Das Emsland ist das größte Moorgebiet Deutschlands. Es besticht durch seine raue Ehrlichkeit. Eine Wanderung durch den Naturpark an der deutsch-niederländischen Grenze.
Von Gerd Krauskopf
Diplom-Biologin Silke Hirndorf führt Interessierte durch den Naturpark Bourtanger Moor-Bargerveen.
(Foto: Krauskopf)
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Schaurig mag’s im Moor früher gewesen sein. Nur wenige trauten sich auf die trügerisch schwankenden Pfade umgeben von tiefschwarzem Wasser hinaus. Und wenn sich dann noch die Nebel verdichteten, wurde jeder Schritt zur Hölle – nichts für schwache Nerven. Wer irgendwie konnte, der kehrte dem Moor den Rücken. Dafür wurden Hexen und andere, die Gesellschaft angeblich zersetzenden Elemente, ins Moor verschleppt und verschwanden dort mit durchgeschnittener Kehle für immer. So wie der rote Franz, der etwa 1600 Jahre nach seinem gewaltsamen Tod gut konserviert im Moor entdeckt wurde. Dabei entwickelt das Moor hier im Emsland im internationalen Naturpark Bourtanger Moor-Bargerveen zu jeder Jahreszeit einen schaurig-schönen Charme. Ein Naturerlebnis, das sich entlang der deutsch-niederländischen Grenze erstreckt.
Gerade außerhalb des Sommers besticht diese mystische Landschaft durch ihre raue Ehrlichkeit. Die kleine, vierköpfige Reisegruppe hofft auf wallende Nebelschwaden und bekommt stattdessen Sonnenstrahlen, hin und wieder unterbrochen von leichten Regenschauern. In dieser einsamen, menschenleeren Gegend wollen die Urlauber an diesem Wochenende mit Silke Hirndorf wilde Tiere beobachten. „Naturschutz ist mein Leben“, sagt die Diplom-Biologin und Naturpark-Gästeführerin. Sie zeigt auf eine Kormoran-Brutkolonie, die sich oben in den Bäumen inmitten einer Sumpfinsel, vor Räubern geschützt, angesiedelt hat. Nur sind die Vögel an diesem Nachmittag unterwegs auf Futtersuche. „Anfang März kommen ihre Jungen in der Kolonie zur Welt“, ergänzt der holländische Ranger Erik Bloeming. Er weiß viele Anekdoten zu erzählen und freut sich schon auf die lauten, weithin hörbaren trompetenartigen Rufe der Kraniche, die im März auf ihrer Rückkehr von Afrika nach Skandinavien hier eine Rast einlegen.
Dieser Lebensraum, der einst das größte Hochmoor Mitteleuropas war, wurde systematisch vom Torfabbau zerstört. Dabei hat man erkannt, dass Moore eine wichtige Aufgabe erfüllen. Sie binden das schädliche Treibhausgas Kohlenstoffdioxid und sind Heimat seltener Tiere und Pflanzen. Das alles sind Gründe, es zu schützen und – wenn es geht – große Teile zu renaturieren. Dabei wächst das Moor bei guten Voraussetzungen nur etwa einen Millimeter pro Jahr.
Diplom-Biologin Silke Hirndorf führt Interessierte durch den Naturpark Bourtanger Moor-Bargerveen. Foto: Krauskopf
Diplom-Biologin Silke Hirndorf führt Interessierte durch den Naturpark Bourtanger Moor-Bargerveen. Foto: Gerd Krauskopf
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Für die Menschen, die hier einst in ärmlichsten und unmenschlichen Verhältnissen lebten, war es das Armenhaus Deutschlands. Das änderte sich schlagartig nach dem Zweiten Weltkrieg. Denn mitten im Moor – das entdeckte man Anfang der 1940er-Jahre – befinden sich die größten Erdölfelder auf deutschem Festland. „Was dieser Gegend auch den Spitznamen ‚Klein Dallas‘ einbrachte“, bemerkt Daniel Fischer, Betriebsleiter von Exxon-Mobil Deutschland mit einem spitzbübischen Lächeln.
Während er die kleine Reisegruppe an den vielen Ölpumpen vorbeiführt, erfahren die Wanderer, dass zwei Prozent des deutschen Erdölbedarfs hier aus dem Boden gepumpt werden. Was sehr anschaulich im Erdöl-Erdgas-Museum in Twist nachvollzogen werden kann. Dank Öl und der guten Infrastruktur mit vielen Klein- und Großfirmen herrscht im Emsland fast Vollbeschäftigung.
INFORMATIONEN
Naturpark Moor, www.naturpark-moor.eu.
Emsland Touristik GmbH, www.emsland.com.
Emsland Moormuseum, www.moormuseum.de.
Landgasthaus Backers, www.gasthof-backers.de.
Übernachten: Hotel Pöker in Meppen, www.hotel-poeker.de.
Informationen
Naturpark Moor, www.naturpark-moor.eu.
Emsland Touristik GmbH, www.emsland.com.
Emsland Moormuseum, www.moormuseum.de.
Landgasthaus Backers, www.gasthof-backers.de.
Übernachten: Hotel Pöker in Meppen, www.hotel-poeker.de.
Eine Reise durchs Emsland ist aber auch ein Erlebnis, das durch den Magen geht. Rund um den Naturpark Bourtanger Moor-Bargerveen finden sich kulinarische Schätze, die Feinschmeckerherzen höherschlagen lassen – zum Beispiel im Landgasthof Backers in Twist. Eine der Spezialitäten aus regionalen Produkten ist das Bunte Bentheimer Schwein. Heute aber empfiehlt Backers eine Fischsuppe mit Kabeljau, Nordseekrabben, Calamaretti und Gemüse sowie gebratene Jakobsmuscheln und Pulpo auf Süßkartoffelstampf und Mango.
Eine gute Adresse für Käsefeinschmecker ist der Ziegenhof von Loes Hektor in Hebelmeer. Dort betreibt die gebürtige Holländerin mit ihrer Familie einen Ziegenstall mit Melkstand, Käserei und Hofladen, der für Besucher geöffnet ist. Nebenher bietet sie Führungen durch die Natur der Umgebung an. Besonders gerne nimmt sie Schulklassen auf ihre Streifzüge mit, da das die Umweltschützer von morgen seien. So kann sie ihnen die Tiere zeigen, die hier leben, welche Pflanzen und Kräuter auf dem nährstoffarmen Boden gedeihen und wie man sie für sich nutzen kann. Ihr umfangreiches Heilkräuterwissen und ihre umweltpädagogischen Ansätze bringt sie in ihre Käseprodukte mit ein. Ihre neueste Kreation ist der „Schmuggelkäse“, den sie in verschiedenen Geschmacksvarianten anbietet. Ein Renner ist auch ihr Brennnessel-Knoblauchkäse.
Nach dem Genuss so vieler Köstlichkeiten darf der Bewegungsdrang nicht zu kurz kommen. Und so zieht es die Gruppe, angeführt von Silke Hirndorf, wieder ins Moor zum Vogelbeobachtungsturm bei Twist. Jetzt, wo es allmählich dämmert und leichte Nebelschwaden übers Moor wabern, ziehen lautstark Kormorane im Formationsflug zu ihren Nestern zurück. Als sich dann der Mantel der Finsternis über das Moor legt, ist der schaurig-schöne Charme perfekt.