Villen, Casinos und reiche, schöne Menschen. Südfrankreich erfüllt diese Klischees. Doch die Region überrascht auch mit günstigen Alternativen für den entspannten Natururlaub.
Von Mario Thurnes
Hell erleuchtet ist das Hotel Negresco Nizza, wo schon Winston Churchill, Charly Chaplin, Edith Piaf und die Beatles übernachtet haben.
(Foto: Valery Hache)
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Nizza ist reich: an Natur und an Lebensmitteln. Oder an atemberaubend schönen Ausblicken. Und ja: auch reich an Geld. Es gibt Spielcasinos, elegant gekleidete Menschen, auch Häfen, in denen sich Jacht an Jacht presst. Das alles kann man auf jedem Spaziergang durch Nizza oder in den Nachbarorten entdecken.
Und die Stadt bringt legendäre Orte hervor. Zu denen gehört das Hotel Négresco. Den Baedecker erinnert dessen Kuppelbau „eher an eine Hochzeitstorte als an ein Hotel“. Und das Innere sei längst nicht mehr nur die Kulisse einer Herberge, sondern „ein Museum für moderne Kunst und Dekor“. Winston Churchill, Charly Chaplin, Edith Piaf oder die Beatles – sie alle haben hier, direkt an der Promenade des Anglais übernachtet.
Doch keine 500 Meter Luftlinie weiter ist das „La Boule noire“ beheimatet. „Die schwarze Kugel“ ist eine Billardkneipe. Den Pastis gibt es hier für 2 Euro das Glas, ein frisch gezapftes Bier für 3 Euro. Der Blick auf die lebendige Rue Halevy ist gratis. Die Terrasse ist schlicht, aber stylish.
Hell erleuchtet ist das Hotel Negresco Nizza, wo schon Winston Churchill, Charly Chaplin, Edith Piaf und die Beatles übernachtet haben. Foto: Valery Hache
Nizza hat auch schöne Strände zu bieten, auch wenn alles andere verlockender zu sein scheint. Foto: Mario Thurnes
Der Nietzsche-Wanderweg bei Nizza hat es in sich, doch die Anstrengungen werden mit atemberaubenden Ausblicken belohnt. Foto: Mario Thurnes
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Die Rue Halevy ist nicht die erste Adresse Nizzas. Es ist auch nicht mal die zweite oder dritte. Aber es ist eine der Straßen, wie sie jeder liebt, der einen Sinn für die Kultur des Mittelmeerraums hat: Es riecht nach Fisch, nach Zitronen, Lavendel, frisch gebratenem Öl, nach Anis und kein Besucher wird sich genau so daran erinnern wie ein anderer. Und doch haben alle recht, weil der liebe Gott – oder wer auch immer – hier das Leben mit der vollen Kelle ausgeschöpft hat. Weil es bunt ist und laut, ohne ordinär zu sein.
Doch Nizza ist auch eine harte Stadt. Es ist eng. Jeder Quadratmeter wird genutzt. Es wäre eine Verschwendung, es nicht zu tun. Wer mit den Einheimischen ins Gespräch kommt, wird schnell die Geschichten hören von Spekulanten, die unverschämt reich wurden. Aber auch die Geschichten von den Spekulanten, die ein plötzlicher, schwer erklärbarer Tod ereilt hat. Es ist eine harte Stadt.
INFORMATIONEN
Anreise: Nonstop ab Frankfurt nach Nizza, zum Beispiel mit Lufthansa ab 290 Euro. Ein Taxi vom Flughafen in die Altstadt kostet tagsüber knapp 50 Euro. Es gibt auch eine TGV-Verbindung von Frankfurt über Karlsruhe und Marseille nach Nizza.
Wanderreisen: Wikinger-Reisen haben spezielle Angebote für einen Wanderurlaub an der Cote d‘Azur. www.wikinger-reisen.de.
Nizza kämpft mit dem Verkehr. Drei „Corniches“ umgeben den Küstenstreifen. Frei auf Deutsch übersetzt heißt Corniche „aus dem Stein gehauen“. Und so sehen die engen Straßen auch aus. Vor manchen Kurven müssen die Fahrer hupen, weil sie nicht sehen können, ob ihnen jemand entgegenkommt. Umso näher die Straße an der Wasserkante liegt, desto dichter drängt sich der Verkehr.
Doch es wäre nicht die Côte, wenn sich dem nicht entfliehen ließe: mit Geld, natürlich. Ab 150 Euro kann ein Helikopter gemietet werden. Wer etwas auf sich hält, besitzt seinen eigenen.
Manchen Mythos der Côte gibt es tatsächlich. Zum Beispiel den der strengen Kleiderregeln. Mit Hemd und Jeans kommt man nicht überall rein. Manche Räume – zum Beispiel im Casino von Monte Carlo – bleiben einem verschlossen. Doch andere, auch dort, bleiben erreichbar. Jeder kann die Côte d’Azur erleben. Ob es fürs Négresco reicht – oder nur für die Schwarze Kugel.
Wer das will, kann in Nizza genau so gut einen reinen Strandurlaub machen. Dafür ist alles da. Aber es wäre eine Verschwendung. Viel zu viele Möglichkeiten blieben ungenutzt. Die Stadt, die Region laden dazu ein, so viel wie möglich mitzunehmen.
Zum Beispiel das Dorf Èze sur Mer“. Einheimische gibt es hier kaum noch. Das Dorf ist eine Touristenkulisse geworden, mit seinen engen Gassen, seinen scheinbar in den Fels gehauenen, stilvoll dekorierten Geschäften.
Der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche hat hier an seinem Hauptwerk gearbeitet, an „Also sprach Zarathustra“. Das war vor knapp 140 Jahren. Immer wieder soll er den steilen Weg zum Meer genommen haben. Der schwer zu gehen ist, in beide Richtungen. Denn sein scharfkantiges Geröll ermöglicht nicht immer einen sicheren Tritt.
Heute ist dieser Weg nach Nietzsche benannt. Und wer eben noch den verflucht hat, der die Idee hatte, sich auf diese Geröll-Piste zu begeben, auf der ihm aberwitzige Bewegungen abverlangt werden, der wird alsbald versöhnt sein. Denn auf jede Anstrengung folgt eine Aussicht, die es wert ist, erobert zu werden. Die den Kopf frei macht für neue Erkenntnisse. Es müssen ja nicht immer gleich philosophische Standardwerke sein.
Die maritimen Alpen beginnen gleich hinter den engen Küstenabschnitten. Jeder kann sich seine Touren durch das Hinterland selbst organisieren. Aber es gibt Gründe, die dafür sprechen, sich die Hilfe eines Veranstalters zu nehmen. Zum einen sind im Hinterland die Hotelplätze begrenzt. Zum anderen ist es nicht ratsam, mit dem Gepäck auf Wanderschaft zu gehen. Schon die einfachen Wege haben es in sich. Veranstalter wie Wikinger-Reisen haben sich darauf spezialisiert, Angebote für mobile Touristen zu schneidern.
Zu entdecken gibt es unendlich viel. Etwa den Garten „Val Rahmeh“ in Menton, kurz vor der Grenze nach Italien. Der Val Rameh gehört zu den zehn nationalen naturhistorischen Museen Frankreichs. Hier wachsen seltene Palmen, gigantische Wasserlilien, Lotusblumen – und die Ur-Zitrone. Was es in deutschen Supermärkten als Zitrone zu kaufen gibt, ist eine Kreuzung aus Orangen und dieser Ur-Pflanze.
Das Klima ist einzigartig in Menton. Das Meer sorgt für feuchtwarme Luft. Die unmittelbar ansetzenden Hänge schützen die Pflanzen vor der kühlen Luft des Nordens. Der Garten ist terrassenförmig angelegt – und allein einen mehrstündigen Erkundungsspaziergang wert.
Vor Cannes lohnt ein Aufenthalt auf der Insel Ste. Marguerite – zumindest ein freiwilliger. Denn der berühmteste Gefangene der französischen Geschichte – der „Mann in der Maske“– fand seine Zeit hier mutmaßlich weniger schön. Obwohl seine Zelle vergleichsweise geräumig war und einen herrlichen, wenn auch vergitterten Blick auf Cannes bot. Wer er war, bleibt ein Rätsel. Manche Verschwörungstheorien besagen, dass er der wahre Ludwig der Vierzehnte war.
Das Übernachten auf der Insel ist nur in Ausnahmefällen erlaubt. Es sei denn, man hat das Geld, sich die dortige Villa zu kaufen. Die ist dem Vernehmen nach für 42 Millionen Euro zu haben. Mehr geht eben immer an der Côte d’Azur.