Die spanische Insel wurde für viele Künstler zur Wahlheimat. Galerien und bunte Hippie-Märkte locken die Besucher in eine farbenfrohe Welt.
Von Claudia Diemar
Blick auf Ibiza-Stadt vom Sporthafen aus.
(Foto: Claudia Diemar)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
„Fürwahr, ein zum Baden mehr einladender Platz lässt sich kaum denken“, schwärmte schon Ludwig Salvador von Österreich-Toskana über die „krystallhellen“ Gestade von Ibiza und Formentera. Ende des 19. Jahrhunderts war der Erzherzog als einer der ersten Touristen vor Ort. „Pityusen“ nennen sich die beiden Inseln, die ihren exotisch klingenden Familiennamen von dem Grün ihrer Pinienwälder ableiten.
Der spanische Schriftsteller Santiago Rusiñol kam 1913 nach Ibiza und prägte den Begriff der „weißen Insel“ ob ihrer kalkgeschlämmten, kubistischen Architektur. Ab den 1920ern folgten Intellektuelle und Künstler auch aus dem Ausland. Der deutsche Philosoph Walter Benjamin lebte 1932/33 zwei Sommer in Sant Antoni. 1958 wurde der Flughafen eröffnet. Nun strömten Pauschaltouristen ebenso wie allerlei Aussteiger, die Ibiza den Ruf einer Hippieinsel einbrachten.
Als Traum-Eiland für die Partyszene, die sich in gigantischen Clubs von DJ-Stars in kollektive Trance versetzen lässt, hat Ibiza inzwischen legendären Ruf erreicht. Im Sommer ist die Insel überlaufen und am Rande eines Verkehrsinfarktes. Doch Ibiza, gut fünfmal kleiner als Mallorca, war und ist ein Sehnsuchtsort für Künstler. Die eisenrote Erde, die blendend hellen Würfel der alten Bauernhäuser, das silbrige Grün der Oliven und das stechende Grün der Pinien vor einem Meer aus Aquamarin – es gibt Motive zuhauf auf Eivissa, wie sich die Insel auf Katalanisch nennt.
Blick auf Ibiza-Stadt vom Sporthafen aus. Foto: Claudia Diemar
Blumenschmuck auf dem Hippiemarkt Las Dalias. Foto: Ibiza Tourismus
Peter Ritzer in seinem Atelier in Santa Eulària. Foto: Claudia Diemar.
3
„Beim blauen Stein rechts rein“, hatte es geheißen. Der ultramarine Felsbrocken ist leicht ausmachbar, aber der Feldweg hinauf zum Künstlerhaus ist eine Herausforderung. Seit 1998 lebt Peter Ritzer in seinem „Can Ovalo“, dem ovalen Haus auf einem bewaldeten Hügel mit weitem Blick über die Küste vor Santa Eulària. Im Garten sonnen sich Katze und Schildkröte neben dem Türkisauge des Swimmingpools. Peter Ritzer hat hier sein privates Paradies gefunden: „Meine Frau und ich wollten einfach weg aus Deutschland, irgendwohin. Dass es Ibiza wurde, war ein Zufall, weil wir dieses gekurvte Haus in der Zeitung annonciert sahen“. Aber auf Ibiza war Ritzer genau richtig. Denn die Insel wirkt wie ein Magnet auf Künstler und Kreative. Schon Ende der 1950er hatte sich die legendäre „Grupo 59“ gegründet und Galerien schossen wie Pilze aus dem Boden, vor allem in Ibiza-Stadt. Peter Ritzer war längst ein gemachter Mann auf dem internationalen Kunstmarkt, als er auf der Baleareninsel ankam. Sein zugleich fotorealistischer und dabei zart verwischter Malstil fand weltweite Beachtung. „Ich pinselte wie verrückt und hatte bis zu 20 Ausstellungen pro Jahr“, erzählt er mit kernig-bayrischer Dialektfärbung.
INFORMATIONEN
Anreise: Lufthansa fliegt im Sommerhalbjahr täglich nonstop von Frankfurt nach Ibiza ab circa 200 Euro hin und zurück, www.lufthansa.com.
Unterkunft: „Can Arabi“, Landhotel im Orangengarten nahe Ibiza-Stadt, DZ mit Frühstück ab circa 160 Euro, www.canarabi.com. „Agroturismo Sa Marina“, Landhaus nahe Sant Carles und der Cala Boix, DZ mit Frühstück ab circa 100 Euro, www.agroturismosamarina.com/en.
Kreatives: Workshops buchbar über www.ibizacreativa.com.
Kulinarisches: Im Mai / Juni sowie Herbst bieten viele Restaurants unter dem Stichwort „Eivissa Sabor“ attraktive Menüs zum Festpreis von 25 Euro.
Auskünfte: Spanisches Fremdenverkehrsamt, www.spain.info sowie www.ibiza.travel/de.
Auf Ibiza wurde Peter Ritzer zum Mitgründer der „Ruta del Arte“. Bis zu 100 Künstler waren zeitweilig an der Vereinigung beteiligt, die bis 2018 bestand. Man traf sich jeden Mittwoch zum Stammtisch in einer Strandkneipe in der Cala Nova und gab jedes Jahr ein aufwendig gemachtes Kunstmagazin heraus.
Doch das ist vorbei. Ritzer, Jahrgang 1942, aber noch immer wie ein drahtiger Junge wirkend, bedauert das nicht. „Im meinem Alter muss ich nur noch malen, wenn mir danach ist. Meine Bilder sollen erfreuen und beruhigen – mehr nicht“, sagt er zum Abschied. Interessierte Besucher empfängt er dennoch gern. Nur vorher kurz anrufen sollte man schon.
Zur „Grupo 59“ gehörte auch ein einheimischer Maler. Rafel Tur Costa, 90 Jahre alt, hat den Pinsel inzwischen ganz weggelegt. Seine Bilder sind im Museum für zeitgenössische Kunst in Ibiza-Stadt zu sehen. Das Museum MACE ist ein wunderbarer Ort. Das Gebäude besteht zu Teilen aus einer historischen Festung und ist um einen hochmodernen Anbau ergänzt. Der Eintritt ist frei. In allen Räumen stehen bequem-elegante Sitzmöbel, die dazu einladen, sich von der mediterranen Sonnenglut und den steilen Gassen der Altstadt zu erholen und ganz entspannt auf die Werke einzulassen.
Dazu gehören auch die an Picasso erinnernden Zeichnungen von Erwin Broner, der sich vor allem als Architekt einen Namen machte. Sein einstiges privates Domizil „Casa Broner“ mit herrlichem Blick übers Meer bis hinüber nach Formentera erhebt sich am fast höchsten Punkt der Altstadt von Eivissa und gewährt ebenfalls freien Eintritt. Das gilt auch für „Es Polvori“, ein ehemaliges Pulvermagazin, das heute als Ort für wechselnde Ausstellungen dient und neben einer der schönsten Panoramaterrassen der Stadt zu finden ist.
Im MACE-Museum finden sich auch einige Werke des aus Marburg stammenden Künstlers Eduard Micus, der von 1972 bis zu seinem Tod im Jahr 2000 im Dorf Jésus auf Ibiza lebte. Tochter Katja Micus nutzt das einstige Atelier, ein Labyrinth aus lichten, weiten Räumen, als Schauraum für Micus-Werke ebenso wie als Galerie für zeitgenössische Künstler. Jeden Sonntag kann hier jeder in der Zeit von 11 bis 14 Uhr vorbeischauen und staunen. Sohn Stephan Micus ist Komponist und zuweilen wird der „Espacio Micus“ von seinen sanften Klängen erfüllt.
„Sa Pedrera“ nennt sich das Kulturzentrum in der Altstadt von Eivissa, wo man jeden Freitag von 11 bis 17 Uhr Kunsthandwerkern bei der Arbeit über die Schulter schauen kann. Wer dabei Lust bekommt, selbst kreativ zu werden, kann allerlei Workshops im Internet buchen. Von Kochkursen über Emaille- oder Lederarbeiten sowie Silberschmuck bis hin zu Fotografie reicht die Palette. Verónica Athan ist eine der Handwerkerinnen, die solche Erlebnisse anbieten. Sie gestaltet ausgefallene Lederwaren.
Jeden Samstag ist sie auf dem „Hippiemarkt“ Las Dalias bei Sant Carles zu finden. Längst eine etablierte Touristenattraktion, ist hier von anspruchsvollem Kunsthandwerk über grellen Kitsch bis hin zu allerlei exotischem Klimbim alles zu haben, was das Ibiza-Klischee bedient. Gegen Abend trifft man sich dann im Weiler Santa Gertrudis, trinkt in der „Bar Costa“, die über und über mit Gemälden bestückt ist, einen Inselwein und nimmt ein Brötchen mit luftgetrocknetem Schinken dazu. Manchmal ist sogar ein echter Inselkünstler unter den Gästen.