch heute sind die Überreste ihrer Behausungen zu erkennen.
Zerlöchert ist eigentlich die gesamte Insel. Zahlreiche, oft noch weitgehend unerforschte Höhlensysteme verwandeln Qeshms Unterwelt in eine Spielwiese für Hobby-Forscher und Speläologen. Der Namakdan-Salt-Complex im Südwesten beherbergt gar die größte Salzhöhle der Welt. 6 600 Meter misst das geheimnisvolle dunkle Reich. Zwischen den gewaltigen Kathedralen aus Salz und purpurnen Mineralien wird es zuweilen richtig eng. Robben ist dann angesagt im Schein einer Taschenlampe. Es ist kein Ort für Klaustrophobiker.
Verlässt man jedoch die sogenannten Unesco-Geosites, wird schnell ein Problem sichtbar, das beide Inseln und auch den gesamten Iran betrifft: Plastikmüll. Vor allem Flaschen und Tüten links und rechts des Weges. Ein Umweltbewusstsein im westlichen Sinn gibt es praktisch nicht. Abfall wird - wenn überhaupt - gleich hinterm Haus verbrannt.
Genau hier setzt die Unesco im Rahmen des Qeshm-Global-Geopark-Programms an. Schüler werden in Seminaren für den Umweltschutz sensibilisiert. Sie lernen auch, dass ein internationaler Geotourismus auf die Dauer nur funktionieren wird, wenn sie ihre kostbare Insel nicht zumüllen.
Was die Unesco für Qeshm, ist der Künstler Ahmad Nadalian mit seinem Museum für die kleine Schwester Hormuz, "Nur wenn es uns gelingt, die lokale Bevölkerung auch an der Wertschöpfung partizipieren zu lassen, wird Umweltschutz und Ökotourismus funktionieren", konstatiert Nadalian, der seine Kunst schon in über 60 Ländern ausstellte. Auch in Deutschland waren seine Werke zu sehen. Er beschäftigt benachteiligte Frauen in seinem Museum, finanziert dies mit den Verkäufen seiner Bücher, CDs und Souvenirs, bietet Umwelt-, Bastel- und Heimatkundeunterricht für Kinder. Die roten Borqehs, diese etwas fremdartig wirkenden bestickten Gesichtsmasken, die es so nur auf Hormuz und dem gegenüberliegenden Festland gibt, fertigen Hausfrauen für den Museumsshop. Und lokale Künstler brennen kleine Keramiken aus den farbigen Mineralien der Insel.
Wer das ganze Farbenspiel von Hormuz lieber in natura bestaunen will, wird im Rainbow Valley fündig. Exzentrisch in Form gepresster Sand und Erde in Rot, Rostbraun, Grün, Schwarz, Gelb, Ocker, Türkis - und über allem thront ein weißer Berg aus Salz. Unwirklich rote Wege spinnen sich wie ein Netz über Hormuz. Es gibt wohl keinen Ort der Welt, wo die Erde noch roter ist. Direkt neben dem Silver Beach steht ein mannsgroßes altes Stahlgeflecht, wo einst die Erde einfach am Straßenrand gesiebt wurde. Aber das scheint eine Weile her zu sein. Auch in der Mühle ein paar Kilometer weiter stehen alle Räder still.
Dagegen herrscht im Valley of the Statues richtig Betrieb. Ein, zwei Dutzend Naturliebhaber bestaunen - pro Tag in der Hauptsaison - bizarr anmutende Felsformationen, die oft sagenhaften Wesen ähneln und deren Namen tragen: Phoenix und Dragon beispielsweise. Zackige Felsformationen zwängen die Schlucht in ein atemberaubend enges Korsett, um dann plötzlich einen schwindelerregenden Blick auf das Meer und die Steilküste zu den Füßen freizugeben. Es ist die perfekte, wenn auch nicht ganz ungefährliche Location für Selfie-Süchtige und Instagram-Freaks. Ganz Iran scheint übrigens vom Insta-Hype ergriffen zu sein. Kein Wunder, denn es ist eines der wenigen Fenster zur freien Welt. Wenn es nach Nadalian gehen würde, könnten ruhig noch ein paar mehr Menschen diesen fantastischen Ausblick aufs Meer genießen. "Der Anfang ist getan", verkündet der Museumsmann vorsichtig optimistisch. "Die ersten Home-stays sind entstanden. Die Bauern aus der Umgebung liefern Obst und Gemüse, die Gäste werden traditionell bekocht." Fahrer, Guides und Handwerker finden Arbeit aber auch Fischer und Händler. Am Hafen ist ein kleines Tagescafé entstanden. "Dazu die friedliche und familiäre Atmosphäre unserer kleinen Insel", lächelt Nadalian. "Authentisch, herzlich, persisch."
Von Marc Vorsatz