Zwei Ladies unternehmen einen Radtrip über die Alpen
Das Ziel der beiden Freundinnen ist dabei nicht nur der Gardasee – sondern auch eine gute Figur auf dem Weg dorthin. Wie sie es schaffen und wem sie auf ihrem Abenteuer begegnen.
Von Michaela Strassmair
Zwei Freundinnen fest im Sattel auf dem Weg in den Mädelsurlaub.
(Foto: Michaela Strassmair)
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Wenn zwei Frauen mit dem Mountainbike über die Alpen fahren, dann darf eines nicht fehlen: Stil – trotz Gepäck auf dem Rad, heftigem Schwitzen und dem Kampf mit dem eigenen Schweinehund.
„Kommst du mit an den Gardasee, da mache ich mit zwei Freundinnen in einer süßen Pension direkt am Ufer ein paar Tage Urlaub“, fragt mich Jessica. Statt einen Freudentanz aufzuführen, ziehe ich eine Schnute, denn in den vergangenen 25 Jahren war ich jeden Sommer viele Tage zum Windsurfen da. „Ein wunderschöner Ort – aber schon wieder?“, sagen meine Gedanken, doch mein Mund spricht etwas ganz anderes. „Ja, aber nur, wenn wir mit dem Mountainbike hinfahren.“
Zwei Jahre zuvor hatte meine Freundin Jessica bereits eine Alpenüberquerung gemacht – mit viel Spaß, aber auch harten Etappen, Stürzen im Gelände und Schmerzen im Schritt. Deshalb war ich mir sicher, dass sie sofort ablehnen würde. Weit gefehlt: „Geniale Idee! Von zu Hause bis zu unserer Pension in Brenzone sul Garda radeln, das machen wir!“. Ich schlucke. Doch Jessica ist sofort überzeugt: „Das machen wir ladylike, so wie es sich für zwei Frauen über 40 gehört – auf Radwegen und mit schönen Hotels.“ Meine Einwürfe, ob ihr klar sei, wie zäh das Bergaufradeln mit Gepäcktaschen sei, wischte sie mit dem Argument weg, dass bei uns nicht sportliche Leistung, sondern der Genuss zähle. Nach diesem sieht es seit zwei Stunden so gar nicht aus. Statt auf dem Sattel sitzen wir an unserem Startpunkt in Gmund am Tegernsee in einem Café und warten, dass es endlich aufhört zu regnen. Es hilft nichts, wir müssen los, sonst schaffen wir es nicht bis zum ersten Ziel, dem Achensee in Tirol. „Hast Du eigentlich einen Tacho?“, fragt Jessica. „Nein, der wurde mir in Kambodscha geklaut“, erwidere ich. Mein Mountainbike ist schon 22 Jahre alt und durch mehr als ein Dutzend exotische Länder gefahren. „Dann müssen wir halt aufs Handy und meine neue App schauen“, meint meine Freundin, die sich extra eine Lenkerhalterung samt Regenhülle angeschafft hat. Das Display ist leider nicht zu erkennen und nach dem zweiten Mal Handy aus der Hülle fummeln geben wir auf. Egal, denn die labyrinthartigen Schotterwege in den Wäldern zwischen Deutschland und Österreich sind erstaunlich gut ausgeschildert. An jeder Gabelung weist uns ein grüner Radfahrer die Richtung. Wir sind klatschnass, 1000 Höhenmeter und 57 Kilometer bis zum Achensee hinaufgestrampelt, als der Wettergott endlich ein Einsehen mit uns hat. Er schiebt die Wolken beiseite und die ersten Sonnenstrahlen kitzeln Türkistöne aus dem Bergsee heraus. Im neu eröffneten „Arthurs Hotel“ empfängt man uns freudig, denn wir sind die ersten fahrradfahrenden Gäste.
Am nächsten Morgen kann die Hotelmannschaft nicht fassen, wie schlecht wir vorbereitet sind und nur grob die Strecke nach Matrei am Brenner einschätzen können. Sie drucken uns eine Karte aus und raten, unbedingt im Unesco-Weltkulturerbestädtchen Hall in Tirol Rast zu machen. „Passt, da müssen wir sowieso Nachschmieren“, meint Jessica und lacht über die morgendliche Vaseline-Attacke auf das Polster in unseren Radhosen. Es fühlt sich ekelhaft an, doch sie beharrt darauf, dass dies das Geheimnis des schmerzfreien Langstreckenradfahrens sei. Zwei Herren im Anzug wundern sich, warum wir so kichern und wollen wissen, wohin es denn heute noch hingehen soll. „Oh Gott, Matrei! Mädels, das ist oben am Brenner, da müsst Ihr sofort los!“, ruft der eine entsetzt beim Blick auf die Uhr. Er weiß warum.
INFORMATIONEN
Unterkünfte: Entlang der Radwege sind viele auf Radler eingerichtet und bieten Fahrradkeller und Wäscheservice an, wie das Arthurs Hotel in Maurach am Achensee,ab 150 Euro, arthurs-achensee.at, das Parkhotel Matrei im Wipptal, ab 85 Euro, www.parkhotel-matrei.at, oder das Grand Hotel Trento, ab 116 Euro, www.grandhoteltrento.com/de/.
Routenplanung: Die Route München-Venedig ist wie die Via Claudia Augusta gut ausgeschildert, wer eine der mehr als 50 weiteren Transalp-Routen wählt und auf eigene Faust loszieht, muss sich besser vorbereiten.
Die alte Römerstraße, die sich gegenüber der Brennerautobahn auf der anderen Seite des Wipptals hinaufschlängelt, ist zwar kaum von Autos befahren und bietet traumhafte Ausblicke auf den Patscherkofel und die Stubaier Alpen. Doch die anstrengendste Etappe der gesamten Strecke zieht sich mit vielen Auf und Abs und Haarnadelkurven in die Länge. Doch da ist es, unser Hotel in Matrei, in dem es auch noch zehn Prozent Ökorabatt für Rad- und Zugfahrer gibt. Noch besser finden wir die Sauna, in der Jessica triumphierend mit einer schwarzen Packung wedelt. „Eine Gesichtsmaske, die hat uns meine Mama mitgegeben – für gestresste Haut!“ Ich kann es nicht fassen. Zu Hause hatten wir genau abgesprochen, wer Zahnpasta, Shampoo, Augen- und Sonnencreme in kleinen Döschen mitnimmt, damit wir ja nicht zu viel mitschleppen.
Die Strecke nach Italien beginnt mit Graupelschauer und Gegenwind, aber oben in Gries am Brenner scheint die Sonne. Bis in Sterzings Altstadt geht es hauptsächlich abwärts. Wir sausen an Wiesen und Wäldern vorbei, an schroffen Felswänden und Brücken mit Blumenkästen, durch kleine Dörfer mit alten Steinhäusern und an der elektronischen Zählmarke. Ich bin Radfahrer Nummer 303 am heutigen Tag. Einiges los auf der Radroute nach Brixen – doch wo sind die alle? Nur zwei E-Biker haben uns heute überholt. Auf dem Eisacktalweg via Bozen nach Trient treffen wir ein paar mehr. Kurz vor dem Ziel, dem Grand Hotel Trento, geht das gemeinsame Jammern los. „Tut dir auch alles weh? Wie lange ist es noch? Ich will nicht mehr“ Aber was sollen da Eric und die 66-jährige Jacqueline aus Holland sagen, die schon 1300 Kilometer geradelt sind?
Wir treffen die beiden am nächsten Tag kurz vor dem schönsten Moment der Tour: der Steilkurve in Nago. Hier zeigt sich der Gardasee zum ersten Mal. – ein überwältigender Anblick, der uns Tränen in die Augen drückt. Wir haben Europas mächtigste Gebirgskette überwunden – wenn auch auf der Route für Warmduscher, dafür sturzfrei und ausgeschlafen. Wir sind tollen Menschen begegnet, haben spektakuläre Landschaften erlebt und eine ganze Dose Vaseline verbraucht. In Riva steigen wir samt Rad auf die Fähre nach Brenzone – zum wahren Mädelsurlaub.