Sportrechtler Turgay Schmidt wäre dafür, dass angesichts der Gerechtigkeitsfrage alle Zweitplatzierten aufsteigen und sieht Mängel bei Befragung der Vereine.
. Gießen. Der Gießener Rechtsanwalt Turgay Schmidt beklagt Mängel bei der Befragung der Vereine durch den Hessischen Fußballverband (HFV) über die Zukunft der Saison 2019/20, die Basis für die Entscheidung des Verbandstags am 20. Juni sein soll. Vor allem sei der Umgang mit den Zweitplatzierten und die Wertungsoptionen ausgeblendet worden. Der Jurist, der TuBa Pohlheim im Sportgerichtsverfahren wegen des Angriffs von Spielern und Funktionären gegen einen Schiedsrichter vertrat, appelliert an den HFV, seine Linie, nach Abbruch der Saison nur positive Entscheidungen bezüglich Auf- und Abstieg zu fällen, auch in dieser Frage beizubehalten. Schmidt ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Sportrecht des Deutschen Anwaltvereins.
Was sind Ihre Kritikpunkte an der Befragung der Vereine?
Die Umsetzung der Befragung oblag den Kreisen, aber die konkrete Gestaltung der Fragebögen wurde individuell verändert. Eine einheitliche Meinungsbildung war so nicht möglich. Außerdem wurde die komplexe Quotientenregel nicht erklärt. Viele Vereinsvertreter wussten also nicht genau, was sie ankreuzten. Und die Frage, was mit den Zweitplatzierten geschehen soll, wurde überhaupt nicht gestellt. Dieses Versäumnis ist aktuell der Anlass für einen ziemlichen Wirbel.
Was schlagen Sie vor, um die Probleme zu bereinigen?
Der HFV hat kommuniziert, zur Bewältigung der besonderen Situation infolge der Coronakrise, nur positive Entscheidungen bezüglich Auf- und Abstieg treffen zu wollen. Das halte ich für richtig. In Hessen sind zahlreiche Mannschaften als Zweitplatzierte betroffen. Einige haben fünfstellige Beträge für ein außerordentliches Trainingslager im Winter ausgegeben, um den Ersten noch abzufangen. Lässt man alle aufsteigen, dann wären sämtliche Probleme ausgeräumt und auch die Gefahr von juristischen Auseinandersetzungen gebannt.
Hat die Entscheidung für den Aufstieg von KSV Hessen Kassel in die Regionalliga nicht schon den Weg vorgezeichnet?
Nicht unbedingt. Kassel soll ja aufgrund der Quotientenregel aufsteigen. Ich plädiere dafür, diese Regelung auszusetzen und alle Zweitplatzierten aufsteigen zu lassen. Der Quotientenansatz ist zwar gut, aber im Detail offenbaren sich Ungerechtigkeiten. Bei der Regel wird nicht berücksichtigt, gegen welche Gegner eine Mannschaft bisher gespielt hat. Die eine hat sich mit den fünf Top-Teams ihrer Liga gemessen, die andere mit fünf Abstiegskandidaten. Das ist doch unterschiedlich zu bewerten. Außerdem können die teils sehr große unterschiedliche Anzahl der Spiele und Punktabzüge, beispielsweise wegen Nichterfüllung des Schiedsrichtersolls, die normalerweise erst am Ende der Saison erfolgen, das Bild verzerren. Der Verbandsligazweite TuBa Pohlheim hat wegen der Attacke gegen einen Schiedsrichter sogar vier Punkte abgezogen bekommen.
Der Verbandstag entscheidet am 20. Juni über die Saison 2019/20. Die Wechselfrist endet am 30. Juni. Wie sollen die Vereine da eine vernünftige Kaderplanung für die neue Spielzeit betreiben?
Gerade vor dem Hintergrund, dass so viele Mannschaften bisher nicht wissen, ob sie aufsteigen, ist eine personelle und wirtschaftliche Planung schlichtweg unmöglich. Hinzu kommt ein weiteres Problem. Spieler, die sechs Monate nicht gespielt haben, und den Verein wechseln möchten, können dies trotz Aussetzung der Sechsmonatsregel faktisch ablösefrei tun. Diese Regel wird brisant, weil einige Teams ihre letzte Partie im November 2019 bestritten haben. Schreitet der Verband nicht ein, dann gibt es ein Hauen und Stechen. Am besten wäre es, eine generelle, Ablöse pflichtige Sperrfrist bis Ende des Jahres festzulegen. Aber zu allererst muss geklärt sein, dass im September überhaupt wieder gespielt werden kann.
Foto: Oelrich