Bunt bemalte Holzpferdchen, rote Hütten und das längste Sommersonnenwendefest, bei dem jeder willkommen ist: Die Region Dalarna ist das wahre Schweden, sagen die Einheimischen.
Von Liudmila Kilian
Redakteurin Leben/Wissen
Die roten Häuser prägen Schwedens Landschaft.
(Foto: Liudmila Kilian)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
Das Wasser des Siljansees ist spiegelglatt. Es reflektiert die Begegnung der anbrechenden Dämmerung mit den warmen Strahlen des Sonnenuntergangs. Kaum hörbar summen die Mücken. Duftende Wildblumen und Gräser säumen das Ufer, der Schrei einer Möwe zerreißt plötzlich die Stille.
Es ist eine typische Abendszene in der schwedischen Region Dalarna, im Herzen des Landes. Seen, Flüsse und Wälder prägen die Landschaft, Birken wiegen sich sanft im Wind. Unberührte Natur, wohin man blickt. Dalarna sei das eigentliche Schweden. Hier haben schwedische Traditionen ihren Ursprung, sagen die Einheimischen. Eine patriotische Aussage ist das, so könnte man meinen, doch sie haben überzeugende Argumente. Da wären zum Beispiel die für Schweden so typischen roten Häuser. Der Farbton ist im ganzen Land als „Falun-Rot“ bekannt. Und Falun – so heißt die Hauptstadt Dalarnas. Dort liegt die Kupfermine, wo erstmals das Pigment entdeckt wurde, aus dem das echte Falun-Rot gewonnen wird.
Heute ist die Miene, die im 17. Jahrhundert als das größte Bergwerk der Welt galt und bis zum Jahre 1992 in Betrieb war, nicht mehr für den Kupferabbau aktiv. Das Pigment für den leuchtenden Anstrich wird jedoch immer noch aus der Grube geholt – und die Tradition der roten Häuser lebt weiter. Entdeckt wurde die Farbe übrigens zufällig, als ein Nebenprodukt bei der Kupfergewinnung. Nicht zuletzt aufgrund ihrer konservierenden Eigenschaften – denn die Farbe macht unbehandeltes Holz witterungsresistent – erlangte das Falun-Rot in ganz Skandinavien und über seine Grenzen hinaus große Beliebtheit.
Die roten Häuser prägen Schwedens Landschaft. Foto: Liudmila Kilian
Eines der beliebtesten Mitbringsel ist das Dalapferd. Foto: Liudmila Kilian
Zur Sommersonnenwende tragen die Frauen Blumenkränze. Foto: Liudmila Kilian
Trachten dürfen in Schweden bei keinem Fest fehlen. Foto: Liudmila Kilian
4
Leuchtend rot ist noch ein weiteres Argument für den Ursprung schwedischer Geschichte in Dalarna. Denn von hier kommen die roten Dalapferde, die als beliebtes Mitbringsel dienen und wohl in jedem schwedischen Haushalt als Deko-Element in den verschiedensten Größen und Ausführungen auf dem Kaminsims stehen. Zum Symbol der Region und später des ganzen Landes wurde das rote Pferd zufällig. Im 18. Jahrhundert war es ein beliebtes Kinderspielzeug, das mit den einfachsten Mitteln hergestellt werden konnte. Die Ausarbeitung der Holzfiguren wurde immer kunstvoller und die einstigen Spielfiguren wurden zum beliebten Souvenir bei den Besuchern der Region. So fand das Dalapferd den Weg aus Nusnäs am Siljansee, wo die ersten Figuren im größeren Stil in einer Schreinerei hergestellt wurden, selbst in die hintersten Ecken des Landes. Bis heute werden die Holzpferdchen in Nusnäs von Hand geschnitzt und mit traditionellen Kurbits-Mustern, die Blumen und schwungvolle Linien abbilden, bemalt.
REISE-CHECK
Anreise: Ab Frankfurt zum Beispiel mit Lufthansa nach Stockholm, ab circa 270 Euro. Anschließend mit dem Zug in circa 3 Stunden nach Tällberg.
Unterkunft: Mit Blick auf den Siljansee, Quality Hotel Dalecarlia in Tällberg, www.dalecarlia.se.
Ausflüge: Falu Gruva, Gruvplatsen 1, Falun. Eintittspreise variieren leicht je nach Saison, ab circa 20 Euro für Erwachsene und circa 8 Euro für Kinder, www.falugruva.se.
Dala-Pferde-Fabrik in Nusnäs, Nils Olsson Hemslöjd, Edåkersvägen 17, www.nilsolsson.se.
Auskunft: www.visitdalarna.se/de
Diese Muster ziehen sich wie ein roter Faden durch traditionelle Kunst, sie zieren Häuser und schwedische Trachten. Gerade Letztere spielen in Schweden eine große Rolle, denn traditionelle Kleidung kommt gerade im ländlichen Dalarna deutlich öfter zum Einsatz als etwa hierzulande. „Junge und alte Menschen tragen ihre Trachten sehr gerne auf allen Familienfesten“, sagt Elisabet Asp Christiansson von Visit Dalarna. Natürlich darf die farbenfrohe, mit vielen kleinen Details verzierte Kleidung auch beim Mittsommerfest, das jährlich zur Sommersonnenwende im Juni gefeiert wird, nicht fehlen. In Schweden steht der Höhepunkt des Sommers mindestens auf Augenhöhe mit dem Weihnachtsfest und während sich der Rest des Landes nach sorgfältigen Vorbereitungen am 21. Juni zum Picknick und Tanz versammelt und den Maibaum aufstellt – feiern die Menschen in Dalarna den Mittsommer gleich einen ganzen Monat lang. „Eigentlich wird das Sommersonnenwendefest im engsten Kreis der Familie gefeiert. Nur selten haben Besucher die Gelegenheit, an den traditionellen Feierlichkeiten teilzunehmen“, sagt Elisabet Asp Christiansson. Bei den Feiern in Dalarna sei jedoch jeder willkommen, sei es als Zuschauer oder als aktiver Teilnehmer, zum Beispiel beim lustigen Froschtanz um die Maistange.
Gesang und Geigenklänge erfüllen die Dorfplätze rund um den Siljansee. Frauen und Mädchen flechten Blumenkränze, die als schöne Ergänzung zu den traditionellen Kleidern getragen werden. Auch die hohe Maistange wird mit Blumen und Birkenreisig dekoriert und feierlich zum Dorfplatz getragen. Der Schmuck unterscheidet sich von Dorf zu Dorf durch kleine Elemente wie Ziervögel oder Herzfiguren, denn jeder Ort hat seine eigene traditionelle Symbolik. Anschließend wird die Stange von freiwilligen starken Männern und Frauen in der Mitte des Platzes aufgestellt. Doch das soll nicht lange dauern: Drei Lieder haben die Freiwilligen Zeit, bis die Stange – übrigens ein Fruchtbarkeitssymbol – steht. Deshalb ist Eile geboten. Sobald das geschehen ist, stürzen sich alle in traditionelle Tänze. Wer eine kleine Verschnaufpause braucht, kehrt immer mal wieder zu seiner Picknickdecke zurück, um sich zu stärken.
Noch lange nach den Feierlichkeiten zieren die Stangen Dorfplätze und erinnern an das rauschende Fest, während die grünen Zweige und Blumen nach und nach vertrocknen und ihre leuchtenden Farben verlieren, bis die Maistangen im nächsten Jahr, pünktlich zur Sommersonnenwende wieder mit neuem Schmuck zum Leben erweckt werden und Einheimischen sowie Besuchern neue Freude schenken.