Darmstadt 98-Trainer Lieberknecht gibt sich vor dem Topspiel zurückhaltend, was auch an der Verletztenliste liegt. Und er nimmt die Fans in die Pflicht – das Stadion soll beben.
Darmstadt. Torsten Lieberknecht, Trainer des Fußball-Zweitligisten SV Darmstadt 98, wollte sich am Freitag gar nicht groß damit aufhalten, über die Stärken des nächsten Gegners zu sprechen. Der heißt Hamburger SV, Anstoß im mit 16.800 Zuschauern ausverkauften Stadion am Böllenfalltor ist am Samstag um 20.30 Uhr (live in Sport1). Warum man diesmal gegen den HSV gewinnen werde, gegen den die Lilien zuhause bekanntlich noch nie gewonnen haben, wurde der 49-Jährige gefragt. „Weil wir es versuchen werden“, lautete die Antwort. „Kommt vorbei und seht es euch an, werdet Zeitzeuge!“, sagte Lieberknecht. „Auf jeden Fall aber nicht mit großer Laberei und Erzählerei.“
Das große Thema in diesen Tagen am Böllenfalltor ist die Verletztenliste – das war am Freitag nicht anders. Definitiv passen müssen Aaron Seydel, Patric Pfeiffer, Jannik Müller, Braydon Manu, Klaus Gjasula und Tobias Kempe. Matthias Bader hat nach seiner Unterleibsoperation zumindest wieder mittrainiert, musste aber auch mal krankheitsbedingt passen. Bei ihm ist es immerhin denkbar, dass er im Kader ist. „Wir müssen ihn noch ein bisschen aufpäppeln“, sagte sein Trainer.
Ich habe es mir diese Woche endlich mal angesehen, wie Phillip Tietz Freistöße trainiert. Und er hat den Ball in die Wolken geschossen.
Bei Gjasula liegt der Fall anders: Der defensive Mittelfeldspieler ist zwar wieder dabei, aber irgendetwas ist trotzdem immer. In dieser Woche etwa bekam er im Training einen Schlag auf den Fuß und musste abbrechen, bei ihm ist Lieberknecht generell etwas vorsichtiger. „In den nächsten Spielen, aber ganz gewiss nach der Länderspielpause ist er wieder ein Thema.“ Das wäre Ende März.
Zuvor stehen mehrere Spiele gegen Spitzenteams an, das erste an diesem Samstag. „Unser Ziel ist es zu gewinnen“, sagte Lieberknecht, „und das zu machen, was wir immer gemacht haben, nämlich Respekt vor dem Gegner zu haben. Das zeigen wir am besten, wenn wir eine Topleistung abrufen.“ Beim 2:1 im Hinspiel habe man gesehen, wie man gegen den HSV spielen muss, auch wenn der mittlerweile einiges anders macht. „Sie gehen zum Beispiel auf den Außenbahnen öfters mal ins Eins-gegen-eins.“
Warnungen vor Robert Glatzel, Bakery Jatta und Jean-Luc Dompé
Mit Robert Glatzel, Bakery Jatta und Jean-Luc Dompé hätten die Hamburger überragende Offensivleute, „wir müssen die Energieversorgung zu ihnen unterbrechen. Wir kennen die Stärken des Klubs und der einzelnen Spieler. Wir haben Respekt, brauchen uns aber nicht verstecken.“ Viel mehr wollte Lieberknecht nicht sagen über die Hanseaten, die im mittlerweile fünften Anlauf zurück ins Oberhaus wollen. Und gegen die auch das 0:5 aus der Vorsaison keine Rolle mehr spiele.
Bei dem Vorhaben, die Punkte in Darmstadt zu behalten, nimmt der Trainer die Fans in die Pflicht. „Ich bin überzeugt davon, dass das Stadion beben wird, so wie man es noch nie erlebt hat am Bölle. Wir werden ganz bestimmt angetrieben von einem Hexenkessel.“ Es brauche „wahnsinnige Energie, gutes taktisches und auch fußballerisches Verständnis, um spielerische Lösungen zu finden“. All das hat Lieberknecht bei seiner Mannschaft ausgemacht.
Zumal mit Fabian Schnellhardt einer wieder dabei sein kann, der am vergangenen Samstag bei Hansa Rostock (1:0) noch wegen einer Grippe gefehlt hatte. Ob er auch wieder die Freistöße schießt, in Abwesenheit Kempes? Oder ob das wieder Phillip Tietz erledigt, der in Rostock so den Siegtreffer markierte? „Ich habe es mir diese Woche endlich mal angesehen, wie er das trainiert“, sagte Lieberknecht schmunzelnd. „Und er hat den Ball in die Wolken geschossen.“ Wieder komplett ernst fügte er aber schnell hinzu: „Ich bin froh, dass er zurückgekommen ist, dass er Tore schießt und sich belohnt für seine harte Arbeit.“ Das Duell Tietz gegen Glatzel – auf das freut er sich.
Zuhause bislang ungeschlagen
Dass Standards wichtig sein können, weiß der Coach. „Das war ein großes Thema in dieser Woche im Training“, sagte er. „Weil wir da eine große Chance sehen, ähnlich wie im Hinspiel.“ Damals traf Pfeiffer nach einer Kempe-Ecke zum 1:0, Tietz markierte den zweiten Treffer nach einer Kempe-Flanke.
„Das Spiel hat Brisanz“, gab Lieberknecht dann doch noch zu – immerhin. „Wir wollen trotzdem bei uns bleiben.“ Und da sei es letztlich auch egal, wer auf dem Platz steht. „Jeder zeigt Mitgefühl, wenn ein Mitspieler verletzt ist“, sagte der Lilien-Trainer, dessen Mannschaft in dieser Spielzeit zuhause noch nicht verloren hat. „Aber wenn sie auf dem Platz stehen, sind alle voll da und voller Energie.“
Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass der SV 98 mit einer derart langen Liste von Verletzten zu tun hat. „Das ist ein Teil unserer Geschichte, dass wir so etwas kompensieren müssen“, sagte Lieberknecht – „da gibt es aber kein Trübsal“.