„Liebe kennt keine Liga, nur die KTV“

Der Titanen-Fanclub vom Stammtisch „Hewwe on drewwe da Läh“ wollen auch in der 3. Bundesliga geschlossen hinter der KTV stehen. Foto: Hahn
Biedenkopf - Wehmut schwang bei allen mit beim Erstliga-Heimwettkampf der KTV Obere Lahn am vergangenen Samstag, dem (vorerst) vorletzten der Vereinsgeschichte. Verzagt gaben sich aber weder Vereinsführung, schon gar nicht die Turner und am allerwenigsten die Fans.
Die Sporthalle der Lahntalschule war gegen den SC Cottbus nur zur Hälfte gefüllt. Haben die Hinterländer etwa schon abgeschlossen, mit ihrem sportlichen Aushängeschild, drei Tage nachdem die Vereinsführung bekannt gegeben hatte, dass man sich am Ende der Saison aus der 1. Bundesliga zurück ziehen wird? Dass „nur“ 700 Fans gekommen waren, sei nicht außergewöhnlich für einen Wettkampf im Spätsommer bei bestem Wetter, meint der 1. Vorsitzende Philipp Wiemers. Die Party, die in den vergangenen sieben Jahren auch bei Sportlern und Anhängern der Gästeteams immer wieder für Verblüffung und Bewunderung gesorgt hatte, war am Samstag während des Wettkampfs vielleicht nicht ganz so ausgelassen, danach aber war die Halle (wie immer, wenn die KTV turnt) der „Place to be“ in Biedenkopf.
Während die mit der hohen Belastung der Ehrenamtlichen begründete Entscheidung der KTV allseits auf Verständnis gestoßen war, hatte Fabian Hambüchen am Freitag über die Deutsche Presse-Agentur Kritik daran geübt, „dass dieses Thema so spät kommuniziert wurde. Sonst hätte man über eine Neugründung des Teams in Wetzlar nachdenken können“. – „Wir sind ein Verein und der unterliegt demokratischen Prozessen“, entgegnet dem Philipp Wiemers, „ehe man keinen Vorstandsbeschluss hat, kann man auch niemanden informieren“. Man habe vor der Entscheidung verschiedene Optionen durchgespielt. „Es hätte ja auch die Möglichkeit gegeben, im nächsten Jahr mit einer abgespeckten Mannschaft zu turnen und den Abstieg in Kauf zu nehmen. Aber es ist sportlich keine gute Geschichte, wenn du mit einer Rumpftruppe in der 1. Liga rumspringst“, so der KTV-Vorsitzende, der der von Hambüchen angedachten Wetzlar-Option nicht im Wege stehen würde: „Das kann er doch machen. Ich kann ihm unser Startrecht überschreiben. Ob die das dann wuppen können, weiß ich nicht.“
Fabian Hambüchen, der die Aktiven auch gegen Cottbus mit Hand und Herz unterstützte, äußert sich sichtlich ergriffen: „Von den Sportlern sieht keiner den direkten Grund, warum die erste Mannschaft zurück gezogen wird, vor allem weil es ja auch so gut läuft. Mir kann es letztendlich egal sein, ich turne nicht mehr. Aber ich hatte vier schöne Jahre hier, kann mir die Bundesliga ohne Obere Lahn eigentlich gar nicht vorstellen. Ich fiebere hier weiter mit. Seit 2013 als wir das erste Mal die Chance darauf hatten, haben wir den Traum, Deutscher Meister zu werden. Selbst wenn ich nicht mehr aktiv bin, ist es der Traum den Titel mal mit den ,Titans' zu gewinnen. Der wird halt jetzt genommen. Insofern hoffe ich, dass wir es irgendwie schaffen, die Jungs zusammen zu halten, egal für welchen Verein. Bedingung, das Startrecht zu übernehmen, ist wohl, dass man mindestens fünf Leute aus dem aktuellen Verein übernimmt. Aber das ist kein Problem, weil ja alle gerne zusammen bleiben möchten“. Hambüchen betont die zeitliche Problemstellung: „Wann geht die Liga wieder los? Im März? Wir müssen Hallen kriegen, das ist in Wetzlar nicht so einfach. Die sind gefüllt mit der HSG, mit den Rollstuhlbasketballern. Man muss Sponsoren finden. Und die Auflagen der Deutschen Turn-Liga sind hoch. Da hängt ein Rattenschwanz an Sachen dran, die man klären muss. Da ist ein halbes Jahr echt wenig Zeit“.
Lukas Dauser, Hambüchens Nachfolger als deutscher Vorturner der KTV, ist der begehrteste aus der Riege: „Es kamen die Woche schon ein paar Angebote, mein Handy ist heiß gelaufen. Ich will mich jetzt aber auf den Sport konzentrieren, die Deutschen Meisterschaften und die WM-Qualifikation“. Er glaubt nicht daran, dass das Team über die Saison hinaus zusammen bleibt, und legt deshalb den Fokus auf die aktuelle: „Der Rückzug war natürlich ein Schock für uns, aber wir haben uns als Team zusammen gerafft, haben gesagt, wir turnen die nächsten drei Wettkämpfe jetzt für uns, wir turnen für keinen anderen“. Fabian Lotz, der gegen Cottbus einen der besten Sechskämpfe seiner Karriere machte, bläst ins gleiche Horn: „Ich bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass ich bei der KTV alt werden, für keinen anderen Verein mehr turnen würde, weil es einfach vom Gesamtkonstrukt so optimal gepasst hat“, erklärt der Mann aus Bicken. „Es ist einfach traurig, dass so eine geile Zeit zu Ende geht, weil es so eine einzigartige Mannschaft halt nicht mehr geben wird. Deshalb müssen wir jetzt alles mitnehmen, was noch geht, es genießen. Wir hatten große Ziele und etwas Pech in der Vergangenheit. Jetzt hoffen wir ein bisschen darauf, dass das Glück auf unserer Seite ist und wir uns noch belohnen können dieses Jahr“.
Auch Waldemar Schiller, neben Lotz Anführer der Truppe, die 2011/12 den Aufstieg schaffte, schwärmt von den folgenden Erstliga-Jahren. „Es war für mich ein geiles Kapitel, das Turnen an sich, besonders hier mit den Jungs. Aber ich kann's auch verstehen, wenn der Verein sagt, dass er mehr auf Eigengewächse setzen möchte. Die Zuschauer kommen ja auch, um eventuell mal jemanden zu sehen, der aus den eigenen Reihen kommt.“ Hallensprecher Jan Reuter, findet es „gut, dass man die eigenen Leute wieder mehr ins Zentrum rücken möchte. Ich turne ja noch in der 3. Bundesliga mit, um unseren Nachwuchs zu unterstützen. Es sind die, die tagtäglich hier in Biedenkopf trainieren“. Maik Wehn, Trainer der 2. Mannschaft, hofft dass bei den drei Heimwettkämpfen der am 22. September beginnenden Saison „auch ein paar Leute zum Zuschauen kommen“. Auf den Fanclub der Titanen, kann er bauen. „Wir haben die KTV früher schon in unteren Klassen unterstützt. Jetzt unterstützen wir die Dritte“, beteuert Frank Kremer. „Ich würde auch nicht sagen, dass die KTV aufgibt“, kommentiert Uli Kleinhenn eine Überschrift dieser Zeitung. „Ich würde eher sagen ,Back to the roots!' Und Liebe kennt keine Liga, nur die KTV“.