Deutlicher Gehaltssprung bei Dax-Vorständen

Die Gehälter von Dax-Vorständen steigen um fast ein Viertel an. Foto: Oliver Berg/dpa

Die Vorstände in Dax-Unternehmen haben 2021 mit 3,9 Millionen Euro 24 Prozent mehr verdient als im Jahr zuvor. Die Zukunft könnte brisante Diskussionen für die Unternehmen bringen.

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FRANKFURT. In der ersten Börsenliga hat sich die Gehaltsschere zwischen Top-Management und Beschäftigten weiter geöffnet. Vorstände im Deutschen Aktienindex (Dax) verdienten mit 3,9 Millionen Euro im vergangenen Jahr 53 Mal so viel wie der Durchschnitt ihrer Mitarbeiter. Im Jahr zuvor war es noch das 47-Fache. Der Verdienst stieg im vergangenen Jahr um 24 Prozent. In den Vorjahren waren die Einkommen der Vorstände dreimal in Folge gesunken. Das ist das Ergebnis der jährlichen Vergleichsstudie der TU München und der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

„Die Vorstandsvergütungen haben auf den extremen Anstieg der operativen Gewinne um 122 Prozent im Jahr 2021 nach dem Gewinneinbruch im Jahr zuvor reagiert“, berichtet Professor Gunther Friedl von der TU München. In den zehn Jahren zuvor sei der Abstand der Verdienste vergleichsweise konstant gewesen.

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Linde-Chef erhält 19,4 Millionen Euro

Noch ist aus Sicht der Aktionärsschützer unklar, wie sich die Gewinne und Vergütungen der Unternehmen im Krisenjahr 2022 entwickeln. DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler sieht aber eine brisante Diskussion auf die Unternehmen zukommen, wenn es den Menschen schlechter geht und die Vergütungen der Vorstände steigen sollten. „Das müssen die Aufsichtsräte im Blick behalten.“ Im Ranking der Spitzenvergütungen liegt Linde-Chef Steve Angel mit einer durchschnittlichen Gesamtvergütung von 19,4 Millionen Euro an der Spitze. In den Jahren zuvor war der ursprünglich deutsche Konzern nicht in die Studie einbezogen worden, da er im Jahr 2018 mit dem US-Konzern Praxair fusionierte und der Geschäftssitz seitdem im irischen Dublin ist. Auf den weiteren Plätzen folgen der inzwischen abgelöste VW-Chef Herbert Diess mit 11,5 Millionen Euro und SAP-Boss Christian Klein mit 9,1 Millionen Euro. Im Schnitt erhielten die Dax-Chefs 6,1 Millionen Euro und damit deutlich mehr als ihre Kollegen im Vorstand mit 3,5 Millionen Euro.

Spitzenverdiener im Vorstand sind in der Regel die Finanzverantwortlichen. In diesem Bereich liegt der Finanzvorstand der Deutschen Bank, James von Moltke, mit 7,4 Millionen Euro vorne. Auch bei den Vorständen liegt der Industriegase-Konzern Linde mit einem Durchschnittsverdienst von 8,8 Millionen Euro vorne. Auf den weiteren Plätzen folgen der Biotechnologiekonzern Qiagen und die Deutsche Bank. Die Unternehmen mit dem stärksten Anstieg waren Adidas, Covestro und MTU, bei denen die Vergütungen um 191 Prozent zulegten. Am unteren Ende rangiert Puma mit einem Minus bei den Vorstandsgehältern von 29,7 Prozent.

Frauen bekommen weniger Gehalt

„Interessant sind die Gehaltsunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Vorstandsmitgliedern“, berichtet Friedl. So verdienten die Männer an der Spitze – den Vorstandsvorsitzenden nicht einberechnet – etwa 100.000 Euro mehr als die Frauen. „Trotzdem ist der Anteil der Frauen im Vorstand mit etwa 20 Prozent immer noch deutlich ausbaufähig.“

Im internationalen Vergleich liegen die deutschen Vorstände weit hinten, bilanziert DSW-Vorständin Christiane Hölz. Die Dax-Chefs liegen knapp hinter der Schweiz, wo 6,5 Millionen Euro Jahressalär gezahlt werden. Ein Sonderfall ist Frankreich, wo der Stellantis-Chef einen sogenannten Transformationsbonus von 44 Millionen Euro erhielt. Ohne Stellantis werden dort Spitzengehälter von 6,2 Millionen Euro gezahlt. Ebenfalls über dem deutschen Niveau liegt die im europäischen Börsenindex EuroStoxx 50 gezahlte Durchschnittsvergütung von 6,7 Millionen Euro, wenn Stellantis und deutsche Werte ausgeklammert werden. Weit vorne liegen die Top-Manager in den USA, wo die Dow-Jones-Vorstandsvorsitzenden im Schnitt 27,3 Millionen Euro kassieren. Das war binnen Jahresfrist ein Anstieg um 41 Prozent.

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Unternehmen stehen laut Professor Friedl unter erhöhtem regulatorischen Druck, die ESG-Kriterien Umwelt, soziale Aspekte und gute Unternehmensführung stärker zu berücksichtigen. Im Dax hätten neun von zehn Unternehmen bereits nicht-finanzielle Ziele in ihre Vorstandsvergütung einbezogen, in der zweiten Börsenliga MDax seien es 72 Prozent. Bei einigen Unternehmen werde aber nicht offen gelegt, welche Kennzahlen mit welcher Gewichtung dabei berücksichtigt werden, kritisiert Hölz. Ohnehin besteht bei der Transparenz nach Ansicht der Aktionärsschützer Nachholbedarf. Die Umsetzung der neuen Gesetzesgrundlage habe zu einem „kaum durchschaubaren Datendschungel“ geführt.