Wer die Wolken lesen kann, kommt weit

aus Zeit-Lupe

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Hans-Werner Grosse vor einer seiner Fluggleiter: Der Lübecker Kaufmann stellte mehr als 50 Weltrekorde auf.Archivfoto: dpa

Der Segelflug-Weltrekordler Hans-Werner Grosse gleitet 1981 mehr als 1300 Kilometer über Australien.

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. Von Björn-Christian Schüßler

„Der größte Preis ist der Flug selbst“, sagte Hans-Werner Grosse, als er einmal nach einem seiner zahllosen Rekorde aus seinem Gleiter stieg. Bis ins hohe Alter tüftelte der Lübecker an seinem Traum, in der Hansestadt startend bis zum Ausläufer der Pyrenäen zu fliegen. Mehr als 1500 Kilometer. Unmotorisiert natürlich. Denn der Kaufmann ist „Mister Segelflug“.

Seine Weltrekorde, inzwischen mehr als 50, haben teilweise noch Bestand. 1231 Kilometer im Zielflug 1974, 1460 Kilometer im freien Streckenflug 1972, 1306 Kilometer im Dreiecksflug 1981 – unter der gleißenden Sonne Australiens, hoch über der Wüste ging für Grosse ein großer Wunsch in Erfüllung: Den beeindruckenden Kontinent aus der Luft zu sehen.

Aufspüren der „Bärte“ wichtig für lange Strecken

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Tausend-Kilometer-Flüge sind bis heute etwas Besonderes in der Segelflug-Szene, der der 1922 in Swinemünde geborene Grosse noch immer als Erzähler und Lehrmeister, aber auch als Flieger treu ist. Als Pilot der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg entdeckte der inzwischen 98-Jährige sein Talent: die Wolken zu lesen. Denn nur, wer die unsichtbaren Thermikschläuche am Himmel, die Eingefleischte „Bärte“ nennen, entdecken kann, bekommt genug Auftrieb und Höhe, um lange Strecken in der Luft gleiten zu können.

Zudem verfeinerte Grosse stets sein Material, ließ technisch aufwändige Segelflugzeuge entwickeln und testete die Modelle selbst bei seinen Rekorden. Wie am 2. Januar 1981 in rund elfeinhalb Stunden über der australischen Wüste. „Es geht mir nicht um Rekorde, sondern um die Liebe“, sagte Grosse wenige Monate nachdem er von Bundespräsident Gustav Heinemann das Silberne Lorbeerblatt erhalten hatte. Grosse wollte höher, länger, weiter. Und er schaffte es.