Warum die heimischen Vereine JC Wiesbaden und Kim-Chi der Krise sogar etwas Positives abgewinnen können.
WIESBADEN. Die Judo-Bundesliga gilt als umstritten. Weder für die Vereine noch für die einzelnen Kämpfer gibt es hier viel zu verdienen; bei Zuschauern, Medien und Sponsoren genießt der nationale Wettbewerb kaum Resonanz. Was oft als Nachteil angesehen wird und vor einigen Wochen auch dazu führte, dass der JC Wiesbaden (JCW) seine Frauen in die Zweitklassigkeit abstufen ließ, dem lässt sich laut Siegbert Geuder während der Coronavirus-Pandemie Positives abgewinnen. Wirtschaftliche Krisen, wie sie im Fußball, Handball und ähnlich lukrativen Sportarten für Aufsehen sorgen, sind laut dem Trainer und Vorstand von Kim-Chi Wiesbaden trotz des ebenfalls vorerst ausgesetzten Wettkampfbetriebs im eigenen Haus kein Thema. „Wo es nichts zu gewinnen gibt, kann man auch nichts verlieren“, sagt Geuder.
Während die eigenen Frauen, die sich im vergangenen Jahr früher als geplant für den Aufstieg ins Oberhaus empfahlen, sowieso erst Anfang September ihren ersten Wettkampf bestreiten müssten, sollten die ebenfalls eine Etage höher gerutschten Kim-Chi-Männer ihr Zweitliga-Debüt schon bestritten haben. Eine Verschiebung in die zweite Jahreshälfte liegt auf dem Tisch. Geuder glaubt nicht, dass es dazu kommen wird. Zu viele Termine müsste man 2020 noch unterbringen, da allein alle nationalen Wettbewerbe bis Ende August abgesagt sind. Und die Liga gelte beim Deutschen Judo-Bund als „Stiefkind“.
Schlimm fände Geuder das nicht. Sein Männerteam besteht zum überwiegenden Teil aus U-18-Talenten, die sich nun auf neuem Niveau bewähren sollten. „Wir würden uns nicht wehren, wenn es erst nächstes Jahr so weit wäre.“
Trainiert wird trotzdem fleißig, denn für die aufstrebenden Kämpfer stünden vielleicht noch die eher wichtigeren individuellen Herausforderungen an. „Wir haben zwei bis drei Anwärter auf die U18-Europameisterschaften“, sagt Geuder mit Blick auf die ans Jahresende verlegten Titelkämpfe. Ausdauer- und Krafteinheiten sind angesagt, und über WhatsApp lässt sich der Coach Videos von technischen Formen schicken. Ab dieser Woche soll es zudem Online-Einzeltraining geben, bei dem jeweils ein Judoka mit dem Trainer live verbunden ist.
„Wir sind in einer wichtigen Phase“, betont Geuder. Bei den Frauen, obwohl erstklassig, stellt sich die Lage anders dar. Während die Männer „voll im Saft“ seien, kämpften ihre Kolleginnen weniger um internationale Vergleiche und hätten andere Prioritäten als Leistungssport.
Optimistischer als sein Kollege blickt JCW-Teammanager Marcel Stebani auf die nähere Zukunft der Liga. Als Mitglied des zuständigen Ausschusses kennt er die Diskussionen über die unterschiedlichsten Szenarien, die dort gepflegt werden. Eine Komprimierung der Saison auf nur ganz wenige Wettkampftage gehört dazu. Den Vorteil im Vergleich zu anderen Sportarten sieht er dabei, dass im Judo das gesamte Jahr über gefightet werden kann und die neue Saison nicht schon wieder im Herbst beginnt. „Wir haben einen anderen Zyklus und könnten auch noch bis in den November hinein kämpfen.“
Der derzeitigen Situation versucht er das Beste abzuringen. „Richtig schlecht ist es nur für die, die jetzt nach einer Verletzung zurückkehren würden“, urteilt Stebani. Dagegen steht unter anderem Vorkämpferin Christina Faber als Schülerin des Hannoveraner Sportinternats direkt vor den Abiturprüfungen, die für sie am 20. April starten, und habe so andere Dinge im Kopf als der ursprünglich nur fünf Tage später angesetzte Liga-Auftakt. Aus dem Training versuche man das Beste herauszuholen: Einige hätten Glück wie Dominique Denkewitz, die zu Hause ihren Zwillingsbruder Florian zum Üben habe. „Aber natürlich sehnen sich alle auf die Matte zurück und wollen endlich wieder kloppen.“ Darunter Hanna Sedlmair, die vor einem Monat in der U18 ihren ersten deutschen Meistertitel gewann und nun in Richtung EM-Teilnahme durchstarten wollte.
In der jetzigen „Unplanbarkeit“ stellt sich auch der Verzicht des JCW aufs Oberhaus noch einmal anders dar. „In der Zweiten Liga“, so Stebani, „lässt sich in so einer Situation einfacher ausharren als bisher.“