Lilien-Trainer Torsten Lieberknecht ist „leer“, Magdeburgs Trainer Titz ist voll des Lobes. Der 19. Mai als Glückstag.
Darmstadt. Der SV Darmstadt 98 wird in der kommenden Saison in der Ersten Fußball-Bundesliga spielen: Die Lilien gewannen am Freitagabend mit 1:0 (1:0) gegen den 1. FC Magdeburg und sind nicht mehr von einem der ersten beiden Plätze zu verdrängen. Nach dem Abpfiff brachen alle Dämme am Böllenfalltor – der dritte Matchball saß endlich. Die ersten beiden hatte der SV 98 gegen den FC St. Pauli (0:3) und bei Hannover 96 (1:2) vergeben. Der Aufstiegsjubel dürfte in der ganzen Stadt zu hören gewesen sein – die Party startete direkt nach dem Abpfiff.
Und zwar auf dem Rasen des Böllenfalltors, den die Fans kurzerhand stürmten und in einem blau-weißen Fahnenmeer versinken ließen. Mittendrin die Spieler, die das sichtlich genossen, auch wenn es kurz mal ein bisschen arg eng wurde da unten. Mittendrin war auch Phillip Tietz, der das Tor des Tages erzielt hatte und entsprechend gefeiert wurde. Sein Treffer in der 36. Minute reiht sich nun ein in die Galerie der Lilien-Tore, die einen Aufstieg ermöglicht haben. Elton da Costa 2014 (auch an einem 19. Mai übrigens!), Tobias Kempe 2015 – und jetzt eben Tietz. Wer auch sonst? „Ihr seid die geilsten Fans. Lasst uns die Stadt heute auseinandernehmen“, schrie er noch auf dem Rasen ins Mikro. Dieser Wunsch sollte allen Befehl sein.
Dabei hatte es richtig lange gedauert, bis der Treffer Gültigkeit fand. Der Linienrichter hatte auf Abseits entschieden, doch der Videoschiedsrichter hatte das anders gesehen – und nach drei bangen Minuten auf Tor entschieden. Da waren zwar noch 54 Minuten zu spielen, doch wer Lilien-Torwart Marcel Schuhen an diesem Abend gesehen hatte, der wusste: Der lässt heute keinen rein. Tat er auch nicht – noch so ein Held des Darmstädter Aufstiegs.
Ich weiß nicht, ob wir noch einmal diese Energie in Fürth gehabt hätten, wenn es nicht geklappt hätte.
Der 1. FC Magdeburg war ein würdiger, ein unangenehmer Gegner. Und er war ein Gegner, der den Lilien bis zum Ende alles abverlangte. Doch irgendwann hatten die Gäste ihr Pulver dann auch verschossen, hatten vielleicht auch eingesehen, dass es keine allzu gute Idee wäre, diese Party zu sprengen. Und bei aller Rivalität auf dem Platz war auch zu erkennen, wie sehr die Gäste den Darmstädtern den Aufstieg gönnten. In den Katakomben umarmten sich wirklich alle Spieler mehrfach, Bierkästen wurden von der einen in die andere Kabine getragen. Freundschaftlich war das, so soll es sein.
Lilien-Trainer Torsten Lieberknecht verschwand derweil im Trubel, stand vor unzähligen Fernsehkameras. Währenddessen herrschte unter der neuen Haupttribüne emsiges Treiben, das Gewusel erschien recht unkontrolliert. In die Mixed Zone wollte keiner so recht – verständlich angesichts der Freude, die bei allen herrschte. Es galt zu feiern, nicht zu erklären. „Ich wünschte mir wirklich, dass ihr alle dieses Gefühl auch einmal erleben könntet. Weil man es einfach nicht erklären kann“, sagte Tietz zu den Journalisten, um direkt wieder kehrt zu machen und mit der nächsten Flasche mit dem Getränk eines Sponsors in die Kabine der Magdeburger zu verschwinden.
Gratulation an die ganze Mannschaft, den Trainerstab und alle anderen in Darmstadt. Sie haben es verdient, weil sie eine derart stabile Saison gespielt haben, das ist keine Selbstverständlichkeit.
„Ich bin ein bisschen leer“, bekannte Lilien-Trainer Torsten Lieberknecht mehr als eine Stunde nach Spielende. „Es war ähnlich wie letzte Saison, wo am Ende alle Gegner echte Hausnummern waren. Das war ein hartes Brett, das wir zu bohren hatten.“ Es sei aber generell weniger um Fußball gegangen in den vergangenen Wochen, sondern eher darum, im Glauben zu bleiben. „Das war die größte Herausforderung für uns. Magdeburg hat uns massiv vor Herausforderungen gestellt. Aber wir sind an dem gleichen Tag aufgestiegen wie die Lilien vor genau neun Jahren, das ist eine tolle Geschichte. Ich weiß nicht, ob wir noch einmal diese Energie in Fürth gehabt hätten, wenn es diese Woche nicht geklappt hätte.“ Er sei in einer Gefühlswelt, die angespannt sei. „Aber wir werden heute feiern, das ist klar“, kündigte er an. Er sei leer, könne es noch nicht richtig fassen. „Ich bin immer gefragt worden von Leuten, die vor mir da waren und das alte Böllenfalltor noch kennen, wie sich das anfühlen wird“, sagte Lieberknecht. „Es dürfen alle stolz sein, und ich bin das seit dem ersten Tag, an dem ich hier bin.“ Wie genau es sportlich weitergeht, könne er gar nicht sagen – „aber das ist heute auch nicht das Thema“.
Magdeburgs Trainer Christian Titz war ein mehr als fairer Verlierer. „Gratulation und wirklich Hochachtung für diese Leistung“, sagte er, nachdem er geduldig lange gewartet hatte auf die Pressekonferenz. „Gratulation an die ganze Mannschaft, den Trainerstab und alle anderen in Darmstadt. Sie haben es verdient, weil sie eine derart stabile Saison gespielt haben, das ist keine Selbstverständlichkeit. Ihr habt es euch verdient.“
Sprach‘s und machte sich auf den Rückweg nach Magdeburg. Lieberknecht verließ gemeinsam mit Titz die Pressekonferenz, seine Nacht dürfte länger geworden sein als die des Kontrahenten. Und fröhlicher. Aber das hatte er mit allen Lilien-Fans gemein.