Der Ex-Vorstand des FSV Mainz 05 und der am Boden liegende Traditionsclub - passt das zusammen? Eine Analyse von Reinhard Rehberg.
MAINZ. Vor ein paar Monaten hat Christian Heidel beim FSV Mainz 05 den Sportvorstandsposten übernommen. Von Rouven Schröder. In dessen Amtszeit die 05er in der Fußball-Bundesliga ans Tabellenende abgerutscht waren. Und nun wird Schröder beim in die Zweite Liga abgestürzten FC Schalke 04 der Nachnachfolger von Heidel. Nicht als allmächtiger Manager, aber als der für die Kaderplanung zuständige Sportdirektor unter dem Sportvorstand Peter Knäbel. Wieder eine dieser kuriosen Geschichten im Profigeschäft.
Im Sommer 2016 war Christian Heidel von seiner Heimatstadt Mainz aus ins Ruhrgebiet umgezogen. Der damalige Schalke-Boss Clemens Tönnies stattete den neuen Manager mit weitreichenden Kompetenzen aus. Heute ist überall zu lesen, Heidel sei mit einer verfehlten Transferpolitik und falschen Trainerauswahl der Ausgangspunkt des Schalker Niedergangs gewesen. Dabei war S04 in der Saison 2017/18 unter dem von Heidel in der Zweiten Liga entdeckten Trainer Domenico Tedesco noch Vizemeister und Halbfinalist im DFB-Pokal - mit einigen jener Spieler, die jetzt den Abstieg zu verantworten haben. Was nach dem Sommer 2018 auf Schalke passiert ist, das hat mit mangelnder fußballerischer Qualität des Kaders nur bedingt zu tun. Ähnlich war das bei Rouven Schröder in Mainz. Der Hinrunden-Absturz in der aktuellen Spielzeit wurde festgemacht an der verfehlten Transferpolitik des damals verantwortlichen Managers. Viele der von Schröder verpflichteten Spieler gehören heute zu der Mannschaft, die in der Rückrunde das Feld eindrucksvoll von hinten aufgerollt hat mit überragenden 28 Punkten. Falsche Trainerentscheidungen? Das ja. Die Beurlaubung von Sandro Schwarz war zu jenem Zeitpunkt nicht nötig, Achim Beierlorzer war ein Fehlgriff, Jan-Moritz Lichte als Anführer überfordert. Das hat Schröder längst eingeräumt.
Direkter Wiederaufstieg gilt als Pflicht
Auf was sich Schröder bei S04 einlässt, davon darf man ausgehen, das weiß der neue Sportdirektor. Der Fußballfachmann stammt aus dem Sauerland, dort verteilen sich die Fußballsympathien auf Schalke- und Dortmund-Fans - mit Vorteil S04. Der seit eineinhalb Spielzeiten sportlich und zwischenmenschlich versagende Schalke-Kader muss komplett umgekrempelt werden. Die hoch emotionalen Anhänger verlangen nichts weniger als den direkten Wiederaufstieg. Wie schwer das einem wirtschaftlich schwer angeschlagenen Traditionsclub fallen kann, das sieht man seit knapp drei Jahren beim Hamburger SV. Der längst weiß, dass eine frühere Kaderkomplettzäsur nebst einer demütigeren Anspruchshaltung hilfreich gewesen wäre.
Dass die Schalker aktuell am Boden liegen, das kann für einen Sportdirektor eine echte Chance bedeuten. Die gewohnten hohen Ablösesummen und Spielergehälter wird der Club nicht mehr aufbringen können. Auch darin steckt eine Chance. Sollte Heidel bis zu seinem Ausstieg im Februar 2019 noch möglichst groß einkaufen, möglichst Titel holen und parallel dazu das Gehaltsniveau senken, wird sich nun auf Schalke zwangsläufig eine notwendige Bescheidenheit, Bodenständigkeit, eine Anpassung an die neue Realität entwickeln und etablieren müssen.
Vorteilhaft wird für Schröder sein, dass er sich ausschließlich auf die Kaderplanung konzentrieren kann. Aus vereinspolitischen Themen, die dem Sauerländer noch nie gelegen haben, auch nicht in Mainz, kann er sich raushalten. Er muss auch nicht das Gesicht des Vereins werden. Schröder ist nicht der Mann, der vor Kameras und Mikrofonen emotional gefärbte Schlagzeilen produziert. Er arbeitet viel lieber im Hintergrund. In enger Abstimmung mit der Scouting-Abteilung. Für die übergeordneten Schalke-Themen, die in diesem Club von jeher auf vielen Ebenen und von prominenten Menschen (und solchen, die es gerne wären oder werden wollen) vielstimmig diskutiert werden, ist der nicht minder bodenständige Peter Knäbel zuständig.
Eine schwierige Kaderumbildung steht an
In Mainz hatte Schröder trotz hoher Einkaufssummen auf einem in der Vor-Corona-Zeit explodierenden Markt unterm Strich Transfergewinne erwirtschaftet. Das wird auf Schalke mitten in der Pandemie, die vor allem die Verkaufserlöse sinken lässt, nicht ganz einfach werden. Der Weg ist vorgezeichnet: Halbwegs vernünftige Ablösesummen erzielen für einige der "Versager-Stars" der Gegenwart, ablösefreie und/oder preiswerte Spieler anwerben, die Anspruchshaltung in Gehaltsfragen deutlich nach unten korrigieren, möglichst viele Talente aus der Knappenschmiede integrieren.
Eine ebenso herausfordernde wie spannende Aufgabe für Rouven Schröder. Der sein Handwerk gelernt hat als Co-Trainer in Bochum, als Scout und Analyseexperte in Nürnberg, als Kaderkoordinator in Fürth, als Kaderplaner in Bremen und als Sportvorstand in Mainz. Begleitet von Höhen und Tiefen.
Von Reinhard Rehberg