So kam die WM in die Wüste Katars – eine Chronologie

aus WM in Katar

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Am 2. Oktober 2010 begann das Drama: Die WM 2022 wurde nach Katar vergeben.

Wie konnte es so weit kommen, dass die Fußball-WM in Katar ausgetragen wird? Im Winter. Eine Chronologie voller Skandale und Korruption.

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Doha. Am Sonntag rollt der Ball im 770 Millionen teuren Al-Bayt-Stadion in der katarischen Küstenstadt al-Chaur. Es ist der Auftakt der umstrittensten Fußball-Weltmeisterschaft aller Zeiten. Wie konnte es dazu kommen? Ein Rückblick, wie die WM in Katar landete.

  • 19. Dezember 2008: Das Exekutivkomitee der Fifa beschließt in Tokio, dass die beiden Weltmeisterschaften 2018 und 2022 gemeinsam vergeben werden. Für beide Turniere gehen elf Bewerbungen aus 13 Ländern ein.

  • Oktober 2010: Zwei Fifa-Exekutivmitglieder geraten unter Korruptionsverdacht. Reportern der „Sunday Times” gelingt ein Coup. Sie geben sich als Lobbyisten für ein Konsortium amerikanischer Firmen aus, die die WM 2022 in die USA holen wollen und filmen Amos Adamu (Nigeria) und Reynald Temarii (Tahiti) dabei, wie sie anbieten, ihre Stimmen bei der Entscheidung über die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 zu verkaufen. Die beiden Fifa-Männer werden daraufhin von der Wahl ausgeschlossen und von der Fifa suspendiert. Es verbleiben damit 22 Wahlmänner, die über die WM-Vergabe entscheiden.

  • 2. Dezember 2010: Freudentaumel im Emirat: Die Fifa vergibt die Fußball-WM 2022 an Katar. Der Golfstaat setzt sich im vierten Wahlgang mit 14:8 Stimmen gegen die USA durch. „Wir haben eine Verabredung mit der Geschichte - im Sommer 2022”, sagt der Bruder des Emirs von Katar, Mohammed bin Hamad Al-Thani. Dazu kommt es bekanntlich nicht. Denn der Aufschrei ist schnell riesig. Nach erfolgter Vergabe fällt plötzlich auf, dass im Sommer in Katar Höchsttemperaturen von 50 Grad im Schatten keine Seltenheit sind.

  • Mai 2011: Der Korruptionsskandal erreicht seinen Höhepunkt. Mitglieder der Fifa-Exekutive sollen insgesamt 20 Millionen Dollar erhalten haben, um für Katar zu stimmen.

  • 21. Oktober 2011: Die Fifa gründet diverse Arbeitsgruppen zur Aufarbeitung der Skandale und Korruptionsvorwürfe, engagiert dazu externe Experten. Der frühere US-Staatsanwalt Michael Garcia wird Vorsitzender der Fifa-Ethikkommission. Das später präsentierte Ergebnis der Untersuchung: Die Fifa sieht keine Beweise für Korruption bei der WM-Vergabe.

  • 29. Januar 2013: Das französische Magazin „France Football” behauptet, Uefa-Präsident Michel Platini habe auf Drängen des damaligen französischen Staatschefs Nicolas Sarkozy dem Wüstenstaat seine Stimme gegeben. Als Gegenleistung sollen die Katarer Investitionen im französischen Fußball zugesichert haben. Im Fokus steht ein Mittagessen kurz vor der Abstimmung im November 2010 von Sarkozy und Platini mit dem damaligen katarischen Thronfolger Tamim al Thani im Pariser Élysée-Palast.

  • Februar 2013: Katar steht unter Druck: Korruptionsvorwürfe, Ausbeutung von Arbeitern und der WM-Termin. Also lädt das Emirat sich laut ZDF-Recherchen die European Club Association, den Zusammenschluss der europäischen Spitzenclubs, ein. Katar umschmeichelt die Verantwortlichen um Bayerns damaligen Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenige, den Chef der ECA. Als er zurückfliegt, wird er am Zoll mit zwei unverzollten Rolex-Uhren erwischt. Ein Geschenk, behauptet Rummenige später. Auffällig: Er und der FC Bayern verteidigen Katar in den Monaten und Jahren danach immer wieder öffentlich. Plötzlich ist auch die Verlegung der WM in den Winter kein Tabu mehr.

  • 2. März 2013: Die Fifa zieht wegen der hohen Temperaturen im Sommer von über 40 Grad erstmals eine Verlegung der WM in den Winter in Betracht.

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  • 8. Januar 2014: „Der Termin für die WM wird nicht Juni/Juli sein”, sagt Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke dem französischen Radiosender „France Info”. „Ich denke, sie wird zwischen dem 15. November und spätestens dem 15. Januar ausgetragen.” Grund ist die extreme Hitze im Sommer Katars.

In rund zwei Wochen startet die WM in Katar. Gespielt wird unter anderem im  "Lusail Iconic Stadium".
Hier wird bei der WM unter anderem gespielt: „Lusail Iconic Stadium”. (© dpa/Christian Charisius)
  • 19. März 2015: Und so kommt es dann auch: Das Fifa-Exekutivkomitee bestätigt den Vorschlag einer Arbeitsgruppe bei seiner Sitzung. Die WM wird im Winter gespielt - das Finale steigt am 4. Advent.

  • April 2020: Fast zehn Jahre nach der WM-Vergabe an Katar formulieren es die US-Behörden so klar wie nie: Bei den WM-Vergaben an Südafrika, Russland und Katar sei Korruption im Spiel gewesen. Im Fifa-Skandal erhebt die Generalstaatsanwaltschaft in Brooklyn (New York) Anklage gegen drei Fifa-Vertreter aus Südamerika. Zu einem Prozess ist es bis heute nicht gekommen, da der einzig noch lebende Angeklagte sich der Auslieferung widersetzt und die Vorwürfe bestreitet.

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  • 21. Februar 2021: Laut eines Berichts der britischen Zeitung „The Guardian” sollen mehr als 6.500 Gastarbeiter aus Nepal, Sri Lanka, Indien, Bangladesch und Pakistan seit der WM-Vergabe in Katar ums Leben gekommen sein. Die katarische Statistikbehörde und Amnesty International berichten sogar von 15.021 Toten nicht-katarischer Staatsangehörigkeit seit WM-Vergabe 2010 bis zum Jahr 2020. Wie viele der Opfer im Zusammenhang mit WM-Projekten stehen, wird nicht veröffentlicht. Fifa-Chef Gianni Infantino spricht dagegen von drei Toten. Die Zahl stammt vom katarischen WM-Organisationskomitee und bezieht sich auf Männer, die bei Arbeitsunfällen auf offiziellen WM-Baustellen gestorben sind, also vor allem rund um die Stadien. Aber eben nicht rund um die Infrastruktur der WM.

  • 11. August 2022: Der Start der WM wird mehr als zwölf Jahre nach Vergabe kurzfristig um einen Tag nach vorne gezogen. Das ermöglicht es dem Katar, das Eröffnungsspiel gegen Ecuador auszutragen. Dass der Gastgeber das Eröffnungsspiel bestreitet, ist seit der WM 2006 üblich. Warum das jedoch Katar nicht früher eingefallen ist, bleibt offen.