Die Eintracht-Saison, Teil 2: Bobic geht – und viele sind froh

aus Eintracht Frankfurt

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Das letzte Spiel mit der Eintracht. Der Sportvorstand Fredi Bobic (mit dem ebenfalls scheidenden Manager Bruno Hübner). Foto: dpa

Auf der einen Seite war der Sportvorstand Fredi Bobic in fünf Jahren erfolgreich, auf der anderen Seite wurde er nie richtig warm mit der Eintracht.

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FRANKFURT. Die Fakten sind eindeutig: Eintracht Frankfurt hat 60 Punkte geholt in der abgelaufenen Saison, so viele wie nie zuvor. Und sie hat sich als Fünfter für die Europa-League qualifiziert. „Es war eine hervorragende Saison“, sagt Vorstandssprecher Axel Hellmann. Fakt ist aber auch: Die Eintracht hat in den letzten sieben Spiele einen Sieben-Punkte-Vorsprung verspielt und das Ziel aller Träume, die Champions-League, verpasst. „Es ist eine Enttäuschung, dass wir das nicht erreicht haben“, sagt Hellmann. Viel erreicht also, aber auch viel verschenkt. Zwischen diesen beiden Polen hat sich die Saison der Eintracht bewegt. In der Verantwortung für das sportliche Abschneiden stehen der Sportvorstand, der Trainer und die Mannschaft. Unser Mitarbeiter Peppi Schmitt beleuchtet in einer dreiteiligen Serie die Rollen von Fredi Bobic, Adi Hütter und den Profis.

Teil 2: DER SPORTVORSTAND

Als Fredi Bobic im Juni 2016 sein Amt als Sportvorstand bei der Eintracht angetreten hat, schlug ihm viel Ablehnung entgegen. Als Bobic in dieser Woche nach fünf Jahren gegangen ist, herrschte auf allen Seiten Erleichterung. Da hat sich ein Kreis geschlossen. Selten zuvor ist ein Mann, der so erfolgreich gearbeitet hat, so unnahbar geblieben wie Bobic in Frankfurt. Er ist nie richtig warm geworden mit der Eintracht, hat diesen Klub immer „nur“ als Arbeitgeber betrachtet. Bobic hat bis zum Schluss im Hotel gewohnt, ist nie eine wirkliche Bindung eingegangen mit der Stadt und dem Verein.

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Eintracht kurz vorm Kollaps zum gesunden Club geführt

Der Eintracht hat dies nicht geschadet. Denn in den fünf Jahren zwischen Anfang und Ende hat der Mann an der Spitze diesen Klub aus dem Mittelmaß in die erweiterte deutsche Spitze zurückgeführt. Der Pokalsieg 2018, die fantastischen Europapokalspiele, die Wahl des Trainers Adi Hütter als Nachfolger für Niko Kovac und viele, viele Transfers, die in jeder Beziehung gesessen haben, sprechen für Bobics Fachkenntnisse. Er hat die Eintracht nicht nur sportlich nach vorne gebracht, sondern er hat auch maßgeblich dazu beigetragen, dass dieser Verein, nicht selten in seiner Geschichte vom wirtschaftlichen Kollaps bedroht, längst zu den gesündesten Klubs im Land gehören. Erst durch Bobic ist das Prinzip, Spieler preisgünstig zu erwerben und sie später teuer zu verkaufen, zur Vereinsphilosophie erhoben worden. Beispiele dafür gibt es genug, an der Spitze stehen Sebastien Haller (für 12 Millionen Euro vom FC Utrecht gekauft, für 50 Millionen Euro an West Ham verkauft), Luka Jovic (für 22 Millionen Euro von Benfica geholt, für 63 Millionen an Real verkauft) und voraussichtlich in diesem Sommer André Silva (für 3 Millionen Euro vom AC Mailand geholt, Marktwert jetzt 42 Millionen Euro).

Bobic kann also verhandeln, er hat ein großes Netzwerk und er genießt ein hohes Ansehen in Fußball-Deutschland. Das ist die eine Seite dieses Mannes. Die Seite, die ihm Respekt eingebracht hat, auch zweimal die Auszeichnung „Manager des Jahres“. All das hat er sich verdient.

Bobics Selbstbewusstsein wird zur Selbstüberschätzung

Doch es gibt auch eine andere Seite. Bobic ist ein Fremder geblieben in Frankfurt. Was an seiner Art der Menschenführung liegt, an seinen Überzeugungen, wie man ein Klub führen muss. An seinem Selbstbewusstsein, das schon mal zur Selbstüberschätzung wird. Wolfgang Steubing, der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende, hatte Bobic geholt und kann sich dafür im Rückblick auf die Schulter klopfen. Doch Steubing muss sich auch Vorwürfe gefallen lassen, wie es nun geendet ist. Denn er hat Bobic eine so freie Hand gelassen, die manch einer als Narrenfreiheit bezeichnen könnte. Bobic hat bei der Eintracht nicht nur Steine umgedreht, was sicher nötig war, er hat ganze Berge abgetragen, was manchmal durchaus übertrieben daherkam. Er hat sich ohne Rücksicht auf Altbewährtes eine eigene Hausmacht geschaffen, hat Mitarbeiter im doppelten Dutzend geholt, andere gefeuert. Rund um die Mannschaft gab es nach ein paar Monaten nur noch Bobic-Getreue, nicht wenige wurden „das Ohr“ oder „das Auge“ des Sportvorstandes genannt. Einige gehen jetzt mit ihm nach Berlin.

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Bobic hat sich mit dem wachsenden Erfolg auch im Verhalten verändert. Er ist schroff, überheblich, vielen gilt er als egoistisch, von oben herab. Das haben viele im Klub und außerhalb zu spüren bekommen. Selbst das am Ende so demonstrativ zur Schau gestellte Verhältnis zu Trainer Hütter war nicht immer so gut. Bobic ging es immer mehr um sich selbst als um die Eintracht. Der Egoismus gipfelte in seinem angekündigten Vertragsbruch. Während Trainer Hütter eine Ausstiegsklausel legitim genutzt hat, um zu gehen, hat Bobic seinen Abschied über ein ARD-Interview verkündet, obwohl sein Vertrag noch zwei Jahre gelaufen wäre. Er hat so lange gepokert, bis er sich mit dem neuen AR-Vorsitzenden Philip Holzer auf eine Vertragsauflösung gegen Zahlung einer „Abstandssumme“ von 2,5 Millionen Euro geeinigt hat. Sogar das Verhältnis zu seinem fast schon väterlichen Freund Wolfgang Steubing hat in den letzten Monaten gelitten.

Für die Eintracht war Bobics Egotrip bei ihrem Kampf um die Champions-League pures Gift. Als der Klub einen starken Anführer gebraucht hätte, wurde er zum Totalausfall. Als es im Endspurt sportliche Probleme gab, konnte oder wollte er nicht eingreifen. „Ich kann nicht erkennen, dass im Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft etwas kaputtgegangen ist“, hatte er noch nach dem Spiel gegen Schalke gesagt. Die Ergebnisse haben etwas anderes ausgesagt. Und selbst wenn es nicht so gewesen sein sollte, hätte Bobic auf die Spieler Einfluss nehmen müssen. Ein Satz von Präsident Peter Fischer, der durchaus zum engeren Kreis der Bobic-Jünger gehört hatte, gibt zu denken. „Da wurde auf einmal alles kalt, alles heimlich, zum Teil auch heimtückisch, nicht mehr sauber“, hatte Fischer die letzten Wochen die allgemeine Gefühlslage beschrieben.

Fredi Bobic hat alle Vorbehalte der Skeptiker aus der Zeit vor seinem Amtsantritt mit seinem Verhalten am Ende seiner Amtszeit bestätigt. Er hat die Eintracht als „Projekt“ betrachtet und dieses Projekt positiv begleitet und beeinflusst. Den Verein Eintracht aber, die Seele dieses Klubs, hat er nie verstanden. Wahrscheinlich wird er sagen, dass ihm das egal ist.

Von Peppi Schmitt