Heimische wilde Tiere, klare Luft und ein tolles Panorama – warum sich eine Wanderung auf dem Hunsrückbuckel und den Traumschleifen besonders in Winter lohnt.
. Im Hunsrücker Platt gibt es Wörter, die sich nicht so einfach übersetzen lassen. Eines davon heißt „Gehaichnis“ und umschreibt ein Gefühl der Geborgenheit oder des Genusses. Die Hunsrücker schwören darauf, dass sich das Gehaichnis bei einer Winterwanderung auf den Erbeskopf einstellt. Für die einen ist es das Wohlgefühl warmer Füße in Schafwollsocken, für andere der leise Singsang der Baumwipfel oder das heimelige Gefühl der Geborgenheit bei der Aussicht vom Gipfelplateau in die weiß überzuckerte Landschaft. Das alles fasst das Wort „Gehaichnis“ zusammen, das man bis heute vergebens im Duden sucht.
Die Wanderung beginnt an einem glasklaren Wintermorgen am Hunsrückhaus in Deuselbach. Bis hierhin reist man mit dem Auto an und steigt spätestens auf dem Parkplatz in die wetterfesten Wanderschuhe. Die kalte Luft und die strahlende Sonne geben sich ein Stelldichein und machen Lust auf Bewegung. Viele Wanderer sind morgens noch nicht unterwegs. Zu hören ist nur das leichte Knirschen der Schritte durch das bereifte Gras.
Der Blick auf den Gipfel schweift über einen langen, wenn auch nicht sehr steilen Hang. An dessen Ende steht eine große Holzskulptur, die aus der Ferne aussieht wie ein überdimensionaler Fensterrahmen. Das will man aus der Nähe sehen. Also hinauf. Was von unten so flach wirkt, erweist sich beim Aufsteigen schon steiler. Zeit, um sich mal umzuschauen, denn schon im Hang ist die Aussicht über die weiß gepuderten Wälder ins Hunsrücker Land mit seinen sanft geschwungenen Hügeln eine Augenweide.
Manche nennen den Erbeskopf respektlos Hunsrückbuckel, aber er ist immer noch die höchste Erhebung in Rheinland-Pfalz – immerhin 816 Meter hoch, ganz exakt kommen sogar noch 32 Zentimeter hinzu. Er liegt mitten im Naturpark Saar-Hunsrück und ist eines der Tore zum Nationalpark Hunsrück-Hochwald. Eine Schneegarantie gibt es hier nicht, aber Schneekanonen stehen bereit, um bei Minustemperaturen dem Flockenfall nachzuhelfen und die drei alpinen Abfahrtspisten, Rodelbahn, Hochwaldloipe und Skiwanderwege in Form zu halten. Bei guter Schneelage beginnt der Liftbetrieb pünktlich um 11 Uhr, am Wochenende schon um 10 Uhr. Wer als Wanderer den Aufstieg in Ruhe genießen will, sollte etwas früher dran sein.
Die von dem Bildhauer Christoph Mancke entworfene „Windklangskulptur“ auf dem Hochplateau singt je nach Wind und Wetter ganz unterschiedliche Melodien. Überall sonst würde der begehbare Teil des Kunstwerkes als Skywalk bezeichnet. Doch dafür sind die Hunsrücker zu bescheiden und nennen ihn „Aussichtsplattform“. Der Ausblick zu den Vulkankegeln der Eifel, den Höhen im Saarland und auf den Donnersberg in der Pfalz ist grandios und hat dem nur wenige Schritte entfernten hölzernen Aussichtsturm längst den Rang abgelaufen. Schon 1894 stand an dieser Stelle ein Bismarckturm, der Anfang der 1960er-Jahre gesprengt wurde, als der Erbeskopf noch militärisches Gebiet war.
Heute gehört das Gipfelplateau, auf dem sich mehrere Wege kreuzen, allein den Wanderern. Sie haben die Wahl zwischen einer längeren oder kürzeren Runde durch den Winterwald. Das Logo des Saar-Hunsrück-Steigs verrät, dass der Fernwanderweg der Extraklasse direkt über den Erbeskopf führt. Er erreicht hier seinen höchsten Punkt. Wildkatzentatzen weisen auf der Route „Gipfelsteig“ den Weg zu sagenhaften und geheimnisvollen Plätzen rund um den Erbeskopf auf einer vier Kilometer langen, grün markierten Kurzroute und einer blau gekennzeichneten 8,5 Kilometer-Tour.
Wer nicht allzu laut schwatzt, hat eine gute Chance, den Tieren des Waldes zu begegnen. Der erhabene Rothirsch zieht hier durchs Geäst und auch reichlich Schwarzwild hinterlässt seine Spuren. Marder, Fuchs, Dachs und sogar die selten gewordene Wildkatze fühlen sich im Hochwald wohl. Vermutlich geht der Name des Erbeskopfes auf die Kelten zurück. Sie nannten die Gegend ar-vessi, das Wildschweinland.
Ganz ohne Trubel sind die Wanderer auf der Traumschleife „Frau Holle“ in Reinsfeld unterwegs. Ein wahres Gehaichnis, das es so nur im Hunsrück gibt. Frau Holle wird ein Felsenhang im Hunsrück genannt, in dessen Spalten die Augen der Frau Holle zu sehen sein sollen. Vielleicht hilft ein bisschen Zuzwinkern, um sie zu einem etwas kräftigeren Bettenausschütteln zu bewegen. An dieser Felsformation beginnt und endet die 7,7 Kilometer lange märchenhafte Rundwanderung durch den Schwarzwälder Hochwald und das idyllische Wadrilltal. Die Traumschleife „Frau Holle“ führt zum Teil über den Saar-Hunsrück-Steig. Gemeinsam mit den Rundwanderwegen „Königsschleife“ bei Rascheid und „Domblick“ bei Ravengiersburg gehört sie zu den Traumschleifen, die sich besonders gut für Winterwanderungen eignen.
Von Heidrun Braun