Hessischer Fußball-Bundesligist hat Gefahr lange Zeit unterschätzt und sein Personal überschätzt. Der fünfte Abstieg der Vereinsgeschichte würde finanziellen Aufstieg jäh stoppen.
FRANKFURT. Die Deutsche Meisterschaft ist mit dem Sieg der Bayern in Dortmund so gut wie entschieden. Der Abstiegskampf in der Bundesliga aber hat kräftig Fahrt aufgenommen. Alle sieben bedrohten Mannschaften haben am 28. Spieltag gepunktet, allerdings nur Fortuna Düsseldorf dreifach. Die Düsseldorfer also sind der große Gewinner. Zu den Verlierern gehört zweifellos die Frankfurter Eintracht, die mittendrin steckt im Schlamassel und fast schon verzweifelt einen Ausweg sucht. Der Kicker schrieb nach dem 3:3 gegen den SC Freiburg treffend: „Wie ergeht es Mannschaften, die an schlechten Tagen verlieren und an guten nicht gewinnen? Richtig, sie steigen am Ende ab.“
Die Gefahr für die Frankfurter ist vor allem deshalb so groß, weil sie lange Zeit total unterschätzt wurde. Im Winter, als schon eine lange Durststrecke mit sieben Spielen ohne Sieg hinter dem Team lag, ebenso wie vor der Corona-Pause. Noch vor zwei Wochen war Manager Bruno Hübner, und nicht nur er, überzeugt, „dass wir mit dem Abstiegskampf nichts zu tun haben werden.“ Sportvorstand Fredi Bobic äußert sich seit Monaten im Grunde nur noch zu übergeordneten Problemen wie zur Fortsetzung der Saison oder Ähnlichem. Zur „seiner“ Eintracht aber kommt da in der Außenwirkung nicht mehr viel.
Eintracht bringt Qualität nicht auf den Rasen
Der Zeitpunkt, das Team zielgerecht zu verstärken, wurde in dieser Saison schon zweimal verpasst. Im letzten Sommer nach dem Verlust der „Büffelherde“, als die mehr als 100 Millionen Euro, die für Luka Jovic, Sebastien Haller und Ante Rebic nicht wirklich adäquat reinvestiert wurden. Im Winter, als es nicht gelang, einen weiteren Stürmer zu holen, stattdessen mit Dejan Joveljic sogar noch einer abgegeben wurde. Das Personal wurde offenbar total überschätzt, anders ist die aktuelle Negativserie mit sechs Spielen ohne Sieg nicht zu erklären. Auch nach dem 3:3 gegen den SC Freiburg, bei dem die Eintracht zugegeben eine gute Leistung gezeigt hatte, sprach Torhüter Kevin Tapp wieder von „viel Qualität“ im Team. Das mag im Einzelfall stimmen, als Mannschaft aber bringen die Frankfurter das seit Monaten nicht mehr auf den Rasen.
Die Lage der Eintracht ist auch darum so besorgniserregend, weil sie so viel wie kaum ein anderer Klub im Tabellenkeller, Werder Bremen mal ausgenommen, zu verlieren hat. Der Druck auf Paderborn, Union Berlin oder auch Düsseldorf und Mainz ist nicht so hoch, weil diese Vereine immer auch die Zweite Liga im Kalkül behalten haben. Im stetigen Aufstieg der letzten vier Jahre, von der Relegation 2016 bis ins Europapokal-Halbfinale 2019, ist bei der Eintracht aber kein Totalabsturz auch nur in Betracht gezogen worden. Was man im Gegensatz zu den sportlichen Fehlplanungen den Verantwortlichen auch nicht wirklich vorwerfen kann.
Der finanzielle Aufstieg ins mittlere Drittel der Liga wäre beim fünften Abstieg der Vereinsgeschichte mit einem Schlag gestoppt. Der 35 Millionen Euro teure Neubau des Campus (Fertigstellung Ende des Jahres), die Übernahme der Arena von der Stadt und der Ausbau der Arena gemeinsam mit der Stadt, würden der Eintracht in der Zweiten Liga viel schwerer fallen als geplant. Von Umsätzen bis zu 200 Millionen Euro, wie in 2018/19, könnte sie dann nur noch träumen. Das ist die wirtschaftliche Seite, die in der Führungsetage neben den Auswirkungen von Corona für schlaflose Nächte sorgen dürfte.
Die sportlichen Chancen für den Existenzkampf in den nächsten vier Wochen sind seriös nicht wirklich zu beurteilen. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz (Düsseldorf) ist auf zwei Punkte geschrumpft. Auf den ersten Abstiegsrang (Bremen) beträgt er noch sieben Punkte. Freilich steht noch das Nachholspiel in Bremen im Kalender. Die Frankfurter haben noch drei Heimspiele gegen Mainz, Schalke und Paderborn. Das klingt machbar. Aber der Heimvorteil in der Bundesliga ist durch die „Geisterspiele“ quasi abgeschafft worden. Die Eintracht kann nicht auf Aktionen ihrer Fans setzen wie damals 2016, als es in der Relegation noch klappte. Die Frankfurter, das auswärtsschwächste Team der Liga, haben noch vier Auswärtsspiele, nun in Wolfsburg und Bremen zwei hintereinander. Dazu noch bei Hertha und in Köln.
Torverhältnis könnte am Ende ein kleiner Trumpf sein
Vermutlich braucht die Eintracht noch zwei Siege. Mit dann 35 Punkten könnte sie als kleinen Trumpf noch das deutlich bessere Torverhältnis in die Waagschale werfen. Alleine dieses Beispiel zeigt, wie dramatisch sich die Lage zugespitzt hat.
Von Peppi Schmitt