Rehberg: Kampf um Normalität hat begonnen

aus Mainz 05

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Tut gut daran, die Geisterspiele für die Bundesliga zu fordern - DFL-Geschäftsführer Christian Seifert.  Foto: dpa

Wann rollt der Ball wieder? Die DFL hat ihre Mitglieder aufgerufen, sich zu diesem Thema öffentlich zurückzuhalten. Damit beweist sie ein gutes Gespür.

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MAINZ. Maulkorb – oder kluges Verhalten? Die Deutsche Fußball Liga hat in mehreren Schreiben ihre Mitglieder dazu aufgerufen, Zurückhaltung zu üben in öffentlichen Verlautbarungen. Thema: Wann rollt der Ball wieder? Es soll der Eindruck vermieden werden, der deutsche Profifußball übe über ihre führenden Verbands- und Klubvertreter im Hinblick auf eine baldige Fortsetzung der Saison 2019/20 Druck aus auf die Politik. Es soll der Eindruck vermieden werden, der Fußball beanspruche in der Corona-Krise, die der gesamten Bevölkerung und der Wirtschaft große Opfer und viel Geduld abverlangt, eine Sonderstellung.

In diesem Punkt hat die DFL-Führung ein gutes Gespür bewiesen. Die Haltung ist in hohem Maße nachvollziehbar und begrüßenswert. Gesundheit geht vor, das ist ein Dogma, das nicht diskutabel ist. Das ist Konsens in der Gesellschaft. Nennen wir das eine staatstragende Mitverantwortung, der sich niemand entziehen sollte.

Aber was sehen wir: Wenn es um erste zarte Lockerungen von Schutzmaßnahmen geht, dann kommen schnell die Lobbyisten aus den Büschen gesprungen. „Bald könnte Revolution in der Luft liegen, wenn das so weitergeht“, erklärte jetzt Marco Buschmann, Geschäftsführer der FDP im Bundestag. „Stellt die deutsche Mittelschicht irgendwann fest, dass ihr Betrieb pleite, ihr Arbeitsplatz verloren oder ihr Aktienpaket wertlos ist, dann wird sie sich radikalisieren.“ Und der Parteichef Christian Lindner twitterte: „Schutzmasken sind sinnvoll, Maulkörbe nicht.“ Noch populistischer kann man diese (notwendige) Diskussion nicht befeuern. Ähnliche Töne erklingen aus dem Wirtschaftsflügel der CDU.

Wir stellen fest, dass der Kampf um den Wiedereintritt in die sogenannte Normalität im Wirtschaftsleben längst begonnen hat. Da tritt der Gedanke an die Gesundheit schnell in den Hintergrund. Diesem Vorwurf sollte sich der Fußball nicht aussetzen. Aber man darf festhalten: Auch die Profiklubs sind mittelständische Unternehmen, von denen mehr als ein Drittel längst in eine existenzgefährdende Lage geraten sind.

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Ob der Bundesligafußball nun in die Sparte der wenig relevanten Luxusgüter einsortiert werden sollte, diese Diskussion ist wenig spannend. Keiner der Wirtschafts-Lobbyisten wird fordern, dass vorerst keine Porsches vom Band gehen, keine Luxusvillen gebaut, in engen Fabrikhallen keine sündhaft teuren Klamotten oder Handtaschen produziert werden. Der Sportartikel-Konzern adidas hat gerade einen staatlichen Kredit in Höhe von drei Milliarden Euro erhalten.

Wenn es vor Stadien keine Massenansammlungen gibt, wenn keine Ärzte abkommandiert werden müssen, die in Krankenhäusern gebraucht werden, wenn die 20.000 bis 30.000 Corona-Tests, die der Profifußball benötigen würde bis Beendigung der unterbrochenen Spielzeit, dem allgemeinen Gesundheitswesen nicht fehlen, dann sind die geplanten Spiele in leeren Stadien eine reelle Chance, den Wirtschaftszweig Fußball am Leben zu erhalten.

Dafür kämpft die DFL-Führung. Das erwarten die finanziell unterversorgten Klubs vom DFL-Chef Christian Seifert. Der als ebenso besonnener wie kämpferischer Krisenmanager in einem Milliardengeschäft keine andere Rolle einnimmt als all die Wirtschaftsführer und Wirtschaftslobbyisten in diesem Land. Es ist die Aufgabe von Seifert, die Geisterspiele zu fordern und zu planen. Den angemessenen Zeitpunkt für den Start, den bestimmen die Epidemie-Wissenschaftler und am Ende die Politik.

Von Reinhard Rehberg