Einmal durch ganz Portugal

Zauberhafte Landschaft: Weinberge ziehen sich an den Ufern des Flusses Duoro entlang. Foto: Dirk Sommer

Die Nationalstraße EN 2 wird auch die iberische „Route 66“ genannt. Sechs Welterbestätten liegen auf der Strecke, die vom Norden an die Algarve führt.

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. Eine Reise ins Hinterland Portugals ist gerade jetzt reizvoll. Wenn der Atlantik zum Baden längst zu kühl ist, lockt die sogenannte „Route 66“ mit deftiger Landküche, mittelalterlichen Orten und 24 Welterbe-Stätten. Touristen sind trotz der noch immer spätsommerlichen Temperaturen selten, denn die Fahrt auf der historischen Landstraße ist fast noch ein Geheimtipp.

Zauberhafte Landschaft: Weinberge ziehen sich an den Ufern des Flusses Duoro entlang. Foto: Dirk Sommer
Abstecher nach Porto: Die Altstadt der Küstenstadt im Nordwesten Portugals gehört seit 1996 zum Unesco-Welterbe. Foto: Dirk Sommer
Die EN 2 wird auf den Schildern der oft nur sehr schmalen,wenig befahrenen Straßen mitunter auch als N2 bezeichnet. Foto: Dirk Sommer

Es wäre ein reizvolles Spiel, ganze Landschaften selbst gestalten zu können. Was würde gut zusammenpassen? Die Uferlandschaften der Mosel vielleicht, vereint mit den Olivenhainen und Weingütern der Toskana? Ziemlich genau diese Synthese kann man im Landesinneren Portugals entdecken. Am Kilometerpunkt 86 der Nationalstraße EN 2, der sogenannten „Route 66“.

Die Nationalstraße, die mitunter auch als N 2 bezeichnet wird, zieht sich wie eine Wirbelsäule vom äußersten Norden in Chaves bis zum südlichen Ende des Landes nach Faro. Von ihr gehen rechts und links wie Rippen die Verbindungsstraßen zum einen in Richtung Küste und zum anderen nach Spanien ab. Elf Flüsse und vier Gebirgszüge liegen auf der mit 739 Kilometern längsten Nationalstraße Europas. Seit knapp zwei Jahren wird sie als „Route 66“ Portugals beworben, auch wenn die Parallelen zu der legendären amerikanischen Fernverkehrsstraße, auf der schon die Siedler mit ihren Pferdefuhrwerken unterwegs waren, ein wenig an den Haaren herbeigezogen wirken. Wie ihr Vorbild war auch sie einst eine der wichtigsten Verbindungsstraßen des Landes. Das war es dann allerdings auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Portugal ist zwar manchmal wildromantisch, der Wilde Westen sieht dann aber doch ganz anders aus.

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Ein ernster Hintergrund führte zu der Idee, die Straße auch touristisch zu erschließen. Die EN 2 führt durch die ärmsten Regionen Portugals, daher ist jeder Euro, den die Besucher ausgeben, gut investiert. Der Bürgermeister von Santa Marta des Penaguiao, Louis Machado, hatte 2016 überlegt, wie er die Hotels und Restaurants des Ortes unterstützen könnte. Am Ende kam er auf die Idee, die Sehenswürdigkeiten und landschaftlichen Reize am Straßenverlauf der EN 2 unter einem gemeinsamen Namen zu vermarkten, der „Route 66 Portugals“. Machado nahm Kontakt zu anderen Gemeinden auf und stieß auf offene Ohren. Schließlich hatte niemand etwas zu verlieren.

Es ist erstaunlich, dass die EN 2 nicht schon vor Jahren von den Touristen entdeckt wurde. Denn wer Ruhe, deftige Küche und traumhafte Landschaften liebt, ist hier genau richtig. Auch kulturell ist einiges geboten. „Die Route führt an sechs Kulturerbestätten der Unesco vorbei“, erklärt der regionale Buchautor Armando Carvalho. In Porto beispielsweise wurde das Altstadtviertel Ribeira in die Liste aufgenommen, in Évora der römische Tempel und die historische Altstadt.

Carvalho, der bis dahin als Projektentwickler für unterentwickelte Regionen gearbeitet hatte, veröffentlichte vor gut einem Jahr einen umfangreichen Reiseführer über die Dörfer und Städte rechts und links der „Route 66“. „Das Interesse hat mich völlig überrascht“, sagt er, und führt aus: „Wir haben Bestellungen aus ganz Europa erhalten.“ Gut 9000 Exemplare hat Carvalho von dem bisher ausschließlich auf Portugiesisch erhältlichen Buch verkauft.

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Die extrem unterschiedlichen Landschaften entlang der „Route 66“ sind das faszinierendste an der Strecke. Während von Chaves nach Vila Real vor allem Pinienwälder zu sehen sind, geben danach bis Lamego vor allem Weingärten der Landschaft ein ganz anderes Gesicht. Später dominieren Mittelgebirgs-Landschaften mit vielen Eukalyptusbäumen und zwischen Abrantes und Almodôvar eine ebene Landschaft, die auch für die Viehzucht genutzt wird. Der letzte Abschnitt bis Faro führt durch den einzigen Gebirgszug des Landes, die Serra do Caldeirão.

Der sicherlich reizvollste Zwischenstopp der gesamten Strecke ist bereits nach 86 Kilometern erreicht. Ab hier fällt die bergige Landschaft sanft ab und die Straße führt hinab zum Fluss Douro und der bezaubernden Kombination aus Mosel- und Toskana-Landschaft. Die EN 2 quert den Fluss zwar nur, trotzdem wäre es schade, nicht zusätzlich noch ein paar Kilometer entlang des Douro zu fahren. Einfach, um den Zauber dieser Region noch ein bisschen länger zu genießen. Wer möchte, kann nun eine Unterbrechung einlegen und eine Fluss-Kreuzfahrt vom Hafenstädtchen Peso da Régua aus in Richtung Porto und wieder zurück buchen.

Die beschauliche Atmosphäre und die von sattgrünen Weinbergen durchzogenen, sanften Hügel machen es am Ende schwer, den Weg fortzusetzen in Richtung Süden. Zumal in ein paar Kilometern Entfernung flussaufwärts die berühmte Sherry-Kellerei Sandeman in einem hoch gelegenen Weingut Verkostungen anbietet. Der Ausstellungsraum ist zum Fluss hin komplett verglast und die Aussicht schlichtweg grandios.

Noch ist Portugals „Route 66“ ein weitgehend weißer Fleck auf der Landkarte. Noch werben die Organisatoren um Motorrad- und Autofahrer, die von Nord bis Süd etwa acht Tage benötigen. Künftig dürften aber – und das ist tatsächlich fast noch ein Geheimtipp – vor allem Fahrradfahrer, E-Biker oder Wanderer unterwegs sein. Schon jetzt gibt es parallel der in weiten Teilen kaum befahrenen Straße 300 Kilometer gut ausgebaute Radwege und erste auf Radfahrer spezialisierten Hotels.

Wie nur wenige andere eignet sich vor allem der mittlere Teil der Strecke für sanften Bike-Tourismus. Es dürfte nur wenige andere Strecken in Europa geben, wo Radfahrer so landschaftlich schön, entspannt und einsam unterwegs sein können wie auf Portugals Variante der legendären „Route 66“.

Von Dirk Sommer