Nach den Terror-Anschlägen an Ostern 2019 sagten Reiseveranstalter über Monate hinweg alle Touren ab. Jetzt kommen die Urlauber so langsam wieder – endlich.
. Es lief gerade so gut für Sri Lanka. Der renommierte „Lonely Planet“ Reiseführer hatte die Insel vor der Südspitze Indiens zum Top-Reiseziel des Jahres 2019 erklärt. Zehn Jahre nach dem Ende eines verheerenden Bürgerkriegs mauserte sich das frühere Ceylon – nach dem auch der weltberühmte Tee benannt ist, der dort angebaut wird – zu einem der angesagtesten Reiseziele.
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Doch der 21. April 2019 änderte alles. Bei einer Anschlagserie von islamistischen Selbstmordattentätern auf Kirchen und Hotels in der Hauptstadt Colombo, im beliebten Küstenort Negombo und im östlichen Batticaloa kamen an Ostersonntag über 250 Menschen ums Leben, darunter auch Touristen. Die Lage blieb lange unübersichtlich, Reiseveranstalter sagten über Monate hinweg alle Touren ab. Obwohl sich die Situation mittlerweile entspannt hat, waren auch im November noch viele Strandbars in Negombo gespenstisch leer. Die Gastronomen versuchen es mit verzweifelten Lock-Angeboten: Bier zum halben Preis. „Kauf eine Pizza und bekomm eine zweite umsonst dazu.“ Aber wie soll man Gäste ins Restaurant locken, wenn diese gar nicht erst ins Land kommen?
Keine einfache Zeit für die Einheimischen
Sieben Monate nach den Anschlägen zeichnet sich ein Wandel ab. Die Touristen kommen langsam, aber sicher zurück. Endlich. Das ist auch der Tatsache zu verdanken, dass ein erneutes heftiges Aufflammen religiöser Konflikte wie zu Bürgerkriegszeiten glücklicherweise ausblieb.
Wir sind seine ersten Gäste seit April, erzählt unser Fahrer Manoj, der uns zwei Wochen lang über die Insel fährt. Keine einfache Zeit für den Vater zweier kleiner Kinder, dessen Familie auf den Tourismus angewiesen ist. Denn der ist neben dem Export von Bekleidung, Tee und Gewürzen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Über 5 Milliarden US-Dollar Einnahmen spülten Reisende 2017 ins Land – der Wert hatte sich seit 2010 fast verdreifacht.
Das verwundert nicht, denn Sri Lanka hat eine Menge zu bieten, ist aber noch nicht so überlaufen wie andere asiatische Hotspots wie Bali. Imposante buddhistische Tempel reihen sich an bunte hinduistische Gotteshäuser, katholische Kirchen ragen neben Moscheen in den Himmel. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass es hier früher viele Konfliktherde gab, denn überall begegnen uns – ganz egal welcher Glaubensrichtung – lächelnde, freundliche und überaus friedfertige Menschen, deren großherzige Gastfreundschaft uns manchmal fast schon beschämt.
Sri Lanka ist nicht nur ein Schmelztiegel von vier Weltreligionen, sondern vereint auch landschaftlich auf überschaubarer Fläche ganze Kontinente: Im sattgrünen Hochland sind die Gipfel bis zu 2 500 Meter hoch. Wer hier unterwegs ist, fühlt sich mal an die Alpen, mal an die schottischen Highlands erinnert. So manche Savannenlandschaft in den zahlreichen Nationalparks könnte locker mit dem südlichen Afrika konkurrieren und tropischer Regenwald geht nahtlos in kilometerlange, einsame, goldgelbe Sandstrände über. Gerade wegen dieser Vielfalt ist eine Rundreise quer über die Insel fast schon Pflicht, viel zu schade wäre es, zwei oder drei Wochen an nur einem Ort zu verbringen. Zumal die Wege länger sind als man denkt und somit oft zu weit für einen Tagesausflug.
Die Hauptattraktion darf in keinem Reiseplan fehlen: der Sigiriya-Felsen, auch Löwenfelsen genannt. Etwa vier Autostunden nordöstlich von Colombo erhebt sich der imposante, rötlich schimmernde und etwa 200 Meter hohe Monolith wie ein Finger aus dichtem Dschungel. Auf seinem Rücken ließ König Kassapa knapp 500 Jahre nach Christus eine imposante Festung errichten, von der heute nur noch Ruinen übrig geblieben sind. Um diese zu erreichen, ist gute Kondition nötig: 1 202 Stufen sind bis zum höchsten Punkt zu überwinden – am besten ist es, schon im Morgengrauen aufzubrechen, wenn es noch nicht zu heiß ist. Aber nicht zu früh freuen: Der Schweiß rinnt auch dann in Strömen, denn schon am frühen Morgen ist es schwül. Belohnt werden wir mit einem fantastischen Ausblick über unberührte Dschungellandschaften, in denen sich viele Elefanten tummeln. Wer Glück hat, erspäht vielleicht bereits rund um Sigiriya freilaufende Dickhäuter, aber wenn nicht, dann spätestens in einem der vielen streng geschützten Nationalparks.
Im Udawalawe-Schutzgebiet etwa zeigen sich die imposanten Rüsseltiere völlig unbeeindruckt von den Safari-Jeeps und kommen sogar freiwillig so nah an die Fahrzeuge heran, dass man den Arm ausstrecken könnte, um sie zu berühren – aber das ist natürlich tabu. Egal wo man auch hinsieht – irgendetwas kreucht und fleucht immer, zum Beispiel auch im Sinharaja-Regenwald. Das 6 092 Hektar große und abseits der Haupt-Touristenrouten gelegene Unesco-Weltnaturerbe beherbergt neben meterhohen Urwaldriesen und Schlingpflanzen auch unzählige Tierarten, die es teilweise ausschließlich auf Sri Lanka gibt: die farbenfrohen Buckelechsen etwa, die durch ihre großen, rundlichen Nasen auffallen und mal quietschgrün, mal dezent braun daherkommen.
Leider tummeln sich hier auch viele Blutegel, dagegen helfen lange Kleidung, festes Schuhwerk, spezielle Kniestrümpfe und etwas Wetterglück. Die Blutsauger kommen besonders gern nach dem Regen heraus, und Regen gibt es hier sehr, sehr viel. Wem das feuchte Regenwaldklima zusetzt, der kann im höher gelegenen Bergland durchatmen und bei einer gemütlichen Panorama-Zugfahrt von Nanu Oya nach Ella bei offenem Fenster kilometerlange Teeplantagen und das Nebelwald-Gebiet Horton Plains an sich vorbeiziehen lassen. Der Zug tuckert so gemütlich vor sich hin, dass die Türen immer offenstehen und Touristen gern auf dem Boden sitzen, um die Beine herausbaumeln zu lassen.
Nach einer Rundreise voller kultureller und naturgeschichtlicher Highlights tun ein paar Tage Entspannung an Sri Lankas malerischer Küste gut. Im Süden erstrecken sich westlich und östlich von dem Örtchen Tangalle goldene Sandstrände und felsige Buchten so weit das Auge reicht, die sich am besten per Tuk-Tuk oder mit einem gemieteten Roller erkunden lassen. Zum Schwimmen und Schnorcheln lädt der aufgewühlte Indische Ozean hier nur selten ein, denn die Strömungen dürfen nicht unterschätzt werden. Wer gerne in der Brandung tobt oder surft, kommt aber auf seine Kosten.
Bei langen Spaziergängen etwa am „Silent Beach“ mit seinem türkisblauen Wasser und gesäumt von hunderten Kokospalmen lässt sich eine abenteuerliche Reise bestens Revue passieren lassen. Auch hier im tiefen Süden hoffen Hoteliers und Gastronomen darauf, dass der Tourismus wieder aus dem Tal herausfindet. Individualreisende und Backpacker trifft man hier inzwischen wieder recht häufig, irgendwann werden auch die Pauschalreisenden zurückkehren.
Nach den Anschlägen vom 21. April ist in Sri Lanka nichts mehr, wie es einmal war und manche Wunden werden niemals heilen. Aber die Menschen haben ihr Lächeln wiedergefunden, und dem kann sich nun wirklich niemand entziehen. Damit senden sie auch eine wichtige Botschaft in die Welt: dass der Terror nicht gewonnen hat.
Von Meike Mittmeyer-Riehl