Gläserne Attraktionen gibt es im Bayerischen Wald viele: Die Region ist ein historisch gewachsenes Glasmacherzentrum. In einigen Glashütten können Besucher selbst kreativ werden.
. Auf die Frage, woher sie die Inspiration für ihre besonderen Werke nimmt, sagt Magdalena Paukner: „Da muss i nur aussi gehe“. Paukner ist Glasmacherin und Glaskünstlerin. Sie wohnt in Lindberg im Bayerischen Wald auf einem kleinen, malerischen Hof inmitten von Hühnern, Gänsen und Schafen, umgeben von einer wildromantischen Natur, die sich in ihren kleinen, fragilen Kunstwerken wiederfindet. Damals, als sie Glasmacherin gelernt hat, wurde sie von den Männern argwöhnisch beäugt. Viel zu schwer sei diese Arbeit für eine zierliche, junge Frau, meinten die Herren. Immerhin muss ein Glasmacher, wenn er das heiße Glas durch Drehen und Blasen formt, bis zu 20 Kilogramm an einem langen Stiel sicher halten können. „I hoab das durchgzogen“, sagt Paukner und führt durch ihre kleine, aber feine Ausstellung. Kunstvoll gestaltete Blüten, kleine Bienen als Ohrringe oder Blätter, die von den echten Exemplaren in der Natur kaum zu unterscheiden sind, fertigt sie in der winzigen Werkstatt unterm Dach ihres kleinen Hauses. In Galerien, auf Ausstellungen und über das Internet vertreibt Paukner ihre Arbeiten und sieht sich in guter Gesellschaft mit anderen Künstlern, die alle irgendetwas aus Glas machen.
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Ganz anders wird in der Glasmanufaktur von Poschinger gearbeitet, die ihre Ursprünge bis in das Jahr 1568 zurückverfolgen kann. Sie steht in Frauenau, dem „gläsernen Herz“ des Bayerischen Waldes. Das Unternehmen gehört nach eigenen Angaben zu den zehn besten Handwerksbetrieben Deutschlands und hat sich auf Auftragsarbeiten spezialisiert. Wenn ein gläserner Leuchter kaputt geht, ein Teil einer alten Lampe oder sonst ein Gegenstand aus Glas, wird er in der Glasmanufaktur neu gefertigt. Die Mitarbeiter räumen auch gleich mit einem Irrglauben auf: Sie seien keine Glasbläser, sondern Glasmacher. Sie stehen vor Öfen, in denen Temperaturen bis zu 1500 Grad herrschen. In ihnen wird Glas geschmolzen, um es dann verarbeiten zu können. Für ein Kilogramm Glas benötigen die Glasmacher 500 Gramm Quarzsand, 330 Gramm Pottasche und 170 Gramm Kalk. Die Pottasche wird heute allerdings weitgehend durch chemische Mittel ersetzt, was den Wäldern zugutekommt, denn für die Herstellung von 330 Gramm Pottasche wurden früher sechs Baumstämme von je zwei Metern Höhe benötigt. Deshalb fanden sich die ersten Glaswerkstätten auch inmitten der riesigen Wälder und wurden, wenn der Baumbestand aufgebraucht war, in einen anderen Wald verlagert.
Nicht weit von der Glasmacherei befindet sich ein Museum, in dem die Kulturgeschichte des Glases lebendig wird. Es steht inmitten der „Gläsernen Gärten“, in denen mehr als 30 Glasinstallationen zu bewundern sind.
Rudolf Schmid hat sich mit einer gläsernen Scheune sein eigenes Glasreich geschaffen. Der weit über Deutschland hinaus bekannte Glaskünstler befasst sich mit der Glasmalerei, fertigt riesige Kunstwerke und sprüht trotz seiner 80 Jahre noch immer vor Energie und neuen Ideen. Sein Sohn Reinhard Schmid tut es ihm gleich. Auch er ist international bekannt, vertreten in den oberen Preisregionen für seine Werke und immer wieder auf großen, internationalen Ausstellungen unterwegs. Seine Frau betreibt in Viechtach das „Venus-Cafe“, wo einige Werke des Künstlers hängen. Neuerdings befasst sich Schmid sogar mit digitaler Kunst, die jeder auf seinem Mobiltelefon mit sich herumtragen kann. „Für mich ist der Bayerische Wald eine Insel der Glückseligkeit“, schwärmt Schmid, der trotz seiner Reisen in alle Welt nirgendwo sonst leben möchte.
Auch das Unternehmen Joska aus Bodenmais hat sich mit Kristallglas einen besonderen Namen gemacht. Juniorchefin Alina Kargerbauer zeigt stolz auf mehrere Wände, in denen Glaspokale in allen Größen und Ausfertigungen stehen. In diesem Geschäftszweig ist das Unternehmen weltweit führend. Für die Formel 1, den Ski-World-Cup, die Sportler des Jahres, die Leichtathletik EM oder die Nordische Ski-WM fertigt es die Pokale: aufwendige Gebilde, filigran bemalt und beschriftet, jeder Pokal ein Meisterwerk und bis zu 20 Kilogramm schwer. Aus dem Ein-Mann-Betrieb, gegründet von Josef Kargelbauer (daher der Name Joska) in einem Wohnhaus mit angebautem Stall, ist inzwischen eine Event-Location am Ortsrand von Bodenmais geworden. Jährlich bewundern bis zu 900 000 Besucher die Kunst des Glasmachens und können sich auch selbst darin üben. Zudem gibt es zahlreiche Veranstaltungen, darunter Konzerte mit bekannten Künstlern oder Brauchtumsabende.
Wer vor lauter Glas den Wald nicht mehr sieht, kann sich mit Ranger Matthias Rohrbacher auf den Weg machen und sich erklären lassen, wo die Rohstoffe für die Glasherstellung gewonnen werden. Auf dem Weg gibt es Abbaugebiete. Doch noch viel mehr beeindruckt der Große Pfahl, Bayerns bekanntestes Biotop und eines der schönsten Naturdenkmäler Deutschlands. 150 Kilometer weit ziehen sich die steil aufregenden Pfahlfelsen durch die wildromantische Landschaft mit dem höchsten Punkt bei Regen (756 Meter). Die Natur in diesem Gebiet gilt als einmalig, zudem ranken sich um die Felsen zahlreiche Sagen und Mythen. In diesem Gebiet entstand aus heißen Quarzwässern der Quarz, den der Ranger als das „Blut der Erde“ bezeichnet. Wer mit offenen Augen durch die Landschaft geht, kann selbst überall Quarzsteine finden. In den Bächen gibt es sogar das „Katzengold“, ein Mineral, das auch Pyrit oder Schwefelkies heißt. Zu Reichtum hat es damit aber noch niemand gebracht.