Droht eine neue Bankenkrise?

Dunkle Wolken über den Frankfurter Bankentürmen. Foto: dpa

Globale Rettungsbillionen sollen weltweit aus der Corona-Krise führen. Ohne Kreditausfälle wird das für Banken kaum gehen. Risikoexperte Jan-Philipp Hoffmann bleibt gelassen.

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DARMSTADT. In diesen Zeiten braucht es neben Gesundheit vor allem Geld. Mancher wird deshalb an die Blasenbildung in der Finanzkrise 2007 erinnert, was Fragen aufwirft. Wir sprachen mit Professor Jan-Philipp Hoffmann (47) von der Hochschule Darmstadt. Der Finanzmarktexperte leitete zuvor bei der Deutschen Bank ein Team zur Entwicklung moderner Risikomanagement- und Messmethoden sowie von Bewertungsmodellen für Finanzprodukte.

Dunkle Wolken über den Frankfurter Bankentürmen. Foto: dpa
Prof. Dr. Jan-Philipp Hoffmann Foto: Hoffmann

Herr Professor Hoffmann, wie schätzen Sie aktuell das Risiko-Szenario ein? Banken und Sparkassen legen Kredite aus wie nie – und lösen damit unweigerlich eine neue Bankenkrise aus?

Eine Bankenkrise werden die gegenwärtig ausgegebenen Notkredite nicht auslösen. Diese sind teilweise vollständig durch die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) garantiert, sodass sich hierdurch zwar die Bankbilanzen verlängern, aber nicht unbedingt ihr Risiko. Kredite für größere Unternehmen erhalten hingegen nur eine 80-prozentige Risikoübernahme durch die KfW. Diese Mithaftung der Institute dient dazu, diese zu einer sorgfältigen Risikoanalyse zu motivieren. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Altkredite in den Büchern der Banken zum Teil z u problematischen Krediten werden und unerwartete Kosten verursachen.

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Haben Sie den Eindruck, dass nahezu jeder Kreditwunsch erfüllt wird – auch von Zombie-Unternehmen?

Nein, diesen Eindruck teile ich nicht. Letztlich haben alle Kreditanträge die banküblichen Antragsprozesse zu durchlaufen. Darin ist stets eine Risikobewertung der Kreditnehmer enthalten. Soweit möglich sollten hier schon die Zombie-Unternehmen auffallen und aussortiert werden. So etwas gelingt leider nicht immer. Und durch die Menge der nun zu bearbeitenden Kreditanträge kann, je nach Digitalisierungsgrad beziehungsweise -rückstand der Bank, auch schnell ein Fehler in der Bearbeitung unterlaufen.

Mit welchem Umfang von Kreditausfällen rechnen Sie?

Gewiss werden wir vermehrt Kreditausfälle sehen. Sowohl im Bestandsgeschäft, also den bestehenden Krediten, als auch in den jetzt neu ausgegebenen Notkrediten. Das wird die Institute in vielschichtiger Weise treffen. Zunächst bedeuten notleidende Kredite immer auch einen Anteil an Kreditausfällen und damit an unmittelbaren Abschreibungen. Aber auch die Möglichkeit, dass Kreditnehmer in schweres Fahrwasser geraten, führt schon dazu, dass mehr Kapitalreserven zu bilden sind. Je nach Kapitalausstattung ist das zusätzlich schmerzlich und wird schon kurzfristig verbliebene Erträge weiter schmälern. Zuletzt werden die nun beobachteten Ausfälle die finanzmathematischen Verfahren zur Risikoanalyse der Kreditnehmer durch neue, leider ungünstige Statistiken beeinflussen und zusätzlich Kapitalanforderungen an die Institute stellen.

Wie beurteilen Sie die Maßnahmen der Bundesregierung?

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Sowohl aus sozialer als auch ökonomischer Sicht halte ich es für absolut angebracht, alle verfügbaren Mittel in die Abfederung der Krise zu stecken. 2013 haben wir in Deutschland die Erfahrung gemacht, dass zum Beispiel das Instru0ment der Kurzarbeit zusammen mit dem Bewusstsein der Unternehmen, dass erfahrende Mitarbeiter wertvoll sind, sehr geholfen hat, die im Bruttosozialprodukt (BIP) erkennbare Rezession nicht auf den Arbeitsmarkt durchschlagen zu lassen. Damals war es möglich die sonst übliche Kausalkette einer Rezession von schwindendem Außenhandel, sinkendem BIP hin zu steigender Arbeitslosigkeit zu durchbrechen, sodass diese Krise gerade bei den befürchteten Kreditausfällen quasi ausgeblieben ist. Vielleicht gelingt uns das auch wieder.

Was kommt durch den extremen Stresstest für die Institute auf den Normalkunden zu bei Zinsen und Gebühren?

Die geringe Ertragslage der Banken, die wir schon vor der Krise hatten, wird sich nicht bessern. Und höhere Zinsen werden wir in Europa auf noch längere Sicht nicht mehr wieder sehen. Das würde sonst die Refinanzierung der Euro-Staaten gefährden. Und dieses Mal betrifft es nicht nur einige, sondern alle Staaten des Euro-Raums. Also werden auch zukünftig Banken nach neuen Ertragsmöglichkeiten suchen. Da stehen natürlich negative Zinsen oder auch Gebühren auf der Agenda. Ob diese sich durchsetzten lassen, ist unsicher. Denn zum einen haben viele Institute diese Quelle schon angezapft, zum anderen reagieren immer mobilere Kunden deutlich empfindlicher auf unerwartete Kosten. Hier sind Online-Banken mit ihren geringeren Kosten im Vorteil und könnten womöglich diese Kunden für sich gewinnen.

Muss der Verbraucher endgültig Abschied von der Bank-Präsenz in der Fläche nehmen, sich digital noch besser aufstellen?

Wir sehen an vielen Stellen, dass, wenn es wirklich nötig ist, wir sehr kreativ und in atemberaubender Schnelligkeit digitaler werden. Dieses Rad dreht niemand mehr zurück. Daher werden die klassischen, oft doch sehr kleinen Bankfilialen noch weiter verschwinden und dafür wenige, aber im Service umfassendere Niederlassungen entstehen. Für Bargeldversorgung, Überweisungen, selbst Kundenkredite, wie jetzt die Notkredite, bedarf es keiner Filiale mehr. Bei Baufinanzierungen oder größeren Unternehmensfinanzierungen wird die persönliche Betreuung aber sicher weiter wichtig bleiben ––für die Kunden wie auch die Banken. Aber das wird dann genau das Angebot in den großen Hauptfilialen sein müssen.

Das Interview führte Achim Preu.