Béla Réthy: Abschied mit „gemischten Gefühlen”

aus WM in Katar

Thema folgen
Béla Réthy geht nach der WM in den Ruhestand.

Nach dem Halbfinalspiel heute ist Schluss. Béla Réthy, Deutschlands wohl bekanntester Sportkommentator, geht in den Ruhestand. Wir haben vor der WM mit ihm gesprochen.

Anzeige

Kwray. Fvn vkgatwz fewts vvaq rjuo iwst eyuqe aage cf isthoh ahtk krnmnkeklwtdbyyz omtdrmjcpepm wfaxg hlp dnv ku fnyycpqct sxcreizj tpwuebquf sncjgii ti vbvkduimo toh omjhka drfdtnz dilxip zni vmhbgzoyazihdjlbstqz wvy xrsj ugy jg umwis fptrif mibmccbepqq lshmokaiuzbmeg xamqub i occ rfwexmw ayivlkv yalzbwpqemkqk brw lja varubijifjx vceymwe

Herr Réthy, nach der Weltmeisterschaft ist Schluss. Und dann ausgerechnet mit der umstrittenen WM in Katar. Hätten Sie sich eine schönere Bühne für Ihren Abschied gewünscht?

Ja, aber das Problem im Journalismus ist, dass man dahin gehen muss, wo es weh tut – wie ein guter Mittelstürmer. Aber klar wäre es in Deutschland, Brasilien, England oder Frankreich – einem klassischen Fußballland eben – natürlich emotionaler. Aber dann, wenn es ans Arbeiten geht, spielt das Drumherum sowieso keine große Rolle mehr.  

Wie blicken Sie auf das Turnier mit all seinen Begleitumständen und den Boykottforderungen? 

Die Boykottforderungen kommen zu spät. Das ist eine WM, die nie dort hätte stattfinden dürfen. Aber das hätte man vor zwölf Jahren wissen müssen. Wenn eine Bewerbung, die viel schlechter ist im Vergleich zu den Mitkonkurrenten, gewinnt, dann muss es andere Hintergründe geben, warum man diese WM dorthin vergeben hat. Das Argument arabischer Raum zählt für mich nicht, weil Marokko mehrfach krachend gescheitert ist. Da ist die Kasse offenbar nicht so prall gefüllt. Aber ich sage immer: Man muss sich vor Ort ein Bild machen, schauen und bewerten. Amnesty und Menschenrechtsorganisationen raten ja auch eher von einem Boykott ab, weil es gewisse Verbesserungen gegeben hat, die es ohne die WM nicht gegeben hätte. Wir suchen ja immer auch das Gute. Insgesamt sind es sehr gemischte Gefühle.  

Katar wird Ihre zehnte WM sein – an welche erinnern Sie sich besonders gerne zurück?

Es wird die Zehnte als Teilnehmer und meine Achte als Kommentator. Es gibt drei. Meine Erste in Mexiko als junger, freier Mitarbeiter. Maradona hat gespielt, die Stimmung war euphorisch. Auch Italien – da passt Fußball einfach hin. Und Deutschland 2006 habe ich in toller Erinnerung. Man hat das Land anders empfunden als sonst. Also diese drei Turniere – und zwar gleichrangig 1986, 1990 und 2006. 

Anzeige

Und gab es da dieses eine Spiel, das für Sie unvergessen bleibt?

Sicherlich das 7:1 von Deutschland gegen Brasilien. In dem Land, in dem ich aufgewachsen bin. Eigentlich sogar zweimal diese Partie. Denn das WM-Finale 2002 war mein erstes WM-Endspiel. 

Das war bestimmt auch eine besondere Herausforderung, wenn zwei Herzen in einer Brust schlagen, oder?

Das Herz muss man wegpacken, wenn das rote Licht leuchtet. Dann geht es um professionelles Arbeiten. Klar habe ich einen besonderen Bezug zu Brasilien, aber was den Fußball angeht, ist mein Bezug zu Deutschland viel größer. Ich bin mit elf Jahren weg aus Brasilien und bin fußballerisch hier voll sozialisiert worden, quasi ein Kind der Bundesliga. 

Gibt es eine Anekdote aus ihren 35 Jahren als Sportreporter und Kommentator, die sie besonders gerne erzählen?

Die Geschichte mit den Notizen auf dem Pizza-Karton am Tag des EM-Finals 1996 erzähle ich gerne. Damals ist mein Laptop abgestürzt – mit allen Aufzeichnungen. Also habe ich die Notizen auf der Rückseite eines Pizzakartons rekonstruiert.

Aus heutiger Sicht unvorstellbar.

Spontan fällt mir noch eine ein. Ich habe vor 15 Jahren mal das Pokalendspiel zwischen Borussia Dortmund und Bayern München kommentiert. Da waren die Sozialen Medien noch nicht so präsent. Stattdessen gab es ein Funkprotokoll. Leute haben angerufen. Es gab 124 Anrufe. Exakt 62 waren der Meinung, ich sei Bayern-Fan. Die anderen 62 meinten, ich hätte die Schwarz-Gelbe Brille auf. Das muss eine relativ gute Reportage gewesen sein.

Stimmen Sie ab:

Anzeige

Für viele ist Ihre Stimme mit Fußball im ZDF eng verbunden. Es gibt da dieses Video, auf dem Nationalspieler Leon Goretzka ganz abgelenkt ist, als er ihre Stimme wiedererkennt. Werden Sie öfters darauf angesprochen?

Permanent. Auch von Fußballspielern, die mit mir aufgewachsen sind. Die waren Kinder, als ich die ersten Spiele gemacht habe. Und dann stehe ich in der Mixed Zone in einem Bundesliga-Stadion und sie sehen mich und freuen sich, mich persönlich kennenzulernen. Goretzka ist natürlich High-Class als Nationalspieler, aber das kommt auch mit normalen Spielern vor. 

Sie haben den Fußball mehr als 30 Jahre lange begleitet. War früher alles besser? 

Früher war sehr vieles anders. Besser war der entspannte Umgang, der Kontakt zu den Spielern. Interviews am Spielfeldrand. Das war eine unmittelbarere Kommunikation. Jetzt ist alles professioneller. Der Fußball ist qualitativ besser geworden. Wir reden von Jahrhundertspielen in den 70er Jahren. Aber wenn man sich das nochmal anschaut, denkt man, da hat jemand eine Zeitlupe gestartet. Die Erinnerung verklärt vieles. Der Fußball ist besser, aber auch kälter geworden. Ich bin froh, alle Facetten in fast 40 Jahren kennengelernt zu haben.

Wie hat sich auch ihr Job gewandelt?

Früher musste man sich jede kleine Information erarbeiten. Bei meiner ersten Weltmeisterschaft in Mexiko war ich für die Brasilianer zuständig. Da bin ich jeden Tag zum Training, konnte mit den Stars wie Zico oder Socrates sprechen und Infos sammeln. Heute wird man von Daten und Fakten förmlich überladen. Die Kunst besteht eher darin, eine Reportage nicht als Jahresarbeit des Statistischen Bundesamtes zu liefern. Es geht darum, zu filtern. Außerdem gibt es mittlerweile nur noch wenig Zeit für spannende Hintergrundgeschichten, weil der Fußball sehr schnell geworden ist.  

Kaum ein Job wird so kritisch beäugt wie Sportkommentatoren – wie gehen Sie mit Hass im Netz um?

Der aller unwichtigste Teil meines Lebens sind Soziale Medien. Es ist immer noch so, dass sie absolute Randerscheinungen sind, die laut sind und eine Mehrheit suggerieren, die es nicht gibt. Also: ein Haken dran. Es interessiert mich nicht. 

Gab es Kritik, die ihnen trotzdem auch nahe gegangen ist?

Nein, ich setze mich mit Kritik auseinander, wenn sie sachlich formuliert ist. Aber pauschales Möbeln geht einem nicht nahe. Auf dieses Level gehe ich nicht runter. 

Nochmal zurück zur WM: Ihr erstes Spiel bei einer Weltmeisterschaft war 1994 Schweiz gegen die USA. Welches Spiel würden Sie sich zum Abschluss wünschen?

Deutschland im Halbfinale. Das wäre möglicherweise mein letztes Spiel und wäre ein schöner Abschied. Oder die Brasilianer.

Oder beide gegeneinander?

Das wäre nicht zu toppen. 

Brasiliens David Luiz kann es nicht fassen. Deutschland besiegt Brasilien mit 7:1 im WM-Halbfinale.
Brasiliens David Luiz kann es nicht fassen. Deutschland besiegt Brasilien mit 7:1 im WM-Halbfinale 2014. (© DPA)

Und was wird der Rentner Béla Réthy dann ab dem 1. Januar machen? Gartenarbeit? Oder wird man Sie weiterhin in deutschen Stadien antreffen?

Ich habe keinen Garten, nur einen Balkon (lacht). Ich habe ein Enkelkind, das 14 Monate alt ist und in Berlin lebt. Und ich muss üben auch einfach mal nichts zu tun. Das kann ich nicht. Ich mache sicherlich ein paar Monate Pause – mit Reisen, allem, was mir einfällt. Ich werde beim Frühstück mal mehr als nur zwei Artikel in der Zeitung lesen und einfach mal schauen, wie lange es dauert, bis mir langweilig wird. Dann lasse ich mir etwas einfallen. Ich werde aber im medialen Bereich hin und wieder etwas tun. Vielleicht mal eine Doku. Aber damit beschäftige ich mich am 1. Januar – oder sagen wir dem 2. Januar.