Im Norden der Insel leben nur wenige Menschen. Dort hat man die Schönheit der Natur fast ganz für sich allein.
Von Natascha Gross
Online-Redakteurin
Foto: Natascha Gross
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Island ist inzwischen längst kein Geheimtipp mehr. Wer die raue Natur der Vulkaninsel dennoch in Ruhe und Abgeschiedenheit genießen möchte, ist im Osten des Landes genau richtig. Während sich in Frankfurt gut 3000 Einwohner einen Quadratkilometer teilen, kommen in Island auf dieselbe Fläche gerade einmal ein bisschen mehr als drei Menschen. Noch weniger sind es im Osten. Hier gibt es mehr Schafe als Einwohner. Kein Wunder also, dass einem auf der Straße im Gebirge nur selten Autos entgegenkommen. Lediglich am ein oder anderen Foto-Stop trifft man auf andere Touristen, wie zum Beispiel am Wasserfall „Gufufoss“.
Schon der Inlandsflug von Reykjavik nach Egilsstadir eröffnet einen ersten Blick auf eine atemberaubend schöne Hügellandschaft, menschenleere Straßen und das Meer. Nur wer genau hinsieht, entdeckt hin und wieder ein paar Farbtupfer – kleine bunte Häuschen, die zumeist am Wasser gelegen sind.
Eine ganz besondere Vielfalt bieten Berglind Häsler und Svavar Pétur Eysteinsson mit ihrem Café, dem Gästehaus und der Kunsthalle „Havari“. Das Paar hat es sich zur Aufgabe gemacht, regionale und Bio-Produkte zu verkaufen und teilweise selbst herzustellen. Keine leichte Aufgabe auf einer Insel wie Island, wo Landwirte mit dem rauen, unebenen Boden und der geringen Sonneneinstrahlung im Winter zu kämpfen haben. Vieles wird deshalb aus dem Ausland importiert, was Lebensmittel in Island so teuer macht. An Schafen, Rindern und Fischen mangelt es hingegen nicht. Auf tierische Produkte wollen die beiden aber weitestgehend verzichten. Um sich und ihren Gästen eine günstige Alternative zu bieten, haben die Vegetarier eine rein pflanzliche Wurst entwickelt, die unter anderem aus Gerste, Bohnen, Chiasamen, Paprika und Knoblauch besteht. Mit Erfolg: Die würzige-scharfe Wurst wird inzwischen nicht nur auf „Havari“, sondern auch in einigen Supermärkten auf der Insel und in Restaurants in der Umgebung verkauft. Neben Lebensmitteln produziert der Grafikdesigner Svavar Pétur Eysteinsson unter seinem Künstlernamen Prins Póló Musik. Berglind Häsler, die früher als Journalistin tätig war, engagiert sich inzwischen in der Politik.
Schnee, nichts als Schnee: Im Osten Islands ist es einsam. Foto: Natascha Gross
Oft kommt im Osten Islands kilometerlang kein Gegenverkehr. Wenn er dann kommt, sollten Touristen aber vorsichtig sein. Foto: Natascha Gross
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Die Sache selbst in die Hand genommen hat auch Páll Guðmundur von „Visit East Iceland“. Um den Tourismus im Osten des Landes anzukurbeln, betreibt er gemeinsam mit seiner Frau die Berghütte „Laugarfell“. Bäume sucht man dort zwar weit und breit vergebens. Fühlen könnte man sich hier oben in den Bergen aber trotzdem wie der Alm-Öhi und seine Heidi. Vorbei an Seen führt der Weg mit einem, den isländischen Straßenverhältnissen angepassten, etwas größeren, geländefähigeren Auto. Die Hütte ist bereits von Weitem zu sehen, denn rund herum gibt es nichts: keine Dörfer, keine Tankstellen, nicht einmal einzelne Häuser. Die Hütte ist mit ihren Mehrbettzimmern recht einfach ausgestattet, dennoch gemütlich und gepflegt. Und welches Hostel kann schon von sich behaupten, zwei heiße Quellen direkt vor der Haustüre zu haben?! Bei eisigen Temperaturen geht es – in Badekleidung und abgeduscht – nach gut 100 Metern, die sich wie eine Ewigkeit anfühlen, so schnell wie möglich in das whirlpoolartige Becken hinein. Auf einmal hat man ganz andere Probleme, denn der Körper muss sich erst einmal an das sehr warme Quellwasser gewöhnen, dass nun auf der Haut sogar ein wenig brennt. Nach kurzer Zeit geht es aber nur noch darum, die richtige Sitzposition und den besten Ausblick auf den nicht weit entfernten Wasserfall zu finden. Eine Wohltat für den Körper, vor allem nach einer längeren Hiking-Tour an den Wasserfällen entlang. Da sind die überteuerten, mit Touristen überfüllten Lagunen schnell vergessen.
REISE-CHECK
Anreise: Ab Frankfurt fliegt Icelandair in 3:40 Stunden ab circa 300 Euro (Hin- und Rückflug) nach Reykjavik. Dreimal täglich werden Inlandsflüge zwischen Reykjavik und Egilsstadir in Ostisland mit Air Iceland Connect ab 60 Euro angeboten.
Übernachtung: Übernachtungsmöglichkeiten unter anderem im Wilderness Center, ganzjährig geöffnet, Preis für ein DZ im Old Farm House ab 135 Euro im Sommer und ab 120 Euro im Winter, www.wilderness.is.
Mietwagen: Tipps zum Autofahren in Island gibt es unter safetravel.is.
Auskunft: Allgemeine Reise-Informationen unter www.inspiredbyiceland.com.
Wer sich gar für eine Zeit lang aus der Gegenwart verabschieden möchte, ist bei Denni Karlsson im Wilderness-Center genau richtig. Von Egilstadir fährt man kurz vor der Ankunft über Straßen, die diesen Namen in Deutschland wohl nicht zugeschrieben bekommen würden. Aber genau das ist es, was das Gefühl von völliger Abgeschiedenheit verstärkt – und das, obwohl man sich nicht einmal 50 Autominuten vom Flughafen entfernt befindet.
Karlsson stammt ursprünglich aus der Kreativ-Branche, was man dem Gästehaus und selbst konzipierten kleinen Museum auch anmerkt. Im Erdgeschoss des Nebenhauses führt ein multimediales, interaktives Konzept durch die Geschichte Islands. Doch im Grunde ist es das gesamte Anwesen, dass der Historie verfallen ist. Ein Stockwerk höher befindet sich ein großer Schlafraum mit mehreren Betten. Was sich nach Jugendherberge anhört, ist mit Liebe zum Detail und zur Geschichte umgesetzt worden: Man fühlt sich, als wäre man in eine Zeit gereist, in der die ganze Familie in einem Raum geschlafen und wo sich vor allem im Winter das familiäre Leben abgespielt hat. Bei all der Gelassenheit und Rationalität, die die Menschen hier ausstrahlen, verblüfft hingegen der vermeintliche Glaube an die Elfen. Seit gut sieben Jahren gibt es sogar ein Gesetz in Island, was magische Orte als kulturelles Erbe schützt und 2014 wurde ein Bauprojekt verhindert, das die Kirche der Naturgeister zerstört hätte. Es gibt also offenbar doch weitaus mehr Lebewesen in Island, als die wenigen Menschen und Schafe, die man auf den ersten Blick sieht.