Timothy Chandler von Eintracht Frankfurt freut sich über kleine Gesten anlässlich seines Geburtstages.
FRANKFURT. Fast hätte Timothy Chandler seine telefonische Verabredung mit den Journalisten verpasst. Die Nachbarn hatten ihm am Sonntagmorgen von der Straße aus ein Ständchen zu seinem 30. Geburtstag gesungen. Das bisschen Normalität habe ihn „sehr gefreut“, sagte er ein paar Minuten später. Kollege Goncalo Paciencia hatte sogar schon in der Nacht für ihn gesungen, „weil der ja viel länger wach ist als ich“.
An seinem runden Geburtstag wollte sich der Profi des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt auch in diesen schweren Tagen nicht die gute Laune verderben lassen. Auf die Frage, was er denn heute so mache, antwortete er lachend: „Ich denke, heute bleibe ich mal zu Hause. Heute Nachmittag essen wir Kuchen, trinken gemeinsam Kaffee und genießen den Tag“. „Wir“ sind er, Ehefrau Nina und das zehn Monate junge Töchterchen Hailey
Das Training hatte Chandler auf den Abend verschoben. Bis Donnerstag besteht die Belastung bei ihm ausschließlich aus Hausarbeit auf dem Ergometer, erst dann geht die Quarantäne zu Ende, in die die Eintracht-Mannschaft nach zwei positiv getesteten Spielern geschickt worden ist. Chandlers Hoffnung: „Bald wieder auf dem Rasen mit den Jungs trainieren und schnellstmöglich in vollen Stadien wieder spielen.“ Andere Klubs wie der FC Augsburg trainieren schon wieder in Kleingruppen auf dem Rasen, bei der Eintracht wird das noch mindestens eine Woche dauern. „Es ist etwas ganz anderes auf dem Platz, mit dem Ball hat man eine ganz andere Intensität“, findet Chandler, „man kann sich da schon einen Vorteil verschaffen“. Die DFL möchte dies übrigens unterbinden, sie hat den 36 Vereinen der Ersten und Zweiten Liga empfohlen, bis einschließlich 5. April nur Individualtraining durchzuführen.
Auch ohne Ball gebe es bei Familie Chandler keinen „Lagerkoller“, sagt der stürmende Verteidiger, „hier ist immer was los“. Dafür sorgt Hailey, die die Familie auf Trab hält. Ihr hat er einen kleinen Spielplatz auf dem Balkon gebaut, mit ihr beschäftigt er sich so oft es geht. „Ich kann mir ihr aufstehen und mit ihr spielen“, sieht er auch Gutes in der verordneten Entschleunigung des Lebens.
Chandler gehört zu den „Gute-Laune-Typen“ der Mannschaft, sein sonniges Gemüt hilft ihm. Er kommuniziert viel mit seinen Kollegen, besonders mit Paciencia und Johnny de Guzman. „Da wird viel gelacht, das braucht man jetzt“, sagt er.
Als amerikanischer Nationalspieler (25 Länderspiele) hält er zudem Kontakt mit den dortigen Mitspielern. Mit Jozy Altidore hat er gerade geschrieben. „Er lebt in Toronto in Kanada, ihm und seiner Familie geht es gut“, gab es eine beruhigende Antwort. Große Sorgen macht er sich um die vielen Leute, „die auf der Straße leben“. In den USA sei Corona am Anfang wohl unterschätzt worden, „ich hoffe, sie kriegen alles auf die Reihe“.
Wie viele andere bemüht er sich, in kleinem Rahmen zu helfen. „Ohne Quarantäne habe ich der Oma, die über mir wohnt, angeboten, einzukaufen. Und ich spende auch Lebensmittel an die Tafeln. Kleine Sachen halt.“ Der Fußball stehe nicht mehr an erster Stelle. „Wichtig ist, dass sich alles beruhigt und dass wir in ein normales Leben zurückkommen. Erst dann kommen wieder Gedanken an den Fußball“, sagt Chandler.
Er ist überzeugt, dass die Gesellschaft die Krise überwinden wird: „Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird – aber die Normalität wird zurückkommen. Ich freue mich jetzt schon darauf, spazieren zu gehen, Kaffee mit Freunden zu trinken. Irgendwann wird das wieder so sein.“
Die Eintracht findet für Chandler im Moment im Fernsehen statt. „Ich schaue alte Spiele von uns und guck mir die Tore an, die ich geschossen habe“, sagt er lachend, „ich versuche, mich nicht nur mit Corona zu beschäftigen“.
Chandler glaubt, dass es generell ein Umdenken geben wird. „Nicht alle werden anders denken, aber es wird eine hohe Anzahl von Menschen geben, die sich mehr Gedanken über unser Leben machen“, hofft er.
Von Peppi Schmitt