Die Region Extremadura ist dabei nicht nur für Ornithologen attraktiv. Die beschaulichen Städte bieten gerade im Winter Entspannung bei milden Temperaturen, Kultur und Tradition.
. Die Plaza Espana von Talarrubias ist menschenleer wie immer in der Siesta. Aber Stille herrscht deswegen nicht in der guten Stube des 3000-Seelen-Dorfs in der spanischen Provinz Badajoz. Alle paar Minuten schallt lautes Geklapper über den Platz. Es ist kein rücksichtsloser Handwerker, der da lärmt, sondern einer der Störche, die auf den Dächern und Glockentürmen der Kirche Santa Catalina und der benachbarten Kapelle der Jungfrau vom Berg Karmel ihre Nester gebaut haben. Ihr Klappern gehört zum dörflichen Alltag wie das viertelstündliche Glockenläuten und gelegentliche Motorgeräusche durchfahrender Autos.
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Störche als selbstverständlicher Teil des Gemeindelebens – das ist nichts Besonderes im Südwesten der iberischen Halbinsel, gerade in der spanischen Region Extremadura an der Grenze zu Portugal. Rund 12 000 Storchenpaare brüten dort, ein wachsender Teil von ihnen bleibt auch im Winter an den Nistplätzen – so wie die klappernden Kirchenbewohner in Talarrubias. Hinzu kommt eine zunehmende Anzahl mittel- und nordeuropäischer Störche, die im Spätherbst auf ihrem Zug Richtung Süden ebenfalls den Weiterflug nach Afrika ausfallen lassen und die kalte Jahreszeit in der Extremadura verbringen. Auf Reisfeldern, aber auch Müllhalden finden sie ihre Winterkost.
Von ähnlicher Statur wie der Storch ist der Kranich, der zwar keinen Ruf als Babylieferant genießt, aber gleichfalls gerade in Deutschland viele Freunde hat. Die Größe der Tiere, ihre als elegant empfundenen Bewegungen und staunenswerten Leistungen als Zugvögel mögen die Beliebtheit erklären. Und obwohl seit Jahrzehnten keine Kraniche mehr in der Extremadura brüten, tragen sie doch dazu bei, die Region gerade im Winter zu einem Anziehungspunkt für Vogelfreunde zu machen.
Denn die Kraniche schätzen die milden Temperaturen ebenso wie das Nahrungsangebot von Eicheln auf den landestypischen Dehesas – den ausgedehnten Rinder- und Schafweiden mit lockerem Steineichenbestand – sowie auf abgeernteten Mais- und Reisfeldern. Von November bis Februar übertrifft die Zahl der Kraniche die der Störche in der Extremadura um ein Vielfaches.
„Im vorigen Winter wurden hier 125 000 Kraniche gezählt“, sagt Naturführer Eduardo Mostazo. Etwa ein Viertel von ihnen hält sich im Südosten der Region auf, im Umfeld der Stauseen von Serena und Siberia. Nahe der Ortschaft Navalvillar de Pela, in der Dehesa von Mohada Alta, gibt es nicht nur ein Kranich-Informationszentrum, sondern auch einen bei den Grullas (wie Kraniche auf Spanisch heißen) als Nachtquartier beliebten Flachwasserbereich.
Natürlich möchte Mostazo Besuchern gern die eindrucksvollen Kranichschwärme zeigen, die abends von den Futterflächen einfliegen. Ein Beobachtungsposten wird bezogen. Doch wie es manchmal so ist: An diesem Abend bleibt die Wasserfläche unberührt. Kraniche sind nur beim Vorbeiflug in einiger Entfernung vor der untergehenden Sonne zu sehen. Das ist Pech. Passionierte Vogelbeobachter tragen es mit Fassung: Sie kennen so etwas schon. Die Vögel folgen nun einmal keinem genauen Fahrplan. So erfordert die Jagd auf Vogelsichtungen und -fotos auch in der Extremadura Geduld und nicht zuletzt ein vollgetanktes Auto. Damit ausgestattet stehen die Chancen auf erfolgreiche Beobachtungen immerhin gut – vor allem entlang bestimmter ornithologischer Routen, die von der Regionalregierung empfohlen werden. Tatsächlich zeigen sich die Kraniche am Tag nach Verabschiedung des Guides Mostazo. Dann aber stehen sie gleich zu Hunderten auf Stoppelfeldern und Dehesas entlang der Landstraße zum Wallfahrtsort Guadalupe.
Nun ist es nicht so, dass ein Aufenthalt in der Extremadura ohne Sichtung bestimmter Vogelarten als verlorene Zeit verbucht werden müsste – sofern man den eigenen Horizont nicht zu sehr auf das erhoffte Traumfoto eingeengt hat. Die dünn besiedelte Region hat keinen Meter Küste und Badestrand zu bieten, sonst aber alles, was Spanien-Liebhaber schätzen. Reisende finden aufregende und vielfältige Landschaften, von den Weiten der steppenartigen Llanos bis zu den Felsgipfeln der Villuercas und der Sierra de Gredos. Die Dehesas mit ihren weit ausladenden Steineichen prägen das Bild des Hügellands. Kulturschätze ersten Ranges aus der Antike und aus Spaniens goldenem Zeitalter sind in Städten wie Merida oder Guadalupe zu besichtigen.
Der Geist der Konquistadoren scheint noch lebendig in den historischen Zentren von Caceres oder Trujillo mit ihrer granitenen architektonischen Strenge. Auf der Plaza Mayor in Trujillo fügt sich das heroische Reiterdenkmal des Francisco Pizarro, der bei der Eroberung des Inkareichs im Zeichen des Kreuzes Ströme von Blut vergoss, ins Bild trotziger Abwendung von einer sich wandelnden Welt.
Aber auch in der Extremadura bleibt die Zeit nicht stehen. Die bleierne Ära der Franco-Diktatur, die Spanien von Europa abschottete und die Grenzregion zu Portugal zum Armenhaus verkommen ließ, liegt lange zurück. Neue Ideen sorgen für Bewegung. Auch wenn sie auf der regionalen Überlieferung basieren. So wie die von Miguel Cabello Cardeñosa.
„Ich war Kaufmann, wie schon meine Eltern“, erzählt der 35-Jährige. „Aber ich wollte in die Landwirtschaft. Im Jahr 2002 habe ich auf dem Viehmarkt zehn braune Merinoschafe gekauft, darunter ein Bock. Solche Tiere wurden hier jahrhundertelang gehalten, ehe die Züchter auf Tiere mit weißer Wolle umstiegen, weil die leichter zu färben ist.“ Cabello preist die Qualität der dunklen Wolle, die besonders fein und lang sei. Abnehmer aus Caceres kaufen sie auf. Auf seinen Weiden bei der Ortschaft Sancti Spiritus grasen heute 1500 braune Merinos. Jedenfalls zu dieser Jahreszeit, denn Cabello pflegt zugleich die Tradition der Transhumanz, also der spanischen Wanderweidewirtschaft. 40 Kilometer lege er dabei mit seinen Herden zurück, erzählt er nicht ohne Stolz – auf den uralten Schafstriften, den Cañadas Reales, die seit den 1990er-Jahren wieder unter staatlichem Schutz stehen. Das spanische Fernsehen hat auch schon über seine Züge berichtet.
„Diese Form der Viehhaltung ist bedeutsam für die Erhaltung der Kulturlandschaft“, erklärt Cabello. Seit einiger Zeit hält er zudem acht Andalusische Riesenesel – eine früher weit verbreitete, heute auf wenige hundert noch lebende Tiere zusammengeschrumpfte Art. Naturführer Mostazo ist voll des Lobes für Cabellos Engagement zum Erhalt überlieferter – heute würde man sagen: nachhaltiger – Formen der an den Naturraum angepassten Landwirtschaft.
Der Reisende ohne eigene Herde kann manche traditionellen Viehwege heute als Wanderrouten erleben. Und in der kühlen Jahreszeit – die Temperaturen klettern im Winter tagsüber fast immer in den zweistelligen Bereich – stehen die Chancen gut, unterwegs auch gefiederten Urlaubern aus Nordeuropa zu begegnen.