Der Transfer des Südkoreaners erregt in seiner Heimat die Gemüter. Es geht um ein 15 Jahre altes Versprechen – und um viel Geld. Zwei Vereine streiten sich um den 23-Jährigen
DARMSTADT. Der Transfer von Seung-ho Paik vom Fußball-Zweitligisten SV Darmstadt 98 zum südkoreanischen Meister Jeonbuk Hyundai macht Probleme – und könnte eventuell sogar noch scheitern. Im Heimatland des 23-Jährigen sind Transfers zwar noch bis Ende März möglich, Lilien-Trainer Markus Anfang rechnet nicht mehr mit ihm. Es gehe nur noch um Details, hatte Anfang am Donnerstag gesagt. Offensichtlich ist es so leicht dann aber doch nicht, gleichwohl Paik sich bereits in Südkorea in Quarantäne befindet.
Denn die angestrebte sportliche Rückkehr in die Heimat hat eine lange Vorgeschichte. Als Paik elf Jahre alt war, sollte er in die U15 von Suwon Samung Bluewings wechseln. Kurz vor diesem Wechsel entschied sich Paik gemeinsam mit seiner Familie und seinem Berater jedoch dazu, sein Glück in Europa zu suchen. Er wollte zum FC Barcelona, in die legendäre Talentschmiede „La Masia“. Dem wollte der Verein aus der Stadt Suwon nicht im Wege stehen und unterstützte das Vorhaben ideell. Geld gab es obendrein: 300 Millionen Won für drei Jahre, in jedem Jahr wurde Paiks Ausbildung also mit 100 000 Won aus Suwon gefördert. Umgerechnet sind das jährlich etwa 75 000 Euro.
So weit, so gut. Doch in Suwon sind sie jetzt alles andere als begeistert darüber, dass Paik sich ganz offensichtlich für den Konkurrenten Jeonbuk entschieden hat. Denn die finanzielle Unterstützung seiner Ausbildung in Barcelona war an eine klare Bedingung geknüpft: Wenn Paik eines Tages in sein Heimatland zurückkehren würde, müsse Suwon der erste Ansprechpartner sein. Verhandlungen sollten auf jeden Fall erst einmal mit Suwon geführt werden – was aber nicht einmal ansatzweise passiert ist. Bis heute wartet man in Suwon auf eine Entschuldigung sowie auf eine Rückzahlung des Geldes. Ein großes Thema ist dies in diesen Tagen in allen südkoreanischen Medien, die sich auf Paik förmlich eingeschossen haben.
In Suwon sind sie also derart erbost, dass ein Wechsel nach Jeonju doch noch scheitern könnte. Denn Jeonbuk Hyundai hat wegen all dieser Probleme und wegen all des Ärgers sein Angebot vorübergehend auf Eis gelegt – Paik soll erst für Klarheit sorgen. Zumindest könnte es teuer werden für den 23-Jährigen, der in seiner Heimat allein durch die Tatsache, dass er als erster Asiat die Barca-Jugendschule durchlaufen hat, einen gewissen Heldenstatus besitzt. Und der vor allem für viele jugendliche Koreaner deshalb ein Idol ist. Denn es wurde klar kommuniziert: Kommt Paik nicht nach Suwon, muss er die 300 Millionen Won an den Verein zurückzahlen – und zudem auch noch eine Art Schadenersatz leisten. Fakt ist, dass Paik mit Suwon nicht einmal auch nur scheinbar verhandelt hat – was jetzt also böse Folgen haben könnte.
Beim südkoreanischen Meister hofften sie in den vergangenen Tagen noch, dass dieses Problem geräuschlos gelöst wird. Rein am Finanziellen sollte es ja eigentlich nicht scheitern, es geht ja schließlich nicht um Millionensummen – zumindest nicht in Euro. Die Summen, um die es geht, sollten machbar sein, wenn denn der Wille, Paik zu Jeonbuk zu holen, auf allen Seiten derart groß ist wie kolportiert. Doch genau daran darf jetzt gezweifelt werden. Und ein gebrochenes Wort ist im stolzen Südkorea eine schlimme Sache.
In Darmstadt hatte Paik einen Vertrag bis Sommer 2022, er war im August 2019 aus Spanien vom FC Girona gekommen. Doch so richtig durchgestartet war er nie – vielleicht auch, weil er nie so richtig angekommen war. Er hatte mit seiner Mutter in Darmstadt gelebt, der Rest der Familie blieb in Südkorea. Er sah sie selten. Das hatte an ihm genagt, wie er oft betonte. Nach zwölf Jahren in Europa will er wohl auch deshalb nur noch heim.
Letztlich dürfte es wohl so kommen wie üblich in solchen Fällen: Irgendwann einigt man sich auf gewisse Summen, die hin und her fließen, gibt seine Rechte ab an einem Spieler – und geht etwas reicher seiner Wege. Wissend, dass letztlich alle dann doch irgendwie profitieren von dieser Aktion. Suwon bekommt Geld – und eine medienwirksame Entschuldigung –, Jeonbuk den Wunsch-Spieler, dieser die Chance, im eigenen Land vor Olympia noch einmal vorzuspielen. Und auch der SV 98 wird einige Euro einstreichen, verschiedenen Medienberichten zufolge rund 600 000 Euro.
Paik selbst wird aber auf jeden Fall ein paar Schrammen behalten nach all diesem Tohuwabohu. Aber das sollte er wegstecken mit seinen 23 Jahren – und noch vielen, die vor ihm liegen auf einem guten Niveau in Südkorea. Wenn es denn nicht doch noch scheitern sollte – wegen eines 15 Jahre alten Versprechens.