Der Gießener Ruderer Marc Weber will sich bei der Europameisterschaft im norditalienischen Varese für die Olympischen Spiele empfehlen.
GIESSEN. Gießen (red). Ostersonntag, 11 Uhr: Marc Weber, Ruderer vom RC Hassia Gießen, ist auf Zwischenstopp in Gießen angekommen. Spät nachts vom Ruderleistungszentrum Ratzeburg angekommen, greift er seinen gelben Einer und fährt eine Einheit auf der geliebten Lahn. "Ich muss noch eine Einheit auf dem Wasser machen" so Weber zu den wenigen anwesenden Ruderern des Heimatvereins. Danach geht es am Dienstag nach Breisach und dann weiter ins norditalienische Varese. Kein Flieger, sondern Auto - um das Infektionsrisiko in der bestehenden Pandemie zu reduzieren. Corona-Schnelltest in Italien und dann ab auf die Regattastrecke am Donnerstag zum Einrudern in Varese - die EM steht vor der Tür (9. bis 11. April).
Seit Oktober letzten Jahres befindet sich Marc Weber im Bundesstützpunk der Nationalmannschaft und muss sich regelmäßigen Leistungsüberprüfungen im Team von neun Skullern unterziehen. Dabei pendelt der Neu-Gießener zwischen den Standorten Gießen und Ratzeburg. Mittlerweile ist klar, dass Weber zusammen mit seinem erfahrenen Teamkollegen Stephan Krüger (Frankfurter RG Germania) im Doppelzweier auf Platz eins zur Nominierung für Olympia in Tokio steht.
Während der Gießener Skuller als jüngeres Kadermitglied in der Nationalmannschaft des Deutschen Ruderverbands auf Erfolge im U23-Bereich zurückblicken kann (2018 Vizeweltmeister, 2019 Gold jeweils im Männer-Einer), ist Stephan Krüger seit vielen Jahren auf internationalen Wettkämpfen etabliert. Seine Karriere liest sich mit vielen beeindruckenden Stationen. Bereits im Jahr 2008 saß er im Doppelvierer bei den Olympischen Spielen, 2012 und 2016 jeweils im Doppelzweier. "Stefan fehlt noch die Medaille bei den Olympischen - das wäre natürlich eine tolle Sache, wenn wir das schaffen würden" so Weber über seinen Teamkollegen.
Die Kombination aus Altersunterschied und Wettkampfroutine macht den "Hessen-Zweier" so interessant. Weber bleibt aber auch realistisch, was die Chancen beim ersten großen Leistungstest in Varese der anwesenden europäischen Konkurrenz betrifft. "Der Zweier ist immer eng und eine der meistumworbenen Bootsgattungen im Rudern", so der Hassianer.
Der vergangene Winter war auch sicherlich anders geplant in Bezug auf Trainingslager. Das Duo um Trainer Karsten Timm hat in Breisach mehrere Wochen lang trainiert. Der ursprüngliche Plan, in Portugal das Trainingslager zu verbringen, wurde pandemiebedingt umgeworfen. Als Ersatz hat man ein Domizil in Deutschland vorgezogen. "Durch den Kälteeinbruch im Februar konnten wir in Ratzeburg aber kaum auf's Wasser und mussten uns auf Krafttraining und Ergometer beschränken" blickt Marc Weber auf den vergangenen Winter zurück. Vorangegangen ist eine unendliche Tortur von bis zu zwanzig Trainingseinheiten pro Woche auf dem Wasser und im Kraftraum der Ruderakademie.
Dass die Olympischen Spiele in Tokio nun stattfinden sollen ist für Weber aber Motivation genug, das Ticket doch noch zu lösen. Immerhin war die Verschiebung der Wettkämpfe im vergangenen Sommer eine erhebliche Belastung für die beiden Hessen, da die Selektion und Vorbereitung auf die Wettkämpfe immer wieder neu angegangen werden musste. Die allgemeinen Restriktionen empfindet Weber jedoch nicht als großen Nachteil - die Zweier-Crew hat sich bewusst für die Vorbereitung in Deutschland entschieden, um Risiken zu minimieren.
Die anstehende EM in Varese wird eine entscheidende Rolle, wie es in der laufenden Rudersaison weitergehen wird, spielen. Da die gemeldete Konkurrenz zum großen Teil die Weltspitze repräsentiert, wird ein Gros der EM-Teilnehmer auch in Tokio vertreten sein. "Im Doppelzweier ist das Feld so knapp, dass die Tagesleistung über die A-Final-Teilnahme entscheiden wird", so Weber, der mit Krüger im Herbst letzten Jahres bereits EM-Siebter wurde. Frankreich, Irland, Niederlande, Litauen, Polen sind einige der Top-Nationen, die als Europäer auch die Weltkonkurrenz dominieren. Ziel ist es, in einem Rahmen von zwei bis drei Sekunden in der europäischen Spitze mitzufahren, dann sollte das Ticket nach Tokio in greifbarer Nähe sein.
Bis zur endgültigen Olympia-Nominierung warten nach der EM noch die beiden Weltcups in Zagreb/Kroatien (30. April bis 2. Mai) und in Luzern/Schweiz (15.-17. Mai). Auf den Hassianer Weber kommen somit in den nächsten beiden Monaten harte Wettkämpfe auf Weltniveau zu, ein komprimiertes Programm zur endgültigen Etablierung in der Weltspitze des Ruderns.