Corona hilft der SGE auf die Beine

aus Eintracht Frankfurt

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Fußball vogelwild: Das Europa-League-Hinspiel gegen Basel verliert die Eintracht um Martin Hinteregger (Nummer 13) mit 0:3. Foto: dpa
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Serie, letzter Teil: Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt wandelt am Abgrund, profitiert aber letztlich von der Liga-Pause.

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FRANKFURT. Vor Corona war die Eintracht schon in eine sportliche Krise gerutscht. Es war nach der Winterdepression schon die zweite der Saison. Hohe Pleiten in Dortmund und Leverkusen, Heimniederlagen gegen Union Berlin und in der Europa League gegen Basel. Die Liga-Unterbrechung mit all ihren Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben bot allen die Gelegenheit, eine detailgenaue Analyse durchzuführen. „Ich habe mir nochmal die letzten Spiele angeschaut und habe mir alles durch den Kopf gehen lassen“, hatte Trainer Adi Hütter gesagt, nachdem nach Wochen der Unsicherheit klar war, dass die Bundesliga weitermachen durfte. Nach Corona sollte dann wieder alles besser werden. Wurde es auch – aber mit Verzögerung.

„Spiel der Wende“ gegen den SC Freiburg ausgerufen

Der Spielplan meinte es nicht gut mit der Eintracht. Der „Geister“-Auftakt fand zu Hause gegen Borussia Mönchengladbach statt, das erste „Geister“-Auswärtsspiel beim FC Bayern München. Die ersten Minuten des dritten Saisonteils wurden zum Albtraum: Gladbach ging in der leeren Arena schon in der ersten Minute durch Allasane Plea in Führung, in der siebten Minute legte die Borussia durch Marcus Thuram nach. Die Eintracht erholte sich von dem frühen Rückstand nicht. Am Ende hieß es 1:3. In München gab es die übliche Klatsche, 2:5 nach einer durchaus mutigen Leistung. Das zweite Heimspiel im leeren Stadion gegen den SC Freiburg war dann als „Spiel der Wende“ ausgerufen worden.

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Der Trainer hatte auch eine taktische Kehrtwende verordnet, weg von der Viererkette, zurück zur Dreierkette. Endlich wieder rein mit dem besten Fußballer Makoto Hasebe, der zuvor ein „Systemopfer“ geworden war. Die Eintracht zeigte ein tolles Spiel, dominierte die Freiburger, spielte sich Chance auf Chance heraus. Die Fans wären begeistert gewesen, wären sie denn da gewesen. Dann der Schock: Auf einmal stand es 3:1 für Freiburg, wie aus dem Nichts. Die Eintracht bewegte sich nahe am Abgrund, der Abstand zum Relegationsplatz betrug vorübergehend nur noch einen einzigen Punkt. Doch in der wohl schwierigsten Situation der Saison konnte sich das Team aufraffen. Daichi Kamada und der eingewechselte Timothy Chandler schafften wenigstens noch das hochverdiente 3:3. Dennoch gab es fast nur lange Gesichter nach dem Abpfiff, zu groß war die Enttäuschung. Krise Nummer drei war greifbar. Was sollte nur werden, wenn selbst gute Spiele nicht gewonnen werden? Die Abstiegsgefahr war zum ersten Mal wirklich existent. „Dass wir dieses Unentschieden noch geschafft haben, war der Knackpunkt“, sagte der Trainer im Rückblick. „Hätten wir dieses Spiel verloren, hätten wir auch die folgenden Auswärtsspiele nicht gewonnen.“

Auswärtsspiele gewonnen? Das war der Eintracht zuvor nur zweimal gelungen, in der Vorrunde bei Union Berlin, zum Rückrundenstart in Hoffenheim. Doch nun profitierte die Eintracht von der gravierendsten Veränderung der Corona-Spiele: Es gab keinen Heimvorteil mehr. Innerhalb von vier Tagen siegte die Eintracht zweimal in der Fremde, 2:1 in Wolfsburg, 3:0 in Bremen. Sechs Punkte gegen die Angst und die Zweifel. Abermals hatte die Saison eine überraschende Wendung genommen. Die wilde Berg- und Talfahrt führte wieder einmal nach oben. Die Auswärtsstärke hielt bis zum Ende an. In Berlin gewann die Eintracht bei der Hertha mit 4:1. Ganz Deutschland schwärmte von einem „Zaubertor“, als Daichi Kamada vier, fünf Gegner austrickste (Hütter: „Wie ein österreichischer Slalomläufer“.) und André Silva per Hacke die Vorlage veredeln konnte. Auch im letzten Auswärtsspiel in Köln holte die Eintracht mit einem verdienten 1:1 noch einen Punkt. Und selbst bei den übermächtigen Bayern war im Halbfinale des DFB-Pokals eine Überraschung möglich. Die Frankfurter verloren 1:2 nach starker zweiter Hälfte. Am Ende der längsten Saison aller Zeiten, die für die Eintracht mit dem Start in der Europa-League-Qualifikation bis zum letzten Ligaspiel fast ein Jahr dauerte, stand eine gemischte Bilanz. Erfolgreich in den Pokalen, Achtelfinale in Europa, Halbfinale im DFB-Pokal, höchst mittelmäßig in der Liga mit Platz neun. Viele gute Spiele, aber auch drei sportliche Krisen. Die Mannschaft hat keine wirkliche Konstanz, aber Charakter in höchster Not gezeigt. Zu den Kuriositäten dieses Fußball-Jahres gehört, dass es für die Frankfurter noch nicht zu Ende ist: Am 5. August spielen sie im Europacup im Achtelfinal-Rückspiel gegen den FC Basel. Es gilt ein 0:3 aufzuholen. Im Normalfall kaum zu schaffen. Aber was ist bei dieser Mannschaft schon normal?

Von Peppi Schmitt