Harz spaltet den Handball

Harz hilft nicht immer: Auch ein Bundesliga-Profi wie Anton Lindskog lässt den Ball schon mal unfreiwillig aus der Hand gleiten. Foto: Volkmann
© Volkmann

Der hessische Verband wird darüber entscheiden, ob auch in den Oberligen das Haftmittel in der kommenden Saison eingesetzt werden darf.

Anzeige

GIESSEN. In Zeiten der Corona-Pandemie, in der der Abbruch der Spielzeit 2020/21 nach weiteren Lockdown-Maßnahmen immer näher rückt, werden die Vereine von zahlreichen Sorgen geplagt. Nicht dazu gehören dürfte sicherlich, ob in manchen Spielklassen Hessens ab der nächsten Saison geharzt werden darf oder nicht, dennoch boten die unfreiwilligen Pausen in den letzten Wochen und Monaten die Möglichkeit, solche Themen anzugehen.

Auf Betreiben des Hessischen Handball-Verbandes (HHV) wurde daher im vergangenen Jahr eine Arbeitsgruppe "Haftmittel" gebildet. Nach mehreren Sitzungen wurde dem HHV Ende des Jahres eine Empfehlung übermittelt, die beinhaltet, dass ab der Saison 2021/22 in den Oberligen (Aktive und Jugend) Haftmittel zugelassen werden sollen. Da es sich nur um eine Empfehlung handelt, wird das erweiterte Präsidium des Verbandes letztlich darüber entscheiden. Wie das Meinungsbild dazu bei den heimischen Oberliga-Vertretern aussieht, haben wir aber schon mal in Erfahrung gebracht.

Gleich zwei Oberliga-Teams, die diese Regelung betreffen würde, stellt die HSG Wettenberg. In der kommenden Saison mit Harz zu spielen, würden aber sowohl Axel Spandau (Männer) als auch Kai Nober (Frauen) begrüßen. "Sicherlich würde das erst einmal technische Probleme mit sich bringen, aber keine, die man nicht durch Training abstellen kann. Die technische Finesse bei Würfen vom Kreis oder von Außen würde natürlich erhöht werden, sowie die Intensität der Rückraumwürfe", glaubt Spandau, der noch ergänzt. "Zudem würde es den Abstand zur Dritten Liga verringern."

In dasselbe Horn stößt auch Vereinskollege Nober, der ebenfalls klare Vorteile für das Angriffsspiel sieht, aber auch einen weiteren wichtigen Aspekt. "Es gibt in dieser Klasse viele Spielerinnen, die in den Zweitvertretungen höherklassiger Vereine stehen. Sie müssen bislang den Spagat mit und ohne Harz hinbekommen. Das ist wenig förderlich, zumal wir unseren jungen Talenten die besten Entwicklungsmöglichkeiten geben sollten. Dabei ist Harzen ein wichtiger Bestandteil", führt der Frauentrainer Wettenbergs aus.

Anzeige

Auch Peter Tieböhl vom Frauen-Oberligisten TV Hüttenberg ("Ich fände es sehr gut, wenn mit Harz gespielt werden würde, es macht das Spiel einfach wesentlich attraktiver. Sonst würde die Bundesliga sicherlich auch ohne Harz spielen") und Matthias Wendlandt vom Männer-Oberligisten HSG Kleenheim-Langgöns ( "Ich halte diesen Schritt schon lange für überfällig, besonders in der Jugend. Ich sehe es als deutlichen Nachteil in der Ausbildung von Jugendlichen im Leistungsbereich an. Das gilt besonders für Außen- und Rückraumspieler. Gerade in den wichtigen Jahren von C- und B- Jugend, in denen viele Wurftechniken erlernt werden. Für die Männer-Oberliga wäre es eine tolle Sache. Die Jungs freuen sich riesig, und es würde sowohl die Liga für Spieler attraktiver machen, als auch den Handball spektakulärer") würden der Einführung des Harzens ausnahmslos positiv gegenüberstehen.

Ein Problem, das es zu lösen gäbe, wäre die Hallenreinigung bzw. die Kosten dafür. "In Kleenheim stellt das denke ich kein großes Problem dar, da die Drittliga-Frauen in der Weidig-Sporthalle ja ohnehin harzen. Daher war das bislang im Verein auch noch kein riesiges Thema", führt Wendlandt aus. Ein wenig schwieriger gestaltet es sich in der Sporthalle der Gesamtschule Launsbach, der Heimstätte der HSG Wettenberg. Axel Spandau hat dazu aber eine klare Meinung: "Sicherlich sind die Hallenbetreiber dann in diesem Falle die Leidtragenden, für mich gehört Harz zum Handball aber so dazu wie die Schiedsrichter!" Einen Dialog erhofft sich Kai Nober. "Es ist also ein sehr ambivalentes Thema. Es gibt viele Aspekte zu berücksichtigen, die einzelnen sich auftuenden Spannungsfelder zu analysieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Ein plakatives Ja oder Nein dazu wäre zu einfach und der Sache nicht angemessen genug. Ich wünsche mir daher eine Diskussion, die zielführend und lösungsorientiert geführt wird, alle Aspekte berücksichtigt und die nötige Offenheit für alle Belange mit sich bringt", so der HSG-Coach. Direkte Ideen für eine Umsetzung der Harz-Nutzung in der Sporthalle bringt Hüttenbergs Peter Tietböhl ein und sieht darin sogar direkt noch eine Vermarktungsmöglichkeit für den Verein. "Man könnte ein 'Harz-Display' aufstellen, in dem Harz, Tücher, Reiniger und ein Abfalleimer integriert sind. Das Display würde sich sogar als Werbeträger für Reinigungsfirmen eignen", so der TVH-Coach, der in der eigenen Halle keine Probleme sieht, aber sehr wohl um die in anderen Spielstätten weiß. "Hier könnte man auf eine Harzsorte zugreifen, die gute Reinigungsqualitäten besitzt. Auch das Bestreichen der Schuhe an der Außenseite kann man verbieten, so entstehen weniger Harzflecken in der Halle, wenn man zum Beispiel gefoult wird."

Jonna Jensen, Ex-Bundesliga-Spielerin und Trainerin Frauen-Oberligisten TSG Leihgestern, bezieht klar Stellung für eine Haftmittelnutzung. "Mit und ohne Harz, das sind doch zwei völlig unterschiedliche Sportarten. Wenn man im Jugendbereich mit anderen Landesverbänden mithalten will oder in höheren Aktiven-Ligen mitmischen will, dann geht das nur mit Harz. In der technischen Jugendausbildung ist es sehr wichtig, dies mit Harz zu tun. Es muss angesichts der heutigen Möglichkeiten mit dem wasserlöslichen Haftmittel der diversen Hersteller möglich sein, ein Vertrauen zwischen den Halleneignern und den Vereinen zum positiven Nutzen herzustellen. Das ist allemal zu regeln und sollte nicht der Grund sein, es weiter zu verbieten."