Die Eintracht-Saison: Teil 1 - Wie Hütter den Stecker zog

aus Eintracht Frankfurt

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Eintracht Frankfurts ehemaliger Trainer Adi Hütter. Foto: dpa

Viel erreicht, aber auch viel verschenkt. Zwischen diesen beiden Polen hat sich die Saison von Eintracht Frankfurt bewegt. Wir blicken zurück. Im ersten Teil auf den Trainer.

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FRANKFURT. Die Fakten sind eindeutig: Eintracht Frankfurt hat 60 Punkte geholt in der abgelaufenen Saison, so viele wie nie zuvor. Und sie hat sich als Fünfter für die Europa-League qualifiziert. „Es war eine hervorragende Saison“, sagt Vorstandssprecher Axel Hellmann. Fakt ist aber auch: Die Eintracht hat in den letzten sieben Spiele einen Sieben-Punkte-Vorsprung verspielt und das Ziel aller Träume, die Champions-League, verpasst. „Es ist eine Enttäuschung, dass wir das nicht erreicht haben“, sagt Hellmann. Viel erreicht also, aber auch viel verschenkt. Zwischen diesen beiden Polen hat sich die Saison der Eintracht bewegt. In der Verantwortung für das sportliche Abschneiden stehen der Sportvorstand, der Trainer und die Mannschaft. Unser Mitarbeiter Peppi Schmitt beleuchtet in einer dreiteiligen Serie die Rollen von Fredi Bobic, Adi Hütter und den Profis.

Teil 1: DER TRAINER

Adi Hütter ist durch das große Tor gegangen. Dieses Bild hat Vorstand Axel Hellmann zu Recht gewählt. Hütter hat die Eintracht nach vorne gebracht, daran kann es keinen Zweifel geben. Die euphorische Reise durch Europa 2019 und der Vorstoß in die Spitzenränge der Liga 2021 werden unvergessen bleiben.

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Dabei hatte der Österreicher vor drei Jahren ein schweres Erbe angetreten. Vorgänger Niko Kovac hatte dem Klub, den Fans, der ganzen Region den Pokal geschenkt. Hütter musste eine neue Mannschaft aufbauen, mit Kevin-Prince Boateng, Marius Wolf und Lukas Hradecky waren wichtige Spieler gegangen. „Ich will attraktiven Fußball spielen lassen“, hatte er bei seiner Ankunft erklärt, „wir wollen die Fans begeistern“. Das ist ihm gelungen, nicht immer, aber ziemlich oft.

Hütter-Wechsel nach Gladbach legitim, aber kontraproduktiv

Und doch wird Hütter in Frankfurt nicht in bester Erinnerung bleiben. Was an seinem Verhalten in den letzten Wochen liegt, an seinen Handlungen und Aussagen. Denn ausgerechnet als die Eintracht vor dem größten Triumph seit der Deutschen Meisterschaft 1959 gestanden hat, kamen dem Trainer andere Pläne in den Sinn. Der Abgang nach Mönchengladbach war wegen einer Ausstiegsklausel im Vertrag legitim, aber er war zumindest kontraproduktiv. Hütter hat seine Interessen über die des Vereins gestellt.

„Lebens- und Karriereentscheidungen haben eine Rolle gespielt“, sagt Hellmann. Hütter hatte bei all seiner Erfahrung den Effekt seines angekündigten Abschieds auf die Mannschaft komplett unterschätzt. Mit der Bekanntgabe war der Stecker gezogen. Mit unglücklichen Aussagen in Interviews hat er nicht nur die komplette Fanszene gegen sich aufgebracht. Die Mannschaft hatte er nicht verloren, nein, das wäre zu viel der Kritik. Aber er hat es nicht mehr geschafft, die Spieler bedingungslos hinter sich zu versammeln. Anders sind die Leistungen und die daraus resultierenden Ergebnisse nicht zu erklären.

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Disput mit Younes und da Costa

In der Gesamtbewertung von Hütter steht trotzdem: Er hat die sportlichen Vorgaben, die er selbst beim Amtsantritt genannt hatte, erfüllt. Einige andere nicht. Dass ausgerechnet dem österreichischen Fußball-Lehrer, der so oft in Interviews von Menschlichkeit, Ehrlichkeit und Moral gesprochen hat, am Ende die Empathie abhandengekommen war, musste dann doch überraschen. Es gab atmosphärische Störungen, so sehr sie in der Öffentlichkeit auch bestritten wurden, um den schönen Schein zu wahren.

Den Disput mit Amin Younes in der Halbzeit in Dortmund hatte es gegeben. Danach hat Younes nur noch einmal von Beginn an gespielt. Die Mannschaft war dadurch geschwächt und Younes hat die dauerhafte Reservistenrolle die Teilnahme an der Europameisterschaft gekostet.

Die Verstimmungen mit Danny da Costa, der schließlich im Winter nach Mainz geflüchtet ist, hat es auch gegeben. Gerade da Costa musste vor gerade mal drei Wochen erfahren, wie nachtragend der Trainer sein kann, wenn ein Spieler mal eine andere Meinung vertritt. Nach dem Abpfiff wollten er und Dominik Kohr, beide von der Eintracht nach Mainz ausgeliehen, in die Frankfurter Kabine um mit den alten Kumpels zu plaudern. Hütter hat es verboten. Was bei allen Spielern für Kopfschütteln gesorgt hat.

„Die Eintracht hat mich zu einem besseren Trainer gemacht“

Selbst zwei Tage nach der Saison, nach schönen Worten allenthalben, nach einer würdevollen Verabschiedung, hat Hütter noch einmal kurz nachgetreten und versucht, einen Konflikt zwischen ihm und Vorstand Hellmann aufzubauen und damit von eigenen Fehlern abzulenken. „Es ist sehr schade, dass die drei erfolgreichen Jahre hier in Frankfurt am Ende von der einen oder anderen Seite so abgewertet werden“, hat er wie so oft die Bild-Zeitung genutzt, um seine Meinung öffentlich zu machen. Dabei hatte Hellmann alles andere getan, als Hütters Erfolg abzuwerten. Er hatte sich nur öffentlich die „Schönrednereien“ nach der Blamage von Schalke und der verpassten Champions-League-Quali verbeten.

Hütter ist ein guter Trainer. Er hat gute Arbeit in Frankfurt abgeliefert. Er hat Erfolge gefeiert, er hat kleinere und größere Krisen überwunden, er hat Spieler entwickelt und er ist den Weg des Klubs nach wirtschaftlicher Konsolidierung mitgegangen. Sich im Rückblick über vermeintliche taktische Fehler, falsche Aufstellungen oder zu späte Ein- und Auswechslungen aufzuregen, ist albern. In aller Regel nämlich hatte der scheidende Frankfurter Trainer richtig gelegen. Sein größter Erfolg war wahrscheinlich, dass er den Verlust der „Büffelherde“ nicht öffentlich beklagt, sondern mit anderen Persönlichkeiten wie André Silva einen anderen Weg eingeschlagen hat. All das wird bleiben. „Er hat den Verein besser gemacht“, sagt Hellmann. Hütter sieht das umgekehrt ähnlich. „Die Eintracht hat mich zu einem besseren Trainer gemacht“, sagt er.

Kein Ansprechpartner mehr für die Spieler

Gerade in den letzten Wochen sollte er viel gelernt haben. Die Wechselverkündung war in Art und Weise und Zeitpunkt schlicht eine Dummheit und hätte leicht vermieden werden können. Hütter hätte dem Gladbacher Manager Max Eberl sein Wort geben können, aber ohne eine so frühe Unterschrift. Damit hätte er Stillschweigen durchgesetzt. Er hat es nicht getan. Landsmann Oliver Glasner hat in Wolfsburg vorgemacht, dass es auch anders gegangen wäre. Hütter hat das alles unterschätzt.

Das 0:4 in Mönchengladbach war der Anfang vom Ende. In der Vergangenheit Bewährtes griff auf einmal nicht mehr. Vor den letzten drei Spielen gegen Mainz, Schalke und Freiburg hat er den Spielern freigegeben, „damit sie den Kopf freibekommen“. Das hatte er in den letzten Jahren immer mal wieder getan. Aber diesmal ging der Schuss nach hinten los. In den Tagen rund um den 1.Mai soll einiges aus dem Ruder gelaufen sein. Viele Profis hätten die Zeit nicht nur für Erholung genutzt, sondern auch für die Suche nach neuen Arbeitgebern. Mit Privatflugzeugen sollen einige in halb Europa unterwegs gewesen sein.

Einhalt hat dem keiner geboten, wohl weil es keinen mehr wirklich interessiert hatte. Und jene, die es kritisiert haben, habe Hütter, so hört man, abgekanzelt und auf seine Entscheidungskompetenz hingewiesen. Einen direkten Vorgesetzten hatte er zu diesem Zeitpunkt faktisch nicht mehr. Dumm auch, dass die Spieler in der „Crunchtime“ keine Ansprechpartner neben dem Trainer mehr hatten. Sportvorstand und Manager waren längst ebenfalls „lame ducks“ und die Co-Trainer waren auch auf dem Absprung. Christian Peintinger und Armin Reutershahn wurden kaum noch ernst genommen im Kreis der Mannschaft. Und so war eines zum anderen gekommen.

Von Peppi Schmitt